von Ulrich Heyden, Moskau
Am vorletzten Sonntag fand in Kiew aus Anlass des "Tages der Vaterlandsverteidiger" ein Marsch mit mehreren Tausend Nationalisten und Faschisten statt. Organisiert wurde der Marsch, mit dem auch der Gründung der Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA) 1942 gedacht wurde, von den Parteien Swoboda, Nationaler Korpus und Rechter Sektor. Die UPA war an Massakern gegen Polen und Juden in der West-Ukraine beteiligt.
Unter den Demonstranten in Kiew sah man in auffälligem Outfit und mit eigenen Fahnen und einem Transparent auch Mitglieder der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationalisten" und der NPD-Abspaltung "Der Dritte Weg".
Einen Tag nach der Demonstration am 15. Oktober nahmen die Rechtsradikalen aus Deutschland im Kiewer Club Reconquista an der sogenannten zweiten Paneuropäischen Konferenz teil. Zu den Teilnehmern der Konferenz gehörten Olena Semenyaka (Nationaler Korps der Ukraine), Björn Rödal (Alternative für Norwegen), Marcus Follin (Schweden), Bruno Zorica (Kroatien, Ausbilder von kroatischen Kämpfern im Krieg gegen Serbien), Alberto Palladino (Casa Pound, Italien), Julian Bender (Der Dritte Weg, Deutschland), Maik Schmidt (Junge Nationalisten, Deutschland), Yuri Noievyi (Swoboda, Ukraine), Greg Johnson (Medium Counter-Currents, USA).
Der Vertreter des Nationalen Korpus, Kirilo Latischew, schrieb nach der Konferenz auf Facebook, "die besten der Nationalisten lernen von den westlichen Denkern. Das ist richtig. Aber mir scheint, es ist die Zeit gekommen, dass die ukrainischen Denker und Führer des Nationalismus unter den westlichen Verbündeten bekannt gemacht werden."
Plötzlich kritische Berichte über ukrainische Nazis?
Die Anwesenheit von deutschen Nazis auf der Demo in Kiew hat in den deutschen und ukrainischen Medien ein großes Echo gefunden (Bericht von der Deutschen Welle). Die Berichte waren kritisch angehaucht. Es wurde berichtet, dass die UPA im Zweiten Weltkrieg an Massakern gegen Polen beteiligt war. Dass man nun offen darüber schreibt, was in den letzten vier Jahren als russische Propaganda abqualifiziert wurde, hat offenbar damit zu tun, dass in der Ukraine im März 2019 Präsidentschaftswahlen stattfinden und die westliche Elite Präsident Petro Poroschenko noch zu einer zweiten Amtszeit verhelfen will. So bekommen in den deutschen Medien nun auch die rechten Kritiker von Poroschenko etwas auf die Mütze. Dass Poroschenko selbst in der Ost-Ukraine einen grausamen Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt, verschweigen die deutschen Medien aber immer noch.
Man könnte sagen, die Anwesenheit von ein paar deutschen Rechtsradikalen auf einer Demonstration in Kiew sei nicht dramatisch. Doch es handelt sich dabei um einen Teil einer langen Kette von Unterstützungsleistungen von deutscher Seite.
Erst im Juli dieses Jahres war herausgekommen, dass die Bundeswehr seit 2014 verwundete ukrainische Soldaten, darunter mutmaßlich auch Rechtsradikale des Asow-Bataillons, mit einem speziell ausgerüsteten Lazarett-Flugzeug nach Deutschland ausfliegen und in Bundeswehrkrankenhäusern behandeln lässt.
Für alle, die sich mit der Ukraine beschäftigen, ist die Teilnahme von deutschen Rechtsradikalen an einer Demonstration in Kiew, nicht erstaunlich. Kontakte zwischen der NPD und der rechtsradikalen Partei Swoboda, deren Militante sich führend am Staatsstreich in Kiew beteiligten, gab es bereits 2013, also noch vor dem Maidan in Kiew.
Nachdem die Partei Swoboda 2012 das erste Mal in Fraktionsstärke in die Rada eingezogen war, schickte sie 2013 eine Delegation unter Leitung des Rada-Abgeordneten Mychajlo Holowko zur NPD nach Sachsen.
Auf eine mündliche Frage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke vom 20. Februar 2013 erklärte die Bundesregierung, sie habe weder Erkenntnisse über rechtsextremistische Tendenzen der Fraktion und Partei Swoboda noch zu deren Kontakten zu Rechtsextremisten in Deutschland oder der EU (Plenarprotokoll 17/221). Diese Aussage erstaunte, hatte Swoboda zu dieser Zeit doch schon länger Beobachterstatus bei der "Allianz der europäischen nationalen Bewegungen" (AEMN).
Ukrainisches Internet-Portal: "Moskau-freundliche Nazis aus Deutschland"
Regierungsnahe ukrainische Medien wie Vesti bezeichneten die deutschen Rechtsradikalen, die sich am Marsch in Kiew beteiligten, als "pro-russisch". Die NPD sei bekannt für "ihre pro-russische Position (…) Nach bestimmten Quellen ist die Tätigkeit dieser Organisation mit dem Regime des Präsidenten von Syrien, Baschar al-Assad, und der terroristischen Organisation Hisbollah verbunden", behauptete das Internet-Portal ohne einen einzigen Beweis zu nennen. Mitglieder der NPD hätten mehrmals "die Okkupation der Krim" gerechtfertigt.
Dass die NPD, seit ihrer Gründung 1964 bis etwa zum Jahr 2000, einen aggressiv anti-russischen Kurs fuhr, ist allgemein bekannt. Dass diese Partei "pro-russisch" sein soll, erstaunt. Ja, die NPD hat sich gegen die Sanktionen gegen Russland und Syrien ausgesprochen. Doch ist das schon "pro-russisch"?
Dass die NPD heute nicht mehr für die Rückgabe der "deutschen Ostgebiete" auf die Straße geht, wie noch in den 1980er Jahren, hat vor allem taktische Gründe. Der ehemalige NPD-Vorsitzende Holger Apfel geißelte noch 1999 in der Publikation "Tradition und Zukunft einer nationalen Partei" "die freiwillige Unterwerfung Deutschlands unter das Moskauer Diktat" und "die Ausdehnung des bolschewistisch-russischen Imperiums bis in die Mitte des europäischen Raumes". Bis 2017 demonstrierte die NPD vor dem Museum in Berlin-Karlshorst gegen eine "angebliche Befreiung" Deutschlands am 8. Mai 1945. In dem Gebäude, in dem sich das Museum befindet, wurde die bedingungslose Kapitulation Deutschlands unterzeichnet.
Die Organisation "Der Dritte Weg" als Moskau-freundlich zu bezeichnen, ist ebenfalls abwegig. Im Programm von "Der Dritte Weg" wird zwar der "Austritt aus der NATO" gefordert. Unter Punkt 10 des Parteiprogramms heißt es jedoch, "Deutschland ist größer als die BRD. Ziel der Partei 'Der Dritte Weg' ist die friedliche Wiederherstellung Gesamtdeutschlands in seinen völkerrechtlichen Grenzen". Mit "völkerrechtlichen Grenzen" sind zweifellos die Grenzen von 1937 gemeint. Doch Grenzen in Frage zu stellen, die 1945 auf der Potsdamer Konferenz festgelegt wurden, stößt seit jeher auf scharfen Protest aus Moskau.
"Der Dritte Weg für Fortsetzung der Maidan-Revolution"
"Der Dritte Weg", eine von ehemaligen NPD-Mitgliedern gegründete "nationalrevolutionäre" Partei, berichtet auf seiner Webseite mit großen Fotos von seiner Teilnahme an der Demonstration in Kiew. Auf der Webseite wird in einem weiteren Text begrüßt, dass bei der ukrainischen Armee und Polizei der nationalistische Gruß "Ehre der Ukraine – Ruhm den Helden" wieder eingeführt wurde. Weiter heißt es, es sei klar, dass die Maidan-Revolution "noch nicht beendet ist" .
"Rechter Sektor"-Gründer Jarosch droht Oppositionsführern mit Tod
Die Teilnahme von Rechtsradikalen aus Deutschland an einer Nationalisten-Demo in Kiew fällt in eine Zeit, in der sich alle politischen Kräfte in der Ukraine auf den Präsidentschaftswahlkampf im März 2019 vorbereiten. Dass die Teilnehmer aus Deutschland nun als Pro-Russen hingestellt werden, zeigt die ganze Absurdität der anti-russischen Hysterie in der Ukraine.
Die Rechtsradikalen in der Ukraine wollen zu den Wahlen einen eigenen Kandidaten aufstellen. Wer das wird, darum streiten jetzt die Partei Swoboda und Andrej Bilezki, der Gründer des Asow-Bataillons und Leiter des Nationalen Korpus.
Die ukrainischen Nationalisten und Rechtsradikalen kritisieren Präsident Petro Poroschenko zwar scharf wegen eines angeblich zu weichen Kurses gegen die "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk. Doch ungeachtet dieser Kritik arbeiten führende Rechtsradikale und Nationalisten mit der ukrainischen Präsidialadministration eng zusammen. Dmitro Jarosch, der Gründer des "Rechten Sektors" und jetzige Leiter der "Ukrainischen Freiwilligen-Armee" (UDA) hat Präsident Petro Poroschenko seine Unterstützung versprochen. Jarosch kündigte an, alle Bataillone der UDA würden von der Front in der Ost-Ukraine abgezogen. Sie würden "den staatlichen Strukturen helfen, dass es nicht zu einer russischen Revanche kommt."
Von "russischer Revanche" sprechen die ukrainischen Nationalisten, wenn es um Aktivitäten der linken und demokratischen Opposition in der Ukraine geht, wenn es zum Beispiel um eine Unterschriftensammlung für den Frieden geht. "Wenn nötig" würde man alle diese "Medwetschuk, Wilkul und Murajew" (ukrainische Oppositionspolitiker) "beseitigen", erklärte Jarosch. Und er gehe davon aus, dass die "staatlichen Organe Verständnis haben", wenn man so vorgehe.
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