von Susan Bonath
Endlos lamentiert, Probleme vertagt, planetare Zerstörung go on: Das ist das Fazit des bereits 25. Klimagipfels in Kurzfassung. Zementiert wurde ein Freibrief für die Ölindustrie und des von ihr abhängigen militärisch-industriellen Komplexes. Die Energiebonzen, Kohlemultis, Rüstungsgiganten, Automobilfürsten dürfen weiter die Ressourcen plündern. Ihr kapitalistisches Grundrecht auf Maximalprofite zulasten Milliarden armer Menschen hat das Management des Systems nicht angetastet.
Doch vielen Deutschen scheint das egal zu sein. Dank Medienpropaganda diskutiert man im abgestumpften Land der toten Dichter und Denker mit Schaum vor dem Mund, ob oder wie lange die 16-jährige schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg auf ihrer Zugfahrt am Boden sitzen musste. Das ist absurd, und es scheint, als fühle sich der deutsche Arbeiter seiner herrschenden Klasse zutiefst verpflichtet. Ja, auch selbsternannte Linke oder gar "Marxisten" sind offenbar auf diesem Trip. RWE, Rheinmetall und Co. dürfte das freuen.
Supergau in Sachen Abzocke?
Die sogenannten "Klimaskeptiker" von links wie rechts glauben an eine globale Verschwörung. Verschworen habe sich demnach der überaus größte Teil der Wissenschaftler mit der Politik, vor allem den Grünen und der Wind- und Solarbranche, für einen Supergau der Superprofit-Abzocke mittels CO2-Zertifikaten.
Oder um es anders zu sagen: Die Profitmacherei der Energiemultis, an denen, wie gesagt, fast die gesamte restliche Industrie, einschließlich der Kriegsschmieden, hängt, ist demnach soweit okay. Man ist es schließlich so gewohnt. Dass es sich jetzt aber Kapitalisten und ihre Manager wagen, mit Solarstrom und Zertifikaten Profite zu machen – das geht mal gar nicht!
Das klingt, als habe der Kapitalismus nicht etwa schon vor 500 Jahren den Feudalismus nach und nach abgelöst, sondern als habe ihn erst gestern jemand eingeführt. Oder als sei der Kapitalismus bis gestern gut und menschenfreundlich gewesen. Als hätte er nicht seit seinem Bestehen mit jeder Produktion von welcher Ware auch immer einen einzigen Selbstzweck verfolgt: Maximalprofit.
Wenn Kapitalisten Profite scheffeln
Nun zucken also die Skeptiker verwundert und erbost zusammen, weil sie plötzlich erkannt haben, dass Kapitalisten im Kapitalismus mit der Warenproduktion Profite scheffeln wollen. Welch eine Erkenntnis. Man möchte ihnen zurufen: Guten Morgen, schön, dass Sie aufgewacht sind. Doch warum laufen Sie mit der Erkenntnis nun ausgerechnet der Öl-, Auto- und Rüstungsindustrie hinterher?
Denn genau diese Konzerne, und das ist erwiesene Tatsache, sponsern seit 40 Jahren Denkfabriken wie das Heartland Institute, CFACT und EIKE jährlich mit Millionen. Der Auftrag dieser Thinktanks ist es, Zweifel zu säen, um Rückhalt in der Bevölkerung zu gewinnen für fortgesetztes rücksichtsloses Plündern der menschlichen Lebensgrundlage. Plündern zulasten der Massen, zugunsten von Maximalprofiten. Also genau das, was die Skeptiker den vermeintlichen "Klimahysterikern" vorwerfen. Es ist erwiesen, dass der aktuell vor Gericht stehende Ölkonzern Exxon schon in den 1960er Jahren zum menschengemachten Klimawandel geforscht und seine Ergebnisse bereits beim Bau neuer Bohrinseln angewandt hatte.
ABC der Physik
Unzählige Experimente und Studien belegen zudem den Treibhauseffekt. Hätten drei- und mehratomige Gasmoleküle, wie Kohlenstoffdioxid, nicht die Eigenschaft, Energie zu absorbieren, würde auf der Erde eine Mitteltemperatur von minus 18 Grad Celsius herrschen.
Die zusätzlichen menschengemachten Emissionen von Treibhausgasen sind messbar. Dass diese die Troposphäre als untere Schicht der Erdatmosphäre erwärmen, ist so belegt, wie die Tatsache, dass dadurch eine höhere Teilchen-Konzentration den Druck erhöht. Was die Entstehung von Wirbelstürmen begünstigt. Nur so zum Beispiel.
Hinzu kommt: Die mächtigste Branche, die Öl- und Kohleindustrie und ihr Anhang vom Maschinenbau bis hin zur Kriegsmaschinerie, hat überhaupt kein Interesse, auf Wind und Sonne umzusteigen. Zumal in Deutschland fast alle Firmen dieser Branchen inzwischen pleite sind – und das nicht ohne Grund.
Geschichten von Kohleöfen und der Sonne
Wenn man bedenkt, dass erneut nichts, wirklich nichts beim Gipfel in Madrid beschlossen wurde, was einen Umstieg auf erneuerbare Energien und ökologische Produktion von was auch immer beschleunigen könnte, ist doch eigentlich klar, um wessen Interessen sich diese "Klimapolitiker" wirklich sorgen. Es sind die Interessen von Big Oil und des militärisch-industriellen Komplexes.
Vielen scheint das aber nicht klar zu sein. Da kursieren dann immer wieder dieselben Fake "Fakten" von den immer gleichen Protagonisten, gerne vom pseudowissenschaftlichen Verein EIKE. Da ist zum Beispiel dessen Vizepräsident und AfD-Energieexperte Michael Limburg. Dieser hat laut Wikipedia als Elektroingenieur vermutlich so viel Ahnung von der Klimawissenschaft wie ein Hamster von einem Computer. Und wenn ihm dann eine eingeschworene "Skeptiker"-Gemeinschaft zujubelt, während er im Interview erklärt, dass so ein schöner Kohleofen viel heißer und daher geeigneter zur Energieerzeugung als die Sonne sei, möchte man verzweifeln.
Warum funktioniert eigentlich das Internet?
Kurze Fragen an die Skeptiker an dieser Stelle: Wenn Sie 99 oder meinetwegen auch "nur" 90 Prozent der Wissenschaftler für Scharlatane oder gekauft halten: Warum, um alles in der Welt, nutzen Sie dann Computer, Smartphones, Autos, das Stromnetz, die Wasserversorgung – kurzum: alle technologischen Errungenschaften, die ohne diese Physiker und Chemiker gar nicht existieren würden?
Und: Weshalb funktioniert das eigentlich alles fast reibungslos aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse? Ein Beispiel ist das Internet, in welchem hier so eifrig kommentiert wird. Wie kann das sein, wenn doch das Gros der Wissenschaftler zu doof oder korrumpiert sei, das Klima zu berechnen? Das müssen Sie erklären.
Festzustellen ist zudem: Die oft peinlichen Attacken gegen Wissenschaftler und jugendliche Klima-Aktivisten basieren meist schon auf falschen Behauptungen. Eine davon lautet: Die Forscher konzentrierten sich allein aufs CO2. Wer auch nur eine Studie gelesen und halbwegs verstanden hat, weiß: Das ist Blödsinn. Rauf und runter geht es darin auch um Sonnenaktivität, Wasserkreisläufe und so weiter.
Gefühlte Mittelschicht
Kürzlich mache ein Autor hier bei RT Deutsch ein weiteres Fass auf: "Fridays for Future“ sei „eine Bewegung von Reichenkindern für die Interessen der Großkonzerne".
Die Beweise, die der Autor dafür bringt, sind rar. Im Wesentlichen beruft er sich auf Umfragen zur Selbsteinschätzung der Teilnehmer an einzelnen Orten. Danach fühlen sich fast drei Viertel zur oberen oder unteren Mittelschicht zugehörig, nur 4,3 Prozent zur Arbeiterklasse. Nun ist das mit Selbsteinschätzungen so eine Sache: Auch der festangestellte Daimler-Beschäftigte oder die Angestellte im Baumarkt verdienen häufig nicht schlecht. Alleinstehende gelten in Deutschland bereits als "Mittelschicht" ab einem Monatsnetto von 1.500 Euro.
Die Kategorie "Mittelschicht" hat also mit der Zuordnung zur Arbeiterklasse nichts zu tun, noch dazu, wenn es um einen gefühlten Status geht. Genau genommen gehört nämlich jeder Lohnabhängige zur Arbeiterklasse. Denn er oder sie verkauft ja ihre Arbeitskraft gegen Lohn. Nimmt man jene, die eine Rente aus Lohnarbeit beziehen, dazu, gehören drei Viertel der deutschen Bevölkerung der Arbeiterklasse an, auch wenn die Betreffenden sehr unterschiedlich privilegiert sind. Es wird hier also etwas zusammengewürfelt, was nicht zusammen passt.
Gewagte Schlüsse
Es erscheint sehr gewagt, aus diesen regionalen Umfragen in deutschen Städten zu schließen, dass erstens weltweit alle Klima-Aktivisten "Reichenkinder" seien, und zweitens, dass es sich bei der Klimaforschung um eine globale Verschwörung handeln müsse. Und dies auch noch im Interesse der Großkonzerne.
Frage: Im Interesse welcher Großkonzerne agieren diese Schüler und Wissenschaftler denn nun ganz konkret? Im Sinne der Öl- und Kohleindustrie? Kann nicht sein, denn die globalen politischen Manager haben diesen gerade wieder die Profite für ein weiteres Jahrzehnt und länger gesichert. Damit fallen schon mal auch die Automobil-, Stahl- und Rüstungskonzerne weg.
Mal ehrlich: Dass die Ölmultis, die ja bereits in den 1960er Jahren selbst den Klimawandel erforschen ließen, irgendwann umrüsten müssen, weil es auf einem toten Planeten keine Profite mehr geben kann, dürfte klar sein. Dass sie dies nicht auf eigene Kosten tun wollen und werden, sondern zulasten der lohnabhängigen Mehrheit, ist abzusehen. So funktioniert nun einmal Kapitalismus. Worum ging es in den Kriegen der letzten 50 Jahre in diesem glorreichen System: Um Windräder, CO2-Zertifikate oder doch eher ums Öl?
Eines ist nicht wegzudiskutieren: Solange das Ziel jeder Produktion der Maximalprofit ist, lagert im Boden pures Geld. Das abzugreifen, macht die Politik trotz Kenntnis der ökologischen Bedrohung den Großkonzernen immer weiter möglich. Sogar viele der angeblichen Reichenkinder von "Fridays for Future" haben erkannt: Ohne Systemwandel hat die arme Bevölkerungsmehrheit die sprichwörtliche Arschkarte. Denn sie wird ihre Lebensgrundlage verlieren. Doch um darum geht es vielen Weltverschwörungspanikern nicht.
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