von Rainer Rupp
Ein vom Zaun gebrochener Krieg mit Iran würde Trump die Wiederwahl kosten und dem eigenen Land großen wirtschaftlichen, militärischen und politischen Schaden zufügen. Für einen solchen Krieg findet er derzeit auch keine Unterstützung im Kongress.
Allerdings will er auch den militärischen Druck auf den Iran weiter erhöhen, um die Regierung in Teheran in die Knie zu zwingen. Dafür hat er sich auf ein gefährliches Spiel eingelassen, indem er das Tiger-Gespann Bolton und Pompeo reitet, von denen er glaubt, sie kontrollieren zu können. Diese Kriegshetzer aber haben ihre eigene Agenda. Gemeinsam mit Israel wollen sie seit Jahrzehnten bereits den Konflikt mit dem Iran. Dafür sind jetzt die Vorbereitungen in vollem Gang. Die Angriffe vom 12. Mai 2019 auf vier Tanker auf Reede vor der Küste der arabischen Hafenstadt Fujairah im Persischen Golf sind Teil dieser Vorbereitungen. Denn Washington – im Unterschied zu den betroffenen Redereien – macht den Iran dafür verantwortlich.
Auch die Frage, wer von einem solchen Anschlag profitieren könnte, nehmen es die Amerikaner nicht so ernst. So gibt es zum Beipiel keine logische Erklärung dafür, weshalb Teheran ausgerechnet in der aktuell extrem angespannten Situation, in der Washington gierig nach Gründen sucht, um die Spannungen weiter zu eskalieren, den Amerikanern diese Gründe auf dem Tablett servieren sollte. Das gilt genauso für die Angriffe auf die beiden Tanker im Golf von Oman letzte Woche.
Typisch dafür, dass für die Herrschenden in Washington Logik und Plausibilität für ihre Beschuldigungen keine Rolle spielt, ist zum Beispiel die Reaktion von Trumps Chef-Sicherheitsberater John Bolton. Er will den Regimewechsel in Teheran. Daher ist es selbstverständlich, dass er auch ohne irgendwelche Beweise "so gut wie sicher" ist, dass der Iran für die Haftminen verantwortlich war, mit denen die vier Öl-Tanker vor einem Monat im Persischen Golf beschädigt worden waren. Schließlich war er ja vom israelischen Geheimdienst gewarnt worden, dass genau sowas passieren würde. Wer braucht da noch mehr Beweise? Als er bei einer Pressekonferenz während eines Besuchs in den Vereinigten Arabischen Emiraten dennoch nach Beweisen für seine Behauptungen gefragt wurde, platzte ihm der Kragen und er schnauzte den Journalisten mit den Worten an: "Wer sonst, glauben Sie, würde sowas tun? Jemand aus Nepal?"
Nun, dafür gäbe es schon einige andere Kandidaten. In einem Kommentar im Neuen Deutschland vom 5./6. Juni verweist zum Beispiel René Heilig auf die Iran hassenden Herrscher von Saudi Arabien, das "schon jetzt gewonnen" habe. Der Ölpreis sei bereits gestiegen und die USA würden sich beeilen, "ihren getreuen Verbündeten mit noch mehr Waffen zu unterstützen".
Aber den Namen des größten Profiteurs eines neuen US-Krieges gegen Iran wagt der Redakteur des ND dann doch nicht zu erwähnen: Israel. Und es wäre nicht das erste Mal, dass Israel mit Hilfe von Angriffen unter falscher Flagge die Verantwortung für ausgeklügelte Verbrechen seinen Feinden in die Schuhe geschoben hätte, (siehe z.B. den israelischen Angriff auf das US-Spionageschiff USS Liberty). Und auch die US-Regierung selbst hat diesbezügliche Erfahrungen, mit vorgetäuschten Angriffen selbst gegen US-Streitkräfte oder -Zivilisten Kriegsgründe zu schaffen, (siehe z.B. den Vorfall im Golf von Tonkin, Vietnam oder die Pläne für Operation Northwood gegen Kuba)
Wie bei ähnlichen Fällen in der Vergangenheit, glaubt Washington auch diesmal, Beweise durch Behauptungen ersetzen zu können. Notfalls verweist man auf Erkenntnisse der Geheimdienste – und die lügen bekannterweise nie. Die hätten zwar die Beweise, aber deren Arbeitsweisen müssten natürlich geheim bleiben, und nur deshalb kann man keine Beweise vorlegen.
Die Nachrichtenlage über die brennenden Tanker letzte Woche im Golf von Oman bleibt widersprüchlich und verwirrend. Das scheint auch so gewollt. Hauptsache der Iran ist der "Schuldige". Dafür tun die US-Kriegstreiber Bolton und Pompeo alles, was in ihrer Macht steht.
Dagegen haben sich die betroffenen Reedereien, und vor allem deren Versicherungen, die für den Schaden aufkommen müssen, nach einer ersten Untersuchung der Angriffe durch eigene Experten mit Schuldzuweisungen zurückgehalten.
Beide betroffene Tanker fahren unter so genannten Billigflaggen. Die Front Altair ist in den Marshall Inseln registriert und die Kokuka Courageous in Panama. Die Front Altair wurde im Jahr 2016 gebaut, gehört der norwegischen Rederei "Frontline" und fährt im Auftrag einer Tanker-Management Firma in Dubai. Beladen war das Schiff mit 75.000 Tonnen Naphtha im Wert von 30 Millionen Dollar mit Taiwan als Bestimmungsland. Alle 23 Mann der Besatzung konnten gerettet werden. Laut Reuters erklärte der Chef von CPC Petrochemical Division, Herr Wu I-Fang, dass "das Schiff anscheinend von einem Torpedo getroffen wurde."
Die Kokuka Courageous wurde im Jahr 2010 in Dienst gestellt, gehört der japanischen Reederei Kokuka Sangyo und fährt im Auftrag von BSM Ship Management. Die Fracht bestand aus 25.000 Tonnen Methanol. Alle 21 Mann der Besatzung wurden gerettet. Laut US-Medienberichten, die sich auf offizielle Quellen in Washington berufen, wurde das Schiff angeblich ein Opfer von Haftminen. Laut dem Betreiber des Schiffes berichtete die Besatzung von fliegenden Objekten, von denen zwei den Rumpf der Kokuka Courageous durchschlagen haben. "Ich glaube nicht, dass eine Zeitbombe oder ein Gegenstand am Rumpf des Schiffes die Ursache für die Explosion war", sagte Yutaka Katada, Präsident der japanischen Firma, die den Kokuka Courageous-Tanker betreibt, gegenüber Reportern in Tokio.
Katadas Bericht über den Angriff widerspricht damit der Darstellung der Trump-Regierung. Zugleich wäre in dieser Version der Iran als Schuldiger ausgeschlossen, weil die von der iranischen Küste abgewandte und der Küste von Oman zugewandte Seite des Schiffes beschädigt wurde.
Aber Augenzeugen wie die Besatzung des Tankers spielen bei den politischen US-Detektiven keine Rolle. Wenn der Schuldige von Anfang an fest steht, sind die Beweise schnell erbracht, beziehungsweise zurechtmassiert. Im konkreten Fall besteht Pompeo auf der Haftminenthese. Dafür präsentierte er letzten Freitag (14.6.) ein verschwommenes, eine Minute 40 Sekunden dauerndes Video des Pentagon. Das Filmchen ohne Zeit und GPS-Ortsangaben stellt angeblich die "rauchende Pistole in der Hand" des Iran dar, der damit für die Angriffe auf die Kokura Courageous und die Front Altair "zweifelsfrei" identifiziert sei.
Das Video zeigt ein angeblich "iranisches Schnellboot", das vom Aufbau her eher einem Boot für Hafenarbeiten gleicht als einem Militärboot. Nach Waffen oder Abschussvorrichtungen sucht man auf den Bildern vergeblich. Aber schließlich soll es sich ja um ein Kommandounternehmen mit Spezialkräften der iranischen Kriegsmarine gehandelt haben.
Präsentiert wurde das Video auf CNN und anderen Sendern weltweit mit dem Text: "Video zeigt, wie Iran eine nichtexplodiert (Haft-) Mine von Tanker entfernt". Im Begleittext heißt es, dass es sich um den japanischen Tanker Kokura Courageous handelt, der im Golf von Oman vor der Küste des Iran unterwegs war. Das kann stimmen, muss es aber nicht. Vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich hier mal wieder um eine "alternative Wahrheit" des Pentagon handelt, denn auf dem Video gibt es keinen Hinweis, dass die Bilder auf hoher See aufgenommen wurden
Tatsächlich liegt das angebliche iranische Schnellboot ruhig längsseits vom Rumpf des Supertankers. Von einem Seegang, der auf hoher See das kleine, leichte Boot gegenüber dem großen, schweren Tanker stark nach oben oder unten oder seitlich bewegt hätte, ist so gut wie nichts zu sehen. Vielmehr sieht alles danach aus, als ob das Video in den ruhigen Gewässern eines Hafens aufgenommen wurde, wozu auch der Aufbau des Bootes passt.
Zudem werden die Videobilder der ersten Sekunden von einer Stimme aus dem Off begleitet, die dem Zuschauer die richtige Brille aufsetzen soll, damit er glaubt zu sehen, was er nicht sieht: "Dieses dramatische Video, das über Nacht veröffentlicht wurde, zeigt ein kleines Boot, wie es sich dem Kokura Courageous Tanker nähert. Man kann sehen, wie eine Person ein Objekt vom Rumpf des Tankers entfernt. Das US-Militär sagt, dass dieses Objekt wahrscheinlich eine nicht explodierte Mine ist, welche die Iraner nur wenige Stunden nach den Explosionen der anderen Minen entfernt haben." Angeblich, um auf diese Weise unbezweifelbare Beweise zu vernichten.
Tatsächlich sieht man nicht, wie sich das angeblich iranische Boot dem Tanker nähert, sondern mit dem ersten Bild liegt es bereits längsseits. So ist auch nicht zu erkennen ob die etwa zehn bis zwölf Personen, die sich auf dem engen Raum des Vorderteils des Bootes drängen, bereits mit dem Boot angekommen sind oder womöglich vom Tanker kamen.
Tatsächlich sieht man auf den verschwommenen Bildern, wie eine Person am Bootsrand mit beiden Händen etwas Schweres hebt. Ob sich vorher jemand am Rumpf des Tankers zu schaffen gemacht hat, ist nicht zu erkennen.
Absolut seltsam erscheint aber, warum zehn bis zwölf offensichtlich unbewaffnete Personen, die anscheinend nichts zu tun haben, weil sie einfach nur so am Bug des Bootes herumstehen, bei dem angeblichen Kommandounternehmen der iranischen Kriegsmarine dabei waren. Und zweitens, warum stehen alle Bootsinsassen dicht gedrängt am Bug in unmittelbarer Nähe an der Stelle, wo die angeblich nicht explodierte Miene vom Rumpf des Tankers entfernt wird, was – im Ernstfall – sicherlich keine ungefährliche Angelegenheit gewesen wäre.
Wie zu erwarten, haben die Briten sich sofort hinter ihre Komplizen in Washington gestellt. Eine Hand wäscht die andere, schließlich hatten sich die Amerikaner ohne zu zögern hinter Londons absurde Skripal-Lügengeschichte gestellt. Erfreulicherweise hat das Auswärtige Amt in Berlin diesmal gezögert und Minister Maas ließ verlauten, dass das Video kein hinreichender Beweis sei.
Zugleich warnte der demokratische Präsidentschaftsanwärter 2020 Senator Bernie Sanders die Trump-Administration, die Vorfälle im Golf von Oman als "Vorwand für einen illegalen Krieg mit dem Iran" zu verwenden:
Ich möchte auch Präsident Trump daran erinnern, dass es keine Genehmigung des Kongresses für einen Krieg mit dem Iran gibt. Ein einseitiger US-Angriff auf den Iran wäre illegal und verfassungswidrig.
Weiter sagte Sanders: "Es ist an der Zeit, dass die Vereinigten Staaten ihre internationale Führung ausüben und die Länder in der Region zusammenbringen, um eine diplomatische Lösung für die wachsenden Spannungen zu finden."
Wie in einer Satire gab Mike Pompeo genau das zur Antwort, als er in seiner Pressekonferenz am 14. Juni nach dem "Wie Weiter" gefragt wurde. Statt wie erwartet gewaltig mit dem Säbel zu rasseln, wie man das bisher von ihm gewohnt war, gab er sich als handzahmer Friedensapostel: "Der Iran sollte (US-)Diplomatie mit Diplomatie beantworten und nicht mit Terror, Blutvergießen und Erpressung. Wir werden weitermachen mit wirtschaftlichem und diplomatischem Druck, um den Iran an den Verhandlungstisch zu bringen."
Trump selbst hatte vorletzte Woche gesagt, der Iran wisse, wie man den Kontakt zu ihm jederzeit herstellen könne. Letzten Freitag nun, nach den angeblichen iranischen Angriffen auf die beiden Tanker im Golf von Oman, sagte der US-Präsident, dass er nicht bereit sei, zu verhandeln. Offensichtlich will auch er den Druck auf Teheran weiter erhöhen. Allerdings gehen selbst Medien wie CNN nicht davon aus, dass Trump dabei an militärische Aktionen denkt. Sein "Appetit dafür" sei "nicht sehr groß", kommentierte eine CNN-Sprecherin die Aussage Trumps am selben Tag. Das Tiger-Gespann Bolton-Pompeo, das Trump reitet und zu kontrollieren glaubt, hat jedoch eine andere Agenda.
Jetzt fehlt nur noch ein großer Angriff, der dem Iran in die Schuhe geschoben werden kann, bei dem US-Soldaten oder US-Zivilisten sterben, und dann sitzt Trump in seiner eigenen Falle. Dann gibt es keinen Weg zurück, denn in einer solchen Situation will Trump auf keinen Fall schwach aussehen. Mit anderen Worten, die Welt ist nur noch eine falsche Flagge von einem neuen Krieg im Mittleren Osten entfernt, der das Zeug hat, die ganze Region und darüber hinaus in den Abgrund zu ziehen.
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