Fasbenders Woche: Von wo aus startet die Atombombe gegen Russland?

Verzichtsträume der Satten, Matten und Altersweisen – Deutsche Politiker wollen Atombomben nicht hergeben – Misstrauen schleicht durch die Gesellschaft

Die Klimakonferenz im schottischen Glasgow wird untermalt von einem medialen Rauschen, das an totale Mobilmachung erinnert. Auf allen Seiten wird für das 1,5-Grad-Ziel getrommelt, werden die Menschen auf Verzicht, Verbote und Einschränkungen eingeschworen. Doch bei Licht betrachtet sind es nur die satten und verwöhnten Gesellschaften des Westens, die für solche Klimaerregung empfänglich sind. Und selbst dort dominiert sie nur in Nischen, vornehmlich in den (weithin deckungsgleichen) Filterblasen der Grünen und der sogenannten öffentlichen Meinung. Addiert man die Klimabewegten zusammen, sprechen wir von einer sehr niedrigen einstelligen Prozentzahl der Weltbevölkerung.

Die ganz überwiegende Mehrheit der fast 8 Milliarden Exemplare der Gattung Homo sapiens träumt von einem Weg aus der Armut, vom Aufstieg in die gesellschaftliche Mittelschicht oder davon, noch mehr zu besitzen, als man schon hat. Diese Mehrheit träumt von einem Leben, das energieintensiver ist, nicht vom Gegenteil. Bis das Gros der Weltbevölkerung so reich ist, dass es sich Verzicht als Luxus vorstellen kann, wird noch sehr viel Zeit vergehen. Wahrscheinlich wird es nie so weit sein.

Fakt ist, dass fossile Brennstoffe noch während vieler Jahrzehnte die moderne Zivilisation befeuern. Fakt ist auch, dass die industrielle Landwirtschaft so lange betrieben wird, so lange die Weltbevölkerung nicht anders zu ernähren ist. Und Fakt ist, dass der Anteil der Treibhausgase an der Erdatmosphäre jahrzehntelang weiter ansteigen wird – mit allen bekannten und unbekannten Folgen.

Nur die westlichen Industriegesellschaften haben alles erreicht: Macht, Wohlstand, Emanzipation, Autonomie. Dort wächst die Bereitschaft, alles hinter sich zu lassen, dort gibt man sich altersweiser Muße hin: Das letzte Hemd hat keine Taschen. Im Nicht-Westen herrscht der Hunger nach mehr. Dort ist man auch realistisch, nicht altersweise. China fördert zwar die nicht-fossile Zukunft der Energieerzeugung (Wind, Wasser, Sonne, Atom). Gleichzeitig macht man sich keine Illusionen. Der Klimawandel kommt so oder so. Wenn irgendwann in der Zukunft Hongkong und andere Küstenstädte vom Meerwasseranstieg bedroht sind, werden Millionen umgesiedelt. Den naiven Klimarettungswahn, wie er in Deutschland geradezu geschürt wird, gibt es in China nicht. Eine Regierung, die den Bauern ihr Schweinefleisch nehmen wollte, hätte morgen einen Volksaufstand am Hals.

Doch weil die Welt so ist, wie sie ist, will man sie in Deutschland gar nicht erst wahrhaben. Wir leben im Tunnelblick-Modus, fixiert auf unseren winzig kleinen Beitrag zum 1,5-Grad-Klimaziel. Der muss erbracht werden, mit letzter Konsequenz. Es ist dieser Beitrag, der uns zu guten Menschen macht. So viel rührende Provinzialität mag amüsieren – die Folge ist ein sektiererischer Eifer, der noch die letzte Currywurst aus den Mensen vertreibt. Wer nicht mitmacht bei der Weltenrettung, findet sich am Pranger wieder.

So ist auch die schottische Klimakonferenz eine Nabelschau der Altersweisen und der altklugen Kinder. Die klimabewegten NGO, die FFF-Kids und die hyperventilierenden Medien bejubeln Aktivisten aus dem Pazifik, deren Inseln es in hundert Jahren nicht mehr geben wird. Life is hard and then you die. Die Präsidenten aus China, Russland und Brasilien sind gar nicht erst angereist.

 

                                            *****

 

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erinnert daran, dass die NATO-Philosophie auch die Verwendung von Atombomben vorsieht. Als Beispiel erwähnt sie mögliche Angriffe auf NATO-Partner "etwa im Baltikum oder im Schwarzmeer". Dann wird sie auch explizit: "Wir müssen Russland gegenüber sehr deutlich machen, dass wir am Ende – und das ist ja auch die Abschreckungsdoktrin – bereit sind, auch solche Mittel einzusetzen." Solche Mittel, das sind die gleichen wie in Hiroshima und Nagasaki. Allerdings inzwischen perfektioniert.

Interessant wird in einem solchen Fall, von wo aus die Atombomben gegen Russland zum Einsatz kommen. Der NATO-Beistandspflicht wäre Rechnung getragen, wenn ein U-Boot der Amerikaner, Engländer oder Franzosen eine Nuklearrakete gegen Ziele in Russland abfeuert. Doch gleichzeitig entbrennt eine Diskussion um die angeblich immer noch 20 US-Kernwaffen im rheinland-pfälzischen Büchel. Im Ernstfall sollen sie von deutschen Kampfjets über gegnerischem Territorium abgeworfen werden. Das muss nicht Russland sein – das kann aber Russland sein.

Manche deutsche Außen- und Sicherheitspolitiker, etwa der scheidende Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger, plädieren entschieden für den Verbleib dieser 20 Atombomben auf deutschem Territorium – und damit für ihren theoretischen Einsatz von Deutschland aus. Das heißt nichts anderes als: Wenn es zum Krieg mit Russland kommt, könnte Deutschland zum Vollstrecker der Vernichtung dieses Gegners werden, oder wenigstens seiner Hauptstadt oder einer anderen russischen Stadt. Wer denkt sich so etwas aus? Soll Deutschland, dem damit die sichere Vernichtung durch einen russischen Gegenschlag droht, endgültig für zwei Weltkriege büßen? Was für eine perfide, perverse Logik. Wie kann man als Deutscher so etwas verteidigen?

Deutschland als billiges Opfer, wenn Russland an der NATO-Peripherie im Osten übergriffig wird. Im Übrigen ist es ein Federstrich, dann wird auch die Ukraine NATO-Mitglied sein. Dann haften Millionen Deutsche mit ihrem Leben für die Unwägbarkeiten im ostslawischen Bürgerkrieg. Und manche deutsche Politiker finden das auch noch gut und richtig.

 

                                            *****

 

Der Fall Gil Ofarim, die Auswüchse der Identitätspolitik und die Anti-Diskriminierungsideologie der Progressiven sind Facetten der sogenannten Tribalisierung. An die Stelle der untergegangenen bürgerlichen Gesellschaft treten Stämme, Gruppen und Kollektive. Und wo die Würde des Citoyen aus Bildung, Zivilisation und Urteilskraft erwuchs, reicht dem Gegenwartsmenschen irgendeine gruppenbezogene Identität. Dabei gibt es strukturell privilegierte und strukturell diskriminierte. Wer das Glück hat, einer strukturell diskriminierten Gruppe anzugehören, dem winkt das große Los. Es bedarf nur der Chuzpe, diese Zugehörigkeit im richtigen Moment richtig einzusetzen.

Damit scheint auch Gil Ofarims Ticket auf dem Weg zum Erfolg beschrieben. Eine verbale Auseinandersetzung an der Hotelrezeption, ein schlechter Tag auf dieser oder der anderen Seite, die Emotionen schaukeln sich hoch, der prominente Sänger ist empört, fühlt sich unangemessen behandelt – und sinnt auf Rache. Er droht mit einem Video, das viral gehen wird – schließlich verfügt er über ein Schwert, das unter allen Umständen schneidet: Er gehört einer diskriminierten Minderheit an. Und diskriminierte Minderheiten haben immer recht. Wer sich an ihnen vergreift, kann die Unschuldsvermutung vergessen.

Kein Wunder, dass Misstrauen durch unsere Gesellschaft schleicht. In den USA heißt es schon lange: Ein kluger Mann verlässt den Lift, wenn eine Frau einsteigt und er anderenfalls mit ihr alleine wäre. Ein weiser Rat. Besser drei Minuten zu spät kommen, als …

Vielen gilt es als rassistisch, einen fremd aussehenden Menschen zu fragen, wo er herkommt. So liegen die Dinge. Vielleicht geht man einem Gespräch überhaupt besser aus dem Weg. Weiße Menschen sollen angeblich auch nicht in der Lage sind, Bücher schwarzer Menschen zu übersetzen. Welchen Sinn hat es, eine Unterhaltung zu versuchen, wenn ein gegenseitiges Verstehen von vornherein unmöglich ist?

Zurück zu Gil Ofarim. Bei fremdländisch aussehenden Menschen gibt es immerhin die Möglichkeit, Kontakt und Konflikt zu vermeiden. Aber woran erkennt man einen Juden? Ganz sicher nicht an der krummen Nase; solche Märchen sind nun wirklich widerlegt. Doch das macht es nicht leichter. Stellen wir uns vor, Sie oder ich, einfache Menschen ohne die Feuerkraft einer mächtigen Hotelkette auf der Hinterhand, gerieten mit dem Sänger in Streit? Irgendetwas völlig Banales, ein schlechter Tag auf beiden Seiten. Und dann droht er: Dich mach ich fertig! Am gleichen Tag noch geht sein Video viral. Und wir können uns keine teuere Kanzlei leisten, die Dutzende Zeugen befragt und auf fast 200 Seiten die Wahrheit dokumentiert. Jetzt verstehen Sie, warum man nicht vorsichtig, nicht misstrauisch genug sein kann.