Bundesarbeitsgericht erteilt Freibrief für Sklaverei

Susan Bonath

Nach der Pleite eines Subunternehmers können Beschäftigte ihren Lohn nicht vom Bauherren einfordern. Das entschied das Bundesarbeitsgericht in Erfurt am Mittwoch. Die Schwerarbeit der Bauarbeiter für den Shopping-Tempel "Mall of Berlin" wird somit nicht entlohnt.  

von Susan Bonath

Eigentlich heißt es, die Sklaverei sei in Deutschland längst abgeschafft. Doch nun hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt das Gegenteil bewiesen. Mitten in der deutschen Hauptstadt haben vor allem rumänische Arbeiter für das Milliarden-Luxusprojekt "Mall of Berlin" geschuftet. Und viele wurden, wie das bei Sklaverei üblich ist, nie dafür bezahlt.

Nur zwei der geprellten Arbeiter aus Rumänien hielten den langen, fünf Jahre dauernden Weg durch die Gerichtsinstanzen durch. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) verklagten sie den Investor HGHI Leipziger Platz GmbH & Co. KG auf Zahlung der vorenthaltenen Löhne.

Am Mittwoch sind sie in Erfurt damit endgültig gescheitert. Gegen den Investor und Hauptprofiteur hätten sie keinerlei Ansprüche, meinten die Richter. Ihre Begründung: Die bestehenden Gesetze sähen dessen Hauptverantwortung nicht vor, wenn das errichtete Gebäude nur vermietet, aber nicht verkauft werde.

Oberster Investor haftet nicht

Hintergrund ist: Ein Generalunternehmen hatte mehrere Subunternehmen eingeschaltet. Bei einem solchen waren auch die Kläger beschäftigt. Am Ende blieb der Lohn aus, alle beteiligten Firmen waren pleite oder einfach verschwunden.

Doch das an sich logische Prinzip, wonach man eine Stufe höher geht, wenn bei den direkt Verantwortlichen nichts zu holen ist, verwarf das hohe Gericht. Die Argumente der Arbeiter und der freien Gewerkschaft, dass der beklagte Unternehmer schließlich den Bauauftrag vergeben habe und für Probleme haften müsse, verhallten. 

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Der richterlichen Auffassung zufolge haften nämlich nur jene Unternehmen, die sich direkt zur Erbringung der Bauleistungen verpflichtet hatten. Der oberste Investor könne gar nicht einschätzen, ob die Sub-Subunternehmen seriös sind, so die Richter.

Teuren Anwalt statt Lohn bezahlt

Dieser Fall macht einmal mehr deutlich: Das Recht steht auf der Seite des Kapitals. Linke nennen das Klassenjustiz. Laut FAU hätten die ausstehenden Löhne den Investor Harald Huth schlappe 50.000 Euro gekostet. Doch der bezahlte lieber einen teuren Anwalt, um die berechtigten Ansprüche der Ausgebeuteten abzuwehren, die für ihn die Drecksarbeit geleistet hatten. 

Die betroffenen Arbeiter sind nicht die einzigen, denen es so geht, und sie werden nicht die einzigen bleiben. Viele sind schon vor fünf Jahren weitergezogen. Die beiden Kläger hatte die FAU zu diesen Schritten ermutigt. Den Einkaufstempel nennt sie "Mall of Shame". Man wolle den Arbeitern die Würde zurückgeben und den "Sub-Sub-Subunternehmer-Sumpf mitsamt mutwilliger Insolvenzen trockenlegen", erklärte die Gewerkschaft noch kurz vor der Verhandlung in Erfurt. Die "Klassenjustiz" hat das mit rechtlichen Spitzfindigkeiten verhindert. Man sollte sich das merken.

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