Die US-Präsidentschaftswahl ist noch lange nicht entschieden

Rainer Rupp

Es sind nicht – wie die Bundesregierung in Berlin zu glauben scheint – die großen US-Medien und die Glückwünsche europäischer Regierungschefs, die darüber entscheiden, wer der nächste US-Präsident sein wird. Es zählen die abgegebenen Stimmen – und welche davon letztlich gültig sind.

von Rainer Rupp

In den USA gibt es keine offizielle Institution, die kurz nach Schließung der Wahllokale, oder wenigstens einige Tag später, das Endergebnis bekannt gibt. Doch die US-Öffentlichkeit sowie Politiker und Finanz- und Wirtschaftsbosse rund um die Welt verlangen nach einem schnellen Ergebnis und wollen wissen, wer der US-Präsident für die nächsten vier Jahre sein wird. So ist es in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr den großen US-Medien zugefallen, den Gewinner zu präsentieren.

Den ersten großen Reinfall hatten die Medien bei den Präsidentschaftswahlen von 2000 zwischen Al Gore, dem Vizepräsidenten unter Bill Clinton, und George W. Bush, dem späteren Präsidenten im Weißen Haus. Die Wahlergebnisse im Bundesstaat Florida, der mit seinen 25 Wahlmännern damals das "Zünglein an der Waage" war, lagen für die Medien unerwartet nahe beieinander, sodass sie mit ihren ständig wechselnden und unterschiedlichen Siegerprognosen heillose Verwirrung stifteten.

Am Ende waren es 537 Stimmen, die die Präsidentschaftswahl entschieden. Am 26. November 2000, drei Wochen nach dem Wahltag, erklärte der Bundesstaat Florida Bush zum Sieger und damit zum Gewinner der 25 Wahlmännerstimmen, die ihm im Rennen um das US-Präsidentenamt den Sieg brachten. Dem vorangegangen waren drei Wochen erbitterter Streitigkeiten wegen Betrugs und Wählerunterdrückung, Forderungen nach Neuauszählungen und der Einreichung von Klagen.

Schließlich ordnete der Oberste Gerichtshof von Florida eine Neuauszählung aller Stimmen in allen 67 Counties (Bezirke) von Florida an, und zwar per Handauszählung, denn die Zählmaschinen hatten bei der ersten Auszählung unzulänglich gearbeitet und für Bush abgegebene Stimmen Gore zugeschlagen und umgekehrt. Bei der Handauszählung brach ein neuer, heftiger und nicht lösbarer Streit darüber aus, wie die verschiedenen Markierungen auf den Wahlzetteln zu bewerten waren. Schließlich rief Bush das Verfassungsgericht an. Dieses hat dann unter Zeitdruck einen Schlussstrich gezogen und ihn durch seine Entscheidung indirekt zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gemacht.

Ähnlich wie bei den Wahlen im Jahr 2000 mit der Hängepartie zwischen George W. Bush und Al Gore in Florida hatten die Hochrechnungen und Gewinneransagen der US-Medien bei der Wahl von 2016 noch viel weiter danebengelegen als im Jahr 2000, als relativ schnell und eindeutig klar wurde, dass Trump der neue Präsident sein würde und nicht Hillary Clinton.

Daher hätten seriöse Wahlforscher bei der diesjährigen Wahl am 3. November noch vorsichtiger sein müssen. Und unsere Politiker in Berlin hätten den Hochrechnungen der großen US-Medien noch weniger trauen dürfen als vor vier Jahren. Denn die voreiligen Glückwünsche des Bundespräsidenten, der Kanzlerin und des Außenministers an Biden sehen zunehmend danach aus, als könnten sie für die deutsche Außenpolitik zu einem Rohrkrepierer werden! Trump hat diese Wahl schließlich noch lange nicht verloren. Mit den inzwischen angelaufenen Klagen wegen Wahlfälschung und den sich häufenden Belegen, dass vieles nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, hat Trump wieder gute Chancen auf eine zweite Amtsperiode.

Die Tatsache, dass dieselben großen Medien, die seit vier Jahren unerbittlich einen der beiden Präsidentschaftskandidaten gejagt haben, unmittelbar nach der Wahlnacht und trotz erster ernst zu nehmender Widersprüche ihren Favoriten Biden zum Sieger erklärt haben, hat von Anfang an gestunken. Zumal die Auszählungsergebnisse noch vorläufig waren und nahe beieinander lagen. Außerdem war zu dieser Zeit mehr als offensichtlich geworden, dass Trump in den letzten vier Jahren landesweit sehr viel Popularität dazugewonnen hatte. Das hätte jeden in- und ausländischen Bobachter mit einem Minimum von Unvoreingenommenheit vorsichtig machen müssen, vorschnell einem Sieger zu gratulieren.

Stattdessen hat man sich in Berlin ungehemmt vom eigenen Wunschdenken einer Biden-Präsidentschaft leiten lassen und der vorschnellen Krönung des neuen US-Präsidenten durch die US-Mainstreammedien voll und ganz geglaubt. Vielmehr wäre Skepsis angesagt gewesen, vor allem weil Trump bei der Auszählung in den meisten sogenannten Swing States während des Tages weit vorn gelegen hatte und Biden erst über Nacht – nach Beginn der Auszählung der Briefwahlzettel – plötzlich mit bis zu 20 Prozentpunkten vorn lag. Dabei war es sicherlich auch für deutsche US-Experten, Polit-Berater und eitle Talkshow-Köpfe keine Neuigkeit, dass die US-Briefwahlmethode notorisch anfällig für Fälschungen ist.

Und dennoch haben Walter Steinmeier, Angela Merkel und Heiko Maas dem US-Demokraten überschwänglich gratuliert, während man für Trump, der das neoliberale Geschäftsmodell der deutschen Finanz- und Politeliten nachhaltig gestört hatte, nur noch Häme, Verachtung und Hass übrighatte. Aber was kommt auf Berlin zu, wenn Trump doch noch im Amt bleiben sollte?! Einiges spricht dafür, dass es genauso kommen könnte, denn einige der Klagen des Trump-Teams wegen Wahlmanipulation und Betrugs sind bereits angenommen und auf den juristischen Weg gebracht. Viele weitere werden folgen. Stoff gibt es genug, denn die Unstimmigkeiten sind sogar für einen Laien auffällig.

Interessanterweise haben sich die Klagen über starke Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Briefwahlzettel "zufällig" in den von demokratischen Gouverneuren regierten Swing States gehäuft, also in den Bundesstaaten, die bei der diesjährigen Wahl das "Zünglein an der Waage" spielen. Die Richtigkeit der Beschuldigungen wird Berichten zufolge von glaubwürdigen Augenzeugen bestätigt oder von Whistleblowern, die in eidesstattlichen Erklärungen berichten, wie sie von Vorgesetzten zur Fälschung von Wahlzetteln angewiesen worden seien.

Dabei muss man bedenken, dass es in den USA weder Personalausweise noch sowas wie ein Einwohnermeldeamt gibt. Um sich für die Wahl registrieren zu lassen, genügt in den meisten Bundesstaaten eine Sozialversicherungsnummer. Wenn man die nicht hat, was bei vielen US-Bürgern der Fall ist, genügt es oft, wenn man bei der Wahlregistrierungsbüro einen Briefumschlag vorlegt, den die Post bei der (angeblich) eigenen Adresse in jüngerer Zeit abgeliefert hatte. Manchmal müssen die Angaben von einem Zeugen, meist einem Nachbarn der Antragsstellers, per Bescheinigung bestätigt werden. Allerdings ist damit immer noch nicht belegt, ob der Antragsteller tatsächlich die Person ist, für die er sich ausgibt. 

Angeblich wurden laut dem Trump-Lager unter den Biden-Briefwählern besonders viele Namen und Adressen von längst Verstorbenen gefunden, die aus dem Jenseits von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben sollen. Ob dem wirklich so ist, muss noch aufgeklärt werden. Aber das Problem ist nicht neu und kommt daher, dass viele Verstorbene nicht aus den Wahllisten gelöscht werden. In der Regel sind es die Bestattungsunternehmen, die die Sterbeurkunden mit dem Zeitpunkt des Todes mit der Sozialversicherungsnummer der verstorbenen Person an die Sozialversicherungsbehörde melden, damit die Zahlungen eingestellt werden. Theoretische sollten dann auch die zuständigen Wahlbüros benachrichtigt werden. Dass das oftmals nicht geschieht, hat dazu geführt, dass nicht wenige Leute, die vor Jahrzehnten gestorben sind, immer auf den Wählerlisten stehen, was einer betrügerischen Wahlkampagne Tür und Tor öffnet.

Diese Schwachstellen sind seit langem bekannt, aber Abhilfe wurde nicht geschaffen, wahrscheinlich deshalb, weil die Briefwahl in der Vergangenheit nur eine marginale Rolle gespielt hat. Diesmal aber hatten wegen Corona viele Menschen Angst, ins Wahllokal zu gehen und die Briefwahl machte etwa die Hälfte der abgegebenen Stimmen aus. Dadurch nahmen die Möglichkeiten zu, mit Briefwahlbetrug das Wahlergebnis entscheidend zu fälschen.

Was die Zustellung von Briefwahlunterlagen betrifft, so muss in manchen Bundesstaaten neben dem Briefwähler auch noch ein Zeuge auf beigefügtem Formular bestätigen, dass der Wähler auch der ist, dessen Name auf dem Wahlzettel steht. Aber niemand im Wahlbüro kann auf Anhieb überprüfen, ob der Zeuge eine echte, tatsächlich lebende Person ist oder nicht. Im Grunde genommen können beide Unterschriften, sowohl die des Briefwählers als auch die des Zeugen, von einem Dritten gefälscht werden. Die Fälschungen sind noch einfacher in den Bundesstaaten, in denen nicht einmal ein Zeuge bei der Briefwahl verlangt wird.

Wie chaotisch die Situation ist, verdeutlicht eine Twitter-Meldung des in Washington wohnenden ARD-Korrespondenten Stefan Niemann, der in seinem Briefkasten nicht weniger als drei gültige Wahlzettel gefunden hatte. 

Der ARD-Korrespondent räumt ein, dass es "das von Trump beklagte Chaos bei Zustellung der Briefwahlunterlagen gibt. – Ich darf hier nicht wählen. An meine Washingtoner Adresse kamen aber 3 Wahlzettel: für die vor 5 Jahren verzogene Vormieterin, für die in Puerto Rico lebende Vermieterin und deren verstorbenen Mann."

Die auf Rechtsfragen spezialisierte US-Bürgerrechtsorganisation "Judicial Watch" hatte noch vor den Wahlen eine Untersuchung veröffentlicht, in der USA-weit die Listen der wahlberechtigten Bürger mit den Bevölkerungsstatistiken des United States Census Bureau (Statistisches Bundesamt der USA) verglichen wurden. Dabei ist eine riesige Diskrepanz ins Auge gesprungen.

Die Untersuchung ergab, dass in den Wählerlisten von 353 US-Counties (Wahlbezirken) von 29 US-Bundesstaaten 1,8 Millionen mehr (Geister-)Wähler registriert sind, als das Bundesamt für Statistik an wahlberechtigte Bürger im Wahlalter in diesen Bezirken angibt. Mit anderen Worten, die Namen auf den Wählerregistrierungslisten der Bezirke überstiegen 100 Prozent der tatsächlichen Wahlberechtigten. Aber die 1,8 Millionen Geisterwähler sind nur die Spitze des Eisberges, denn die Wahlbeteiligung der Wahlberechtigten liegt nie bei 100 Prozent, selbst in Deutschland nicht. Das lässt erahnen, wie groß und breit das Feld für Manipulation und Fälschungen beim US-Briefwahlsystem ist.

Bei der Vorstellung der Studie am 16. Oktober 2020 hatte Tom Fitton, der Vorsitzende von "Judicial Watch", vor potenziellem Wählerbetrug gewarnt, denn "schmutzige Wählerregistrierungslisten können auch schmutzige Wahlen bedeuten".

Allerdings sind es nicht die großen US-Medien und die Glückwünsche europäischer Präsidenten und Regierungschefs, die darüber entscheiden, wer der nächste US-Präsident sein wird. Die US-Verfassungsrechtlerin Jenna Ellis korrigierte die anscheinend auch in der deutschen Regierung weit verbreitete Meinung wie folgt: "Joe Biden ist nicht der gewählte Präsident, nur weil die Medien ihn dafür erklärt haben." Laut Ellis stellen die koordinierten Bemühungen der Medien den Versuch dar, an der Rechtsstaatlichkeit vorbei Joe Biden einfach zum Präsidenten zu erklären und den Druck auf Trump derart zu erhöhen, dass er sich freiwillig zurückzieht.

Tatsächlich wird es keinen offiziellen Gewinner geben, solange nicht alle Klagen überprüft und ihnen glaubhaft nachgegangen wurde und anschließend jede legale Stimme genau gezählt worden ist. Angesichts der Tatsache, dass Biden in Pennsylvania mit nur 20.000 Stimmen führt, kann das Ergebnis bei einer Neuauszählung ausschließlich legaler Stimmen leicht kippen und zugunsten Trumps ausgehen. In anderen "Zünglein an der Waage"-Staaten ist der Vorsprung Bidens noch kleiner. Da könnten die inzwischen nicht mehr bestrittenen Fehler einer Zählmaschine, die 6.000 für Trump abgegebe Stimmen seinem Konkurrenten Biden zugeschlagen hat, das bisherige Ergebnis auf den Kopf stellen.

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Ganz am Schluss ist es die Legislative der einzelnen Bundesstaaten, die ihre Wahlmänner am 14. Dezember zum "Electoral College" schickt, wo sie den nächsten US-Präsidenten bestimmen werden. Sollten bis dahin rechtliche Streitigkeiten nicht beigelegt sein, wird das US-Verfassungsgericht in einer Eilentscheidung über die Rechtsstreitigkeiten urteilen und – wenn auch indirekt – darüber entscheiden, wer die nächsten vier Jahre US-Präsident sein wird.

Rückblickend auf den Wahlstreit von 2000 ist festzustellen, dass er tiefe Narben in beiden Parteien hinterlassen hat. Seit diesen Wahlen geht ein zunehmend tiefer Riss durch das US-Establishment. In den ersten Jahren der Regierung von George W. Bush verlief dieser Riss eher unterirdisch. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurde er jahrelang verdeckt von dem überschwellenden Nationalismus und der nach außen so gern zur Schau gestellten Einheit der Nation. Aber auch das war ein Fake.

Die Erinnerungen an die Wahl 2000 und die bitteren und oft gehässigen, gegenseitigen Vorwürfe des Betrugs saßen tief und haben die zunehmende Polarisierung in der US-amerikanischen Politik befördert, die man bereits vor der Wahl von Präsident Obama beobachten konnte. Wenn auch die feinen Umgangsformen erhalten geblieben waren, so sahen die Demokraten in Bush keinen vom Volk gewählten Präsidenten, sondern vielmehr jemanden, der sein Amt nur der republikanischen Mehrheit im Verfassungsgericht zu verdanken hatte.

Im Gegenzug sahen die Republikaner nicht nur in dem Verlierer Al Gore, sondern allgemein in den Demokraten miese Gestalten, die mitten im Spiel die Regeln ändern, nur um an der Macht zu bleiben. Die Parallelen zu heute sind unübersehbar, nur dass die Kluft, die heute nicht nur die Parteien teilt, sondern die ganze US-Gesellschaft, noch sehr viel tiefer geht und der gegenseitige Hass, die Wut und Verachtung unüberbrückbarer scheinen denn je. Das wird sich auch nicht ändern; egal, wer Präsident wird.

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