von Susan Bonath
Seit Ende Dezember impft Deutschland gegen das Coronavirus. Die letzte Testphase der nur vorläufig zugelassenen Vakzine findet damit an der breiten Bevölkerung statt. In die öffentliche Kritik geriet insbesondere das Vektor-Serum des schwedisch-britischen Konzerns AstraZeneca. Vor allem weibliche jüngere Geimpfte hatten Hirnvenenthrombosen und -blutungen erlitten und verstarben teils daran. Viele Länder stoppten den Wirkstoff vorläufig, Deutschland untersagte ihn für unter 60-Jährige. Zwar führt das zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) diese Meldefälle im neuen Sicherheitsbericht explizit auf.
Doch andere Verdachtsfälle schwerer Reaktionen, wie Schlaganfälle, Gesichtslähmungen, Krampfanfälle, Rückenmarks- und Herzentzündungen, tauchen seit Ende Februar plötzlich nicht mehr darin auf. Diese betrafen vor allem die mRNA-Impfstoffe der Unternehmen Pfizer/BioNTech und Moderna.
Stehen diese Komplikationen also nicht mehr im Fokus der Beobachtung? Wie hoch ist die Zahl der Betroffenen inzwischen, wie viele davon starben und wie alt waren sie? Werden diese Fälle gezielt rechtsmedizinisch untersucht? All das und mehr wollte die Autorin vom PEI, der Bundesbehörde für Arzneimittel und Impfstoffsicherheit, wissen. Doch dessen Sprecherin Susanne Stöcker wollte dazu keine Auskunft geben. Sie reagierte ungehalten: Ihr Bundesinstitut könne "nicht in jedem Bericht auf sämtliche Reaktionen im Einzelnen eingehen", ließ sie die Autorin wissen.
Dutzende Lähmungen, Schlaganfälle und mehr bis Ende Februar
Im vorletzten Sicherheitsbericht, der Daten bis zum 26. Februar beinhaltet, nannte das PEI insgesamt mehr als 2.000 gemeldete schwerwiegende Reaktionen nach einer Impfung. Dazu gehörten 67 anaphylaktische Schocks, eine allergische Reaktion, die bei fehlender Behandlung durchaus zum Tod führen kann. Unter der Rubrik "Unerwünschte Ereignisse unter besonderer Beobachtung" listet das PEI zudem 51 Krampfanfälle auf, die bei Personen zwischen 19 und 107 Jahren auftraten, 33 Gesichtslähmungen (Alter: 35 bis 93 Jahre), 26 Schlaganfälle (Alter: 28 bis 99 Jahre) und sechs Thrombozytopenien (Alter: 16 bis 89 Jahre). Letzteres ist ein akuter Mangel an Blutplättchen, der zu inneren Blutungen, auch Hirnblutungen, führen kann.
Diese Fälle traten vornehmlich bei Geimpften auf, die den meist genutzten Impfstoff von Pfizer/BioNTech erhalten hatten, in wenigen Fällen betraf es auch das am spärlichsten eingesetzte Vakzin von Moderna. In zwei Fällen waren bis dahin demnach mit AstraZeneca Geimpfte von Krampfanfällen betroffen.
Des Weiteren nannte das PEI zwei Meldefälle von einer spinalen Nervenwurzelentzündung (Alter: 39 und 61 Jahre), eine Rückenmarksentzündung (Alter: 55), eine Gehirnentzündung (Alter: 69) und zwei massive Verschlechterungen einer bestehenden Multiple Sklerose-Autoimmunerkrankung (Alter: 32 und 34) nach Impfungen mit dem Pfizer/BioNTech-Serum. Diesem Impfstoff ordnete das PEI ferner sieben Fälle von Herzmuskelentzündungen, vier Fälle von Gelenkentzündungen und drei Fälle von Gefäßentzündungen zu. Die Betroffenen waren zwischen 23 und 89 Jahren alt. Die Zahl der publizierten gemeldeten Todesfälle belief sich bis dahin auf insgesamt 330.
Fokus auf Hirnvenenthrombosen – PEI strich andere "Beobachtungsfälle" aus dem Bericht
Bis zum 12. März war die Zahl der vom PEI erfassten schweren Impfreaktionen auf insgesamt rund 2.300 angestiegen. Doch in diesem bisher jüngsten Bericht beschränkte sich das Institut auf nähere Erläuterungen zu anaphylaktischen Schocks, Thrombozytopenien und Hirnvenenthrombosen. Besonders auf letztere fokussierte es sich. Die anderen besonders schwerwiegenden Reaktionen fehlen in der Einzelauflistung.
Demnach wuchs die Zahl der gemeldeten allergischen Schocks zwischen dem 26. Februar und 12. März um 32 auf 99 Fälle. Die Zahl der erfassten Thrombozytopenien stieg sogar von sechs auf 32 Fälle (Alter: 16 bis 92 Jahre). Letztere führten laut PEI in zwei Fällen zu einer Hirnblutung. Beide davon betroffene Patienten, eine 37-jährige Frau und ein 24-jähriger Mann, starben.
Doch es gab mindestens einen Fall einer Hirnblutung, der in diesem PEI-Bericht ganz offensichtlich noch nicht enthalten ist. Am 9. März starb beispielsweise die 32-jährige Dana O. aus Löhne in Nordrhein-Westfalen (NRW) nach einer AstraZeneca-Impfung an einer massiven Hirnblutung.
Und offenbar erlitten auch Ältere aus Pflegeheimen nach der Gabe des Pfizer/BioNTech-Serums eine Hirnblutung. Aufgrund von Alter und Vorerkrankungen landeten sie wohl nicht in der PEI-Statistik. Bekannt wurde etwa so ein Fall aus Köln. Dort verstarb eine Pflegeheimbewohnerin an einer Hirnblutung.
Außerdem verzeichnete das PEI in seinem Bericht 14 Hirnvenenthrombosen nach einer Impfung mit dem Serum von AstraZeneca. Weitere zwei Fälle traten demnach nach einer Impfung mit dem Pfizer/BioNTech-Vakzin auf. Bis auf einen Fall seien Frauen zwischen 20 und 86 Jahren betroffen gewesen. In neun dieser Fälle habe zugleich eine Thrombozytopenie vorlegen.
Just von allen anderen zuvor noch genannten schweren Komplikationen ist nichts mehr zu lesen in dem neuesten PEI-Bericht. Lediglich die Zahl der insgesamt gemeldeten Todesfälle nach einer Impfung taucht noch auf. Sie stieg demnach zwischen dem 26. Februar und dem 12. März um 21 auf 351.
Viele schwere Reaktionen werden offenbar nicht rechtsmedizinisch untersucht
So war aus PEI-Sprecherin Stöcker nicht herauszukriegen, ob und wie die Zahl gemeldeter Gesichtslähmungen, Schlag- und Krampfanfälle von Ende Februar bis Mitte März gestiegen ist. Sie sagte nicht, welchen Alters und Geschlechts Betroffene waren, welchen Impfstoff sie erhielten und wie viele Menschen davon starben.
Auch verschwieg sie, inwieweit Todesfälle und bleibende Schädigungen überhaupt rechtsmedizinisch untersucht wurden oder noch werden. Vor allem in Pflegeheimen geschah dies offensichtlich vielfach nicht. Ein Beispiel dafür ist der Landkreis Cloppenburg im Norden, wo die Behörden keinen Anlass dazu sahen.
War gefährliche Thrombose-Wirkung bekannt?
Darüber hinaus wollte die Autorin wissen, ob das durch die Impfung von den Zellen replizierte sogenannte Spikeprotein, also das Virushüllprotein, zu Thrombosen führen könne. Davor warnten nicht nur frühzeitig mehrere Wissenschaftler, auch eine PEI-Studie deutete im Vorfeld darauf hin. Sprecherin Stöcker verwies dazu auf Ausführungen auf der Webseite ihres Instituts zur "Sicherheit und Wirksamkeit" der Impfstoffe. Dort heißt es sinngemäß, die Menge des in den Zellen replizierten Proteins sei zu gering dafür und entstehe ohnehin nur "lokal".
Nach besagter Studie, die das PEI im Februar vorgestellt hatte, kann bei einer schweren COVID-19-Erkrankung das sogenannte Spikeprotein des Virus zu Gewebeschäden durch Zellfusionen führen, was wiederum die Blutgerinnung ankurbelt und zu Thrombosen führen kann.
Genau dieses Protein sollen die menschlichen Zellen nach der Gabe der neu entwickelten Impfstoffe replizieren. Bei den mRNA-Vakzinen sollen dabei Nanopartikel aus Fett als Boten dienen, um den genetischen Wirkstoff in Zellen zu transferieren. Bei den Vektor-Seren übernimmt diese Aufgabe ein sogenanntes Vektorvirus. Warum nun das PEI davon ausgeht, dass nur Zellen an der Einstichstelle betroffen sei und der Impfstoff nicht in die Blutbahn gelangen könnte, beantwortet das Institut auf seiner Webseite nicht. Auch Stöcker sagte nichts weiter dazu.
EMA meldet Tausende Todesfälle und über 100.000 schwere Impfreaktionen in Europa
Zu guter Letzt verwies die PEI-Sprecherin auf die Internetseite der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), die das "Sicherheitsprofil" der Impfstoffe abbilde. Bis zum 26. März erfasste diese für alle Corona-Impfstoffe mehr als 100.000 Verdachtsfälle für schwerwiegende Reaktionen mit 3.350 Todesfällen.
Diese schweren mutmaßlichen Nebenwirkungen traten demnach bei insgesamt 79.446 Frauen und 25.622 Männern auf, von denen 1.745 Frauen und 1.605 Männer verstarben. 2.007 Todesfälle ereigneten sich nach einer Injektion des in Europa am meisten verwendeten Serums von Pfizer/BioNTech.
Nur die Spitze des Eisbergs?
Dass die von der EMA und dem PEI erfassten Fälle bezüglich der COVID-19-Impfungen die komplette Realität widerspiegeln, ist nicht anzunehmen. Eine Studie kam im Jahr 2019 zu dem Ergebnis, dass im Allgemeinen weniger als ein Prozent aller unerwünschten Arzneimittelwirkungen den zuständigen Behörden gemeldet würden. Die Forscher schoben das vor allem auf einen komplizierten Meldeprozess.
Wahrscheinlich liegen die Meldequoten bei den neuen, in Rekordzeit entwickelten COVID-19-Impfstoffen höher. Nur schaut man auf den aktuellen Impfmonitoring-Bericht des Robert Koch-Instituts (RKI), wird zwar eine höhere Sensibilität für Nebenwirkungen deutlich, allerdings auch eine große Unwissenheit. So hielten fast 40 Prozent der Befragten die Aussage, alle Personen seien mit einer Impfung gegen COVID-19 geschützt, laut RKI "fälschlicherweise für richtig", und ein weiteres Viertel wusste nicht, ob das stimmt. Knapp 15 Prozent glaubten demnach ebenfalls fälschlicherweise, Geimpfte könnten andere nicht mehr anstecken. Weitere 40 Prozent wussten nicht, ob das richtig oder falsch ist.
Angesichts der massiven Impfkamagnen der Regierungen, darunter die Bundesregierung, und des großen Drucks zur Impfung, der etwa auf Altenheimbewohner, Pflegekräfte, Ärzte, Lehrer und Erzieher derzeit ausgeübt wird, müssen zudem auch kritische Fragen erlaubt sein. Zum Beispiel: Gibt es ein Interesse bei Behörden und weiteren Involvierten, schwere bis tödliche Impfreaktionen etwa bei Pflegeheimbewohnern zu verschweigen, beziehungsweise bestimmte Fälle lieber nicht untersuchen zu lassen? Es spricht jedenfalls einiges dafür, dass die gemeldeten Fälle nur die Spitze des Eisbergs sind. Dem PEI jedenfalls scheint umfassende Transparenz eher lästig zu sein.
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