von Rainer Rupp
Immer öfter werden die westlichen Angriffskriege als eine gigantische Show mit allen dramaturgischen Elementen einer Theatervorstellung zur Ablenkung des heimischen Publikums von drängenden sozialen und anderen gesellschaftlichen Problemen inszeniert. Der einzige Unterschied zum Theater ist, dass dabei echtes Blut fließt; möglichst das der anderen Völker. Nun ist das jüngste völkerrechtswidrige Vorgehen des Koalitionstrios USA/UK/Frankreich recht glimpflich ausgegangen, was vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass es der syrischen Luftabwehr gelungen ist, 71 von 103 angreifenden Marschflugkörpern abzuschießen. Alle drei am Angriff beteiligten Regierungen bestreiten das heftig.
Washington, London und Paris behaupten steif und fest, dass alle abgeschossenen Raketen ihr Ziel erreicht hätten. Das wiederum widerspricht selbst den Erwartungen der eigenen Militärexperten, denn aus Erfahrung gibt es immer einen gewissen Prozentsatz an "Blindgängern". Um die Frage, ob nun alle 103 Raketen ihre angeblichen drei Ziele getroffen haben oder ob 70 Prozent davon vorher bereits abgeschossen wurden, wie nicht nur Russland behauptet, hat sich nun im Westen eine heiße Diskussion entwickelt, die jedoch eher an ein japanisches Kabuki-Theater erinnert als an Politik. Von der unausstehlich arroganten Blase aus Politikern und Medienpäpsten, die seither die erneute Aggression der westlichen Imperialisten als "humanitäre" Strafaktion - angeblich zur Durchsetzung des Völkerrechts bezüglich des Verbots von Chemiewaffen - und damit als "richtig und angemessen" preist, wurden jedoch mit keinem einzigen Wort die wirklich wichtigen Ziele des Angriffs erwähnt, welche keine der Raketen erreicht hat, nämlich fünf syrische Militärflughäfen.
Mix aus alten und neuen Luftabwehrsystemen mit beachtlichen Ergebnissen
Die Tatsache, dass keine der angloamerikanischen und französischen Raketen die Flughäfen erreicht hat, wurde in ersten syrischen Stellungnahmen auf die "hohe Qualität" der bereits in den 1970er Jahren hergestellten sowjetischen Luftabwehrsysteme zurückgeführt. Dazu gehört zum Beispiel das S-200 Raketenflak-System, mit dem die syrische Luftabwehr jüngst auch einen israelischen F-16-Jagdbomber aus übergroßer Distanz auf den "Boden der Tatsachen" heruntergeholt hatte. Zur Abwehr niedrig fliegender Marschflugkörper, z. B. des US-Typs Tomahawk, ist die S-200 jedoch nicht geeignet. Stattdessen kamen diesmal eine ganze Reihe teils hochmoderner russischen Flugabwehrsysteme zur Objekt- bzw. Punkt-Verteidigung von hochwertigen Zielen zum Einsatz, wie z. B. die Pantir-Systeme, über die zum Erstaunen vieler Beobachter die syrische Armee seit jüngstem nicht nur verfügt, sondern offensichtlich auch damit umgehen kann.
Die offiziellen Darstellungen des Pentagon und des russischen Verteidigungsministeriums zu den Wirkungen des Angriffs könnten unterschiedlicher nicht sein, was zur erheblichen Verwirrung der Weltöffentlichkeit beigetragen hat. Daher hier nochmals eine kurze Zusammenfassung der Kernpunkte, die für die Einschätzung der Gesamtsituation von Bedeutung sind.
Nach Angaben des Pentagons wurden nur drei Objekte angegriffen und diese sollten mit dem angeblichen - tatsächlich aber längst nicht mehr existierenden - syrischen Chemiewaffenprogramm in Zusammenhang gestanden haben. Wortwörtlich heißt es:
Dieser kombinierte Militärschlag richtete sich gegen drei verschiedene Ziele des syrischen Chemiewaffen-Programms. [...] Wir sind zuversichtlich, dass alle unsere Raketen ihre Ziele erreicht haben. Zusammenfassend haben wir in einer mächtigen Demonstration der Einheit der Verbündeten 103 Waffen gegen drei Ziele eingesetzt.
Die Angaben des russischen Verteidigungsministeriums haben weitaus mehr Substanz. Der russische Bericht spricht von 103 Marschflugkörpern gegen acht Ziele. Insgesamt wurden demnach 71 Raketen abgefangen:
Vier Raketen zielten auf den militärischen Teil des internationalen Flughafens von Damaskus; 12 Raketen auf den Al-Dumayr-Flugplatz. Alle Raketen wurden abgeschossen. Weitere 18 Raketen zielten auf den Blai-Flugplatz, auch dort wurden alle Raketen abgeschossen. 12 Raketen hatten den Luftstützpunkt Schayrat zum Ziel, alle Raketen wurden abgeschossen. Auf diesen drei Luftwaffenstützpunkten gab es keinen einzigen Einschlag. Fünf von neun auf den unbesetzten Mazzeh-Flugplatz abgefeuerten Raketen wurden vorher vernichtet, ebenso wie 13 von 16 auf den Flugplatz von Homs abgefeuerten. Weder in Mazzeh noch in Homs gab es schwere Zerstörungen. Weitere 30 Raketen zielten auf Objekte in der Nähe von Barzah und Jaramana. Sieben von ihnen wurden vorher abgeschossen.
Tatsächlich 103 Raketen auf nur drei Objekte abgeschossen?
In einer weiteren Analyse präsentierte das russische Militär eine Aufstellung über die Erfolgsrate der jeweils eingesetzten Luftabwehrsystem (siehe hier mit englischer Übersetzung). Der Typenbezeichnung des von der syrischen Armee jeweils verwendeten Systems folgen die Zahl der Abschüsse und die Zahl der Kampfeinsätze in der Nacht vom 13. auf den 14. April:
Pantsir - 23 Treffer bei nur 25 Einsätzen,
Buk-M2 - 24 von 29,
Osa - 5 von 13,
S-125 - 5 von 13,
Strela-10 - 3 von 5,
Kvadrat - 11 von 21,
S-200 - 0 Treffer mit 8 gestarteten Raketen.
Pantsir und Buk-M2 sind neue Systeme, die Systeme Osa, S-125, Strela, Kvadrat und S-200 sind sowjetische Systeme, von denen einige teilweise modernisiert wurden.
Auf seiner Webseite Moon of Alabama verweist der durchwegs gut informierte Blogger "Bernhard" darauf, dass die russische Darstellung im Einklang mit einer Vielzahl von unabhängigen Quellen steht, wozu er sowohl Berichte von Augenzeugen aus Syrien als auch Meldungen von syrischen Exil-Organisationen zählt, die in Gegnerschaft zur Assad-Regierung stehen. Die ihm zugänglichen Informationen hat er auf seinem Blog verlinkt.
Zugleich weist er auf weitere Unstimmigkeiten im Narrativ des Pentagon hin. Vor allem die Tatsache, dass dieses nach eigenen Angaben mit 103 Raketen, bestückt mit je 450 Kilogramm hochexplosiver Sprengköpfe, drei bedeutungslose - da nicht durch Punkt-Verteidigung geschützte - Objekte in die Luft jagen wollte, obwohl bereits drei Sprengköpfe diesen Job erledigt hätten. Das legt den Verdacht nahe, dass nach und nach, so wie die Nachrichten vom Abschuss der z. B. auf die Flugplätze abgefeuerten Marschflugkörper eingingen, diese einfach den drei Objekten des angeblichen "Chemiewaffen-Komplexes" zugerechnet und so das Versagen der Tomahawks versteckt wurde.
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Viel schwerer wiegt jedoch die Erklärung von Großbritanniens Premierministerin Theresa May, die deutlich macht, dass dieser Angriff neben seiner Völkerrechtswidrigkeit auch sonst von einer außerordentlich verwerflichen Gesinnung geprägt ist. Unter den unzähligen wirren und täuschenden Bemerkungen, die Theresa May in ihrer Erklärung nach den Raketenangriffen machte, war folgende der Gipfel:
Zusammen haben wir eine bestimmte und begrenzte Anzahl von Zielen getroffen. Die waren eine Chemiewaffenlager- und -produktionsanlage, ein Forschungszentrum für chemische Waffen und ein militärischer Bunker, der an Angriffen mit chemischen Waffen beteiligt war. Wenn wir diese Ziele mit der von uns eingesetzten Macht treffen, wird dies die Fähigkeit des syrischen Regimes, chemische Waffen zu erforschen, zu entwickeln und einzusetzen, erheblich beeinträchtigen.
Offenbar eigene Propaganda über Chemiewaffenfabrik nicht geglaubt
Nehmen wir für einen Moment einmal an, die Vorwürfe der britischen Regierung gegen Assad wären wahr und an den jetzt zerbombten Orten hätte es tatsächlich chemische Waffenlager gegeben. Das hätte mit anderen Worten bedeutet, dass die britische Reaktion auf einen - immerhin bis heute unbewiesenen - Chemiewaffeneinsatz der Syrer darin bestanden hätte, gemeinsam mit ihren Verbündeten zig Tonnen Sprengstoff mit Raketen ans Ziel zu bringen und angeblich das größte syrische Chemiewaffenlager unkontrolliert in die Luft zu sprengen. So hätte man aber zweifellos eine tödliche Wolke von allen möglichen, extrem toxischen Nervengiften nicht nur über die benachbarten Städte und Dörfer verbreitet, sondern je nach Wind ganze Regionen vergiftet und Leben und Gesundheit der Menschen dort ernsthaft gefährdet.
Nur zertifiziert Wahnsinnige könnten auf solche Gedanken kommen und das dann auch noch als Erfolg bei der Bekämpfung der Chemiewaffen bejubeln. Aber sind die britische, französische und die US-amerikanische Regierung tatsächlich querbeet von diesem klinischen Krankheitsbild befallen? Nun, man kann auch annehmen, dass die Premierministerin May sich in ihrer verzwickten Lage mal wieder den guten Rat ihres Luxemburger Freundes Jean-Claude Juncker zu Herzen genommen hat: "Wenn es schwierig wird, dann muss man lügen!"
Tatsächlich ergibt erst, wenn sie alle gelogen haben, alles wieder einen Sinn, dass nämlich London, Paris und Washington von Anfang an wussten, dass das angebliche Chemiewaffenlager eine ganz normale Lagerhalle war und auch der angebliche Chemiewaffenangriff eine reine Fiktion. Wenn May gelogen hat, dann stellte auch die Bombardierung der Lagerhalle keine potenzielle Katastrophe dar. Und damit wird auch der Modus Operandi der westlichen Troika sichtbar: Humanitär verbrämt sollten die angeblichen Produktions- und Lagerstätten von Chemiewaffen bekämpft werden, tatsächlich aber richteten sich die Hauptschläge gegen die syrische Luftwaffe und ausgesuchte andere Objekte, was die Kampfkraft der Syrisch-Arabischen Armee massiv schwächen sollte. Dank russischer Hilfe haben die Syrer diesen perfiden Plan ganz allein vereiteln können.
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