von Susan Bonath
Perfide Mordwaffen, brutale Kriege, Vertreibung, soziale Verelendung: Seit jeher bringt der Kapitalismus schlimmste Verbrechen hervor. Doch wer diese im Einzelnen näher beleuchtet und auch mal offizielle Versionen anzweifelt, begibt sich schnell auf dünnes Eis. Ebenso ergeht es jenen, die für Frieden, soziale Gerechtigkeit oder sonstige eher links zu verortende Ansinnen protestieren. Haben sich die Anmelder zuvor umfassend von allerlei Gesinnungen distanziert? Was ist, wenn auf derlei Demonstrationen eine Gruppe oder Einzelne auftauchen, die nicht so recht ins Schema passen? Wer legt das Schema fest?
Politisch-korrekte Sprache ist heute angesagt. Wer mal verbal daneben greift, ein "heikles" Thema anspricht oder je Kontakt mit irgendeiner "Unperson" hatte, bekommt ihn schnell zu spüren: den medialen Pranger. Beleidigungen, wie "Verschwörungsspinner", "Aluhüte" oder "Putin-Versteher" kursieren längst in großen Mainstream-Medien. Mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten stempeln Journalisten Unliebsame öffentlich als "strukturelle Antisemiten" oder "Amerika-Hasser" ab, sobald sie nur zu laute oder zu drastische Kritik an Herrschaft und Macht üben. Damit gefährden sie nicht selten jemandes Existenz.
Mit solchen Vorwürfen werfen sowohl konservativ-bürgerliche wie linke Medien um sich. Einer davon ist die Unterstellung, ein "Querfrontler" zu sein. Soll heißen: Linke und Rechte machten gemeinsame Sache. Der Begriff stammt aus der Geschichte und beschreibt eine (versuchte) partielle Zusammenarbeit zwischen Rechten und Linken. Ein Blick in diese soll zeigen, wie der Vorwurf heute demagogisch umgedeutet wird, um Kritiker an bestehenden Klassenverhältnissen mundtot zu machen. Dazu ist es notwendig, die Positionen links und rechts zu klären und einen Blick auf die Widersprüche der Klassengesellschaft zu werfen.
Zuordnung in "links" und "rechts"
Die Einteilung in links und rechts ist historisch eine ungenaue Kategorie. Sie wird auf den Beginn der französischen Republik 1789 zurückgeführt. Die damals verfassungsgebende Nationalversammlung teilte sich in politische Interessenlager ein, die sich in der Sitzordnung widerspiegelten: Die linke Seite beanspruchte die revolutionäre republikanische Stoßrichtung, die rechte vereinnahmten Verfechter der Monarchie. "Links" wurden damals progressive, die Herrschaftsordnung hinterfragende Kräfte verortet, rechts hingegen jene, die zurück zur Macht des Adels wollten.
Damals lösten kapitalistische Strukturen die feudalistischen gerade ab. Dies war ein Jahrhunderte währender Prozess: Seit etwa dem 13. Jahrhundert lief ein neues Besitzbürgertum dem Adel den Rang ab. Der zunehmende Handel hatte einzelne Kaufleute immer reicher werden lassen. Mit der industriellen Revolution sammelte sich später nicht nur Handels- sondern auch Industriekapital in den Händen besitzender Bürger. Die Lohnarbeit löste die Leibeigenschaft von Bauern ab. Die maschinelle Massenproduktion machte sie nötig. Massenhafte Enteignungen kleiner Landbesitzer, die ihre Steuern nicht zahlen konnten, ermöglichte sie. Fürstentümer und Königreiche wurden ungeeignet als Regierungsform.
Die neue kapitalistische Produktionsweise musste entsprechend gemanagt werden. Das Bürgertum benötigte Einfluss in der Politik. Die heutigen Staaten sind das Produkt. Die französische Revolution erkämpfte dabei erstmals demokratische Rechte für Arme und Reiche – allerdings auf Basis der Herrschaft des besitzenden Bürgertums über Besitzlose. Letztere blieben gezwungen, ihre Arbeitskraft an Erstere zu verkaufen. Im Kapitalismus mehrt die Klasse der Besitzer der Produktionsmittel seither ihren Reichtum auf Kosten derer, die die Werte schaffen: Die Lohnarbeiter. Erstere schöpfen den Mehrwert ab.
Die Zuschreibung "links" und "rechts" ist demnach historisch zumindest an wesentliche Grundsätze gebunden. Vereinfacht ausgedrückt: "Linke" stellen die Herrschaft des Menschen über den Menschen in Frage. Sie kämpfen für die Rechte der unterdrückten Klasse der Besitzlosen. Rechte stehen derweil für den Erhalt der Klassengesellschaft ein, ob bewusst oder unbewusst, sei dahin gestellt.
Einige Beispiele: Wer die NATO als bewaffnetes imperiales Bündnis der Herrschenden verteidigt, steht rechts. Wer sich indes gegen die NATO ausspricht, steht links, wie auch jener, der für die Rechte von Lohnabhängigen und ihre Solidarität untereinander eintritt. Wer hingegen die Spaltung der unterdrückten Schichten in ethnische oder soziale Gruppen will, bedient das rechte Spektrum.
Ebenso ist es mit den Nationalstaaten. Im Kapitalismus dienen ihre Apparate zwar auch für die Umsetzung von Bürgerrechten, letztlich aber im Sinne der marktführenden Konzerne. Denn diese bescheren den Staaten Steuereinnahmen, von ihnen sind sie abhängig. Wer also die Macht des Nationalstaats und ihren Ausbau verteidigt, steht rechts. Wer dagegen für eine Machtverschiebung zugunsten der unterdrückten Schichten eintritt, ist auf der linken Seite zu verorten.
Klassen und ihre Interessen
Doch es gibt ein Problem: Die Klassengesellschaft existiert zwar nach wie vor. Nur ist sie weitgehend aus dem Bewusstsein geraten. Ein Grund ist: Arbeiter in imperialen Zentren wie Deutschland leiden heute keine existenzielle Not mehr. Lohnarbeit gilt als Tugend, nicht als Ausbeutung. Den Fabrikbesitzer wie im 19. Jahrhundert gibt es heute kaum noch. In großen Konzernen bekommt der Arbeiter maximal noch einen Abteilungsleiter zu Gesicht. Wer kennt schon die Namen der Spitzenaktionäre, die am Ende vom Gewinn, den er selbst als Arbeiter produziert, abschöpfen?
Es mag scheinen, dass riesige Finanzmogule nur noch wenig mit der Realwirtschaft zu tun hätten, dass ihre Immobilien-, Kredit- und Spekulationsgeschäfte weit davon entfernt seien. Jedoch: Der Mensch existiert nicht von Geld in irgendeiner Form, sondern von der realen Produktion. Werte werden durch menschliche Arbeit geschaffen. Neue Technik muss erfunden, Maschinen müssen gebaut, Land für die ökonomische Verwertung urbar gemacht, Rohstoffe ausgegraben werden. Hinter jedem Gewinn, den sich irgendwer einsteckt, steckt am Ende Arbeit, die irgendwer verrichtet hat.
Tatsächlich sind die widerstreitenden Interessen zwischen Kapitalbesitzern und Lohnabhängigen so real wie vor 200 Jahren. Die Unternehmer und Aktionäre sind am größtmöglichen Gewinn interessiert. Damit verbunden sind möglichst geringe Löhne und wenig Arbeitsrechte. Die Beschäftigten hingegen wollen, berechtigterweise, an den Früchten ihrer Arbeit teilhaben. Wo die Produktionsmittel jedoch privaten Eignern gehören, deren Ziel es ist, möglichst hohe Profite zu generieren, kommen solche Rechte nicht von selbst.
Das aktuelle Bestreben von Teilen der deutschen Politik zugunsten des Großkapitals, Arbeitsrechte auszuhöhlen und den Niedriglohnsektor weiter auszubauen, ist nichts anderes als Klassenkampf von oben. Mit Streiks und Demonstrationen haben Arbeiter in der gesamten Geschichte des industriellen Kapitalismus dagegen gehalten. Das Streikrecht wurde, wie die bürgerliche Demokratie an sich, hart erkämpft.
Doch aktuell werden die Angriffe der Herrschenden darauf immer spürbarer. Mit Hartz IV hat es die deutsche Politik geschafft, einen riesigen Markt für Lohndumping zu etablieren. Sie zwingt Erwerbslose unter Androhung des Entzugs des Existenzminimums dazu, für jeden Preis zu arbeiten. Nicht einmal Mindestlohn gilt für Erwerbslose im ersten halben Jahr der Arbeitsaufnahme. Damit schüchtert sie zugleich die Jobbesitzer ein. Wer will schon im repressiven Hartz-IV-System landen?
Ähnliche Modelle werden gerade in Frankreich und Österreich vorbereitet. Das führt zu sozialer Spaltung. Um die so produzierte Kriminalität zu bekämpfen, agieren die Staaten zunehmend autoritärer. Armeen und Polizei werden aufgerüstet, um im härter werdenden Konkurrenzkampf zu bestehen.
Hinzu kommt: Der kriegerische Kampf um Märkte bestimmt zunehmend die Außenpolitik der Imperien. Die globale Kapitalakkumulation – das Grundprinzip des Kapitalismus – hat Monopole immer mächtiger werden lassen. Längst ist das Geld- mit dem Industriekapital und letzteres mit den Staatsapparaten verschmolzen.
Moralisierung des Politischen
Die mit Fortentwicklung des Kapitalismus zunehmende Unsichtbarkeit der Klassenverhältnisse macht demagogische Spiele mit den Begriffen „links“ und „rechts“ einfach. Die einst auf Klassenstandpunkten basierenden Kategorien werden moralisiert. „Rechts“ wird so zu „böse“, "links" zu "irgendwie gut".
Aus Klassenkampf, der wirtschaftlichen Eigentums- und Machtverhältnissen entspringt, wird so ein Kampf von Gut gegen Böse und Böse gegen Gut. Der Begriff "linke Gutmenschen" ist nicht umsonst zum Kampfbegriff von Rechts gegen Links geworden. Auch "linksextrem" gehört dazu. In diesem Wort spiegelt sich de facto die moralistische Umkehr der moralistischen Umkehr. Gemeint sind "Steinewerfer" und "Randalierer". Schließlich ist es "böse", zu randalieren und Steine auf Polizisten zu werfen.
Anders herum wird die Beleidigung "Nazi" inflationär gegen als "böse" Verdammte gebraucht. Zu bedenken ist: "Nazi" war die Selbstbezeichnung der deutschen Faschisten als Kurzform für "Nationalsozialisten". Mit dem Begriff "Sozialismus" waren damals Arbeiter zu ködern. Gleichwohl hatte das Ziel der Faschisten beileibe nichts mit irgendeiner Art Sozialismus zu tun. Sozialismus beschreibt im Marx'schen Ursprungssinn die "Diktatur der Arbeiterklasse über die Bourgeoisie" als Übergangsform zu einer Gesellschaft ohne Herrschaft mit ausschließlich gesellschaftlichem Eigentum an Produktionsmitteln, ohne Staat und ohne Geld.
Die deutschen Faschisten hingegen verboten Gewerkschaften, zwangen Lohnabhängige zur Arbeit zu niedrigsten Löhnen, verfolgten und ermordeten politische Gegner, ethnische und religiöse Gruppen, allen voran die Juden. Von Enteignung betroffen war so gut wie nur jüdisches Kapital. Das deutsche Großkapital hingegen strich satte Profite durch auf die Spitze getriebene Ausbeutung ein. Ähnlich brutal-autoritär kapitalfreundlich agierten die Faschisten in allen Ländern. Im Faschismus ging es also immer darum, kapitalistische Herrschaft auf brutalste Weise gegen die Interessen der Lohnabhängigen durchzusetzen.
Die historische "Querfront"
Auf dieser Demagogie bezüglich links und rechts fußt der Vorwurf Querfront. Teile der Linkspartei-Spitze bezichtigen schon eigene Genossen, wie Sahra Wagenknecht, Diether Dehm und Wolfgang Gehrcke als "Querfrontler". Auch KenFM und andere Medienportale werden regelmäßig mit dieser Keule bedacht. Tatsächlich geht der Begriff auf reale Ereignisse in der Weimarer Republik zurück. Er beschreibt Konzepte für eine partielle Zusammenarbeit rechtsnationaler und bürgerlich-liberaler Gruppen.
In politisch-ideologischen Diskursen tauchte der Begriff "Querfront-Strategie" erstmals in der späten Weimarer Republik Anfang der 1930er Jahre auf. Hintergrund sind Konzepte der zwischen März 1930 und Januar 1933 weitgehend autoritär regierenden deutschen Reichskanzler Heinrich Brüning, Franz von Papen (beide damals in der Zentrumspartei) und Kurt von Schleicher. Keiner von ihnen konnte sich auf parlamentarische Mehrheiten oder breiten Rückhalt in der Bevölkerung stützen. Zwar begrüßten sowohl das rechtsnationale wie das bürgerliche Lager die Aushöhlung demokratischer Institutionen, etwa durch die Notstandsverordnung. Über ein einheitliches politisches Konzept verfügten sie jedoch nicht.
Nachdem von Papen im November 1932 mit einer neoaristokratischen unternehmerfreundlichen Politik gescheitert war, versuchte von Schleicher, breite Mehrheiten zu erlangen. Seine erklärte Idee war es, ein Bündnis aus Reichswehr, Gewerkschaften und dem "linken" Flügel der NSDAP zu schmieden. Damit erhofften sich die Rechtsnationalen, die Weimarer Republik endgültig zu beseitigen. Basierend auf einem "Volkswillen" sollte ein autoritärer Staat errichtet werden: Auf der einen Seite sollte dieser für den Abbau sozialer Rechte sorgen und bewaffnete Organe befugen. Auf der anderen Seite sollte er Schlüsselindustrien strenger staatlicher Kontrolle unterwerfen und notfalls mit Zwangsverwaltung an Steuern gelangen.
Tatsächlich war der "linke" Flügel der NSDAP unter Gregor Strasser an einer solchen "Querfront" interessiert. Bereits seit dem Beginn der 1930er Jahre konnten einzelne nationalistische Strömungen im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) Fuß fassen. Lange Zeit vermied man dort den Diskurs darüber, näherte sich Forderungen des Strasser-Flügels nach Programmen für Arbeitsbeschaffung an – zulasten der engen Bindungen mit der Gewerkschaften an die SPD. Es gab sogar Sondierungsgespräche zwischen Reichsregierung und ADGB-Führung, um die Option „Regierung aller Volkskreise“ unter Einbeziehung der NSDAP auszuloten. Allerdings scheiterte das von Schleicher verfolgte Konzept an Hitler und seinen Anhängern sowie am SPD-Einfluss innerhalb des ADGB.
Ein Streik und eine Rede
In diese Zeit fällt auch der Berliner Verkehrsarbeiterstreik. Im November 1932 legte er alles lahm. Heute sprechen einige rückblickend auch hier von einer "Querfront" zwischen KPD und NSDAP. Angeführt wurde der Streik vom KPD-Mitglied und ehemaligen Betriebsrat in den Verkehrsbetrieben, Albert Kayser.
Offensichtlich wollte die NSDAP den "Beweis" erbringen, sich auch um Arbeiter zu kümmern. Sie mischte sich in den Streik ein. Kayser nahm sogar einige NSDAP-Mitglieder in die Streikleitung auf. Wie der KPD-Führer Ernst Thälmann später in einer Rede sagte, habe man dies praktiziert, um Arbeiter auf die Seite der Kommunisten zu ziehen. Eine weitere Zusammenarbeit war nie angedacht. Doch die SPD brach eine Hetzkampagne los. Sie warf der KPD eine "antirepublikanische Einheitsfront mit der NSDAP" vor.
Einige bezichtigen auch den Kommunisten Karl Radek posthum der Querfront. Radek gehörte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) an und beriet im Auftrag der Kommunistischen Internationale die KPD in Deutschland. Bereits im Jahr 1923 hatte er den Nationalisten Albert Leo Schlageter in einer Rede gelobt. Schlageter gehörte der NSDAP-Tarnorganisation Großdeutsche Arbeiterpartei an. Er führte eine nationalistische Widerstandsgruppe in Essen an, um gegen die Franzosen zu kämpfen. Diese hatten das Ruhrgebiet besetzt, um Reparationen aus dem Ersten Weltkrieg einzutreiben.
Nach Anschlägen auf Bahnlinien nahmen die französischen Besatzer Schlageter fest, verurteilten ihn zum Tod, richteten ihn hin. Radek lobte Schlageter später als "mutigen Widerstandskämpfer gegen den französischen Imperialismus". Er sei gescheitert, weil er nur Kleinbürger, aber keine Arbeiter am Start hatte. Zugleich rief er Bürgerliche dazu auf, sich mit der KPD und den Arbeitern zu verbünden. Erwähnt sei, dass die KPD zu dieser Zeit heftig darüber stritt, ob es Sinn ergebe, Arbeiter, die der NSDAP nachliefen, auf ihre Seite zu ziehen. Eine wirkliche Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien gab es allerdings zu keiner Zeit.
Klassenkämpfer von rechts?
Man kann also darüber streiten, ob es der KPD gelungen wäre, die Machtübernahme der NSDAP mit all ihren Folgen - wie dem industriellen Massenmord an Millionen Juden, an Kommunisten, Sozialisten, Roma und Sinti - zu verhindern, wenn es ihr gelungen wäre, mehr Arbeiter und Kleinbürger auf ihre Seite zu ziehen. Man kann ihr dagegen keineswegs vorwerfen, sich mit rechten Ideologen verbündet zu haben.
Allein das Ansinnen wirklich linker Politik, die Herrschaft des Menschen über den Menschen zu beseitigen, widerspricht so grundsätzlich den rechten Bestrebungen, die bestehenden Verhältnisse zu festigen, dass es schlicht keine gemeinsamen Ziele gibt. Es ist noch keine Zusammenarbeit, wenn Linke auf Arbeiter zugehen, die sich rechten Parteien angeschlossen haben.
Gleichwohl versuchen rechtsnationale Gruppen und Parteien immer wieder, mit klassenkämpferischen Parolen ähnlich wie einst die NSDAP bei Arbeitern und Erwerbslosen zu punkten. So praktiziert es etwa die AfD: Mitglieder dieser zwischen rechtskonservativ, neoliberal und christlich-fundamental schwankenden Partei wollen die Gewerkschaft "Zentrum Automobil" in der Autobranche implementieren.
Das ist durchaus clever. Erfolgversprechend ist es vor allem deshalb, weil die IG Metall und andere Vertreter im Deutschen Gewerkschaftsbund längst eng mit den Interessen des Kapital und der Politik verwoben sind. Statt Klassenkampf zu betreiben, führen sie eher Schönwetter-Verhandlungen mit Arbeitgeber-Verbänden. Unterprivilegierte, wie Leiharbeiter, profitieren kaum davon. Dennoch: So kämpferisch sich die AfD-Vertreter auch geben: Die Stoßrichtung dieser Partei setzt eben genau auf das Gegenteil: Vorteile für das deutsche Kapital. Rechter "Klassenkampf" findet immer auf dieser Seite statt. Die Lohnabhängigen sollen sich anpassen. Was fehlt, ist eine wirklich linke Alternative – in jeder Hinsicht.
Die "Querfront" der Moralisten
Besonders abstrus mutet es an, dass die heutigen "Querfront"-Vorwürfe gerade aus dem gut situierten "links"-bürgerlichen Lager auf diverse Protagonisten einprasseln. Jüngst betätigte sich dahin gehend der Berliner Kultursenator Klaus Lederer. Der so Gescholtene war (erneut) Medienportal-Betreiber Ken Jebsen.
Dass Lederer selbst weit weniger mit der Klassenfrage am Hut hat als Jebsens Portal KenFM, ist unbestreitbar. Es ist nicht bekannt, dass Lederer als Kultursenator und seine mitregierenden Kollegen aus der Linkspartei jemals die verheerende Situation der Massen an Berliner Obdachlosen ernsthaft ins Visier genommen hätten. Die Jobcenter der Hauptstadt sind nach wie vor die härtesten Sanktionierer im bundesweiten Vergleich. Stattdessen macht Lederers Linke gut bezahlt gemeinsam Politik mit der SPD und den Grünen, also jenen Parteien, die Hartz IV eingeführt und bereits zahlreichen imperialen Kriegseinsätzen zugestimmt haben. Sie alle wollen eins ganz sicher nicht: Den Kapitalismus abschaffen.
Angesichts dieser Realpolitik sollte man sich vielmehr fragen: Wer gibt fälschlicher Weise vor, ein Linker zu sein, und wer handelt tatsächlich in einem linken Sinn? Und: Sitzt die Querfront nicht vielmehr dort, wo sich angebliche Kämpfer für soziale Rechte mit kapitalfreundlichen Rechten zusammentun, um einvernehmlich Meinungen zu unterdrücken, Ausbeutung zu negieren und Bildung zu verhindern?
Man kann durchaus von einer „Querfront der Moralisten sprechen. Die befördert letztlich genau das, was sie vorgibt zu bekämpfen: Den massenhaften Zulauf der realen Rechten aus den Kreisen der Arbeiterschaft. Wo echte linke Alternativen fehlen, haben echte Rechte ein leichtes Spiel.
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