Globale Mindestbesteuerung von Unternehmen: Imagepflege oder kleineres Übel?

Pierre Lévy

Auf den ersten Blick sieht die von den G7 getroffene Vereinbarung einer globalen Besteuerung multinationaler Konzerne gut aus. Schließlich tun diese alles, um Steuern zu sparen. Aber wenn selbst Amazon und Co. diese Pläne begrüßen, was steckt wirklich dahinter?

von Pierre Lévy

Die Finanzminister der G7-Staaten haben sich bei ihrem Treffen am 5. Juni auf die Grundzüge eines Projekts geeinigt, das die globale Besteuerung verändern soll. Dieser Konsens scheint den Weg für eine Reform zu ebnen, die allerdings viele Stufen durchlaufen müsste: innerhalb der OECD (die ursprünglich aus dem westlichen Block hervorgegangen ist und 38 Länder umfasst), der Europäischen Union sowie der G20. Für den 9. und 10. Juli ist ein Gipfeltreffen des letztgenannten Gremiums geplant: Dort soll dieses Thema diskutiert werden.

Die geplante Reform ruht auf zwei Säulen: der Einführung einer Mindeststeuer von 15 Prozent auf die Gewinne großer multinationaler Unternehmen und einer komplexen Verteilung dieser Steuer. Heute wird die Abgabe von dem Land getragen, in dem die Unternehmen ihren Sitz haben, morgen könnten die Länder, in denen die Unternehmen ihren Markt haben, ihren Anteil am Kuchen bekommen. Erklärtes Ziel ist es, die Steuerhinterziehung einzuschränken, die heute über "Steueroasen" läuft, d. h. Staaten, in denen große Konzerne ihren Hauptsitz einrichten können, um von einer reduzierten oder gar nicht vorhandenen Besteuerung zu profitieren.

So dargestellt, fällt es schwer, einen Plan, der auf mehr Gerechtigkeit und die Reduzierung von Missständen abzuzielen scheint, von vornherein abzulehnen. Darüber hinaus haben sogar die digitalen Giganten – wie Google, Apple, Facebook und Amazon – das Vorhaben begrüßt, obwohl sie als Erste betroffen wären.

Es ist jedoch nicht verboten, genauer hinzuschauen und einige Fragen zu stellen.

Ein grundlegender Aspekt betrifft zum Beispiel die Souveränität der Staaten. Historisch gesehen wurden die nationalen Parlamente auf der Grundlage einer Bevorrechtung geschaffen, die der Grund für ihre Existenz war: über Steuern zu entscheiden. Dies ist letztlich die Grundlage jeder nationalen Politik: Welche Beiträge sollen Bürger und Unternehmen für die nationale Gemeinschaft leisten? Würden Regeln von außen auferlegt – was immer man von diesen Regeln hält –, wäre dieses Grundprinzip der Demokratie in Frage gestellt.

Es gibt eine zweite Frage, die berücksichtigt werden muss. Die entscheidende Initiative zur Wiederbelebung dieser regelmäßig erwähnten Reform kam diesmal aus Washington. Berlin und Paris versäumten es nicht, ihre begeisterte Unterstützung zu zeigen. Ist Joe Biden, der ein halbes Jahrhundert in der US-Politik mit einem Profil "der Mitte" verbracht hat, d. h. in Wirklichkeit ein Verteidiger des absoluten Primats des freien Unternehmertums und des Exports von US-Macht auf dem Planeten mit der Waffe in der Hand (wirtschaftlich, militärisch oder kulturell) ist, plötzlich zur sogenannten "radikalen Linken" gewechselt?

Hat Angela Merkel plötzlich ihr jugendliches Engagement für die Regierungspartei der DDR wiederbelebt? Hat sich Emmanuel Macron, der ehemalige Rothschild-Banker, gerade in das Gesamtwerk von Marx und Engels verliebt? Und darüber hinaus: Stehen die politischen Klassen der europäischen Länder am Rande einer Kulturrevolution, obwohl sich in ihren Reihen Politiker und große Bosse aus der Privatwirtschaft abwechseln und ihre Verantwortlichkeiten austauschen? Als Symbol dieser kleinen oligarchischen Welt hat die Bank Goldman Sachs eine beeindruckende Anzahl an Politikern ausgebildet und dann eine nicht minder beeindruckende Anzahl an hochrangigen Mandatsträgern rekrutiert, als diese ihr Amt verließen.

Hier und da wird zwar auf den Zustand der öffentlichen Finanzen verwiesen, die durch die Pandemie und die daraus resultierende Rezession ausgelaugt sind. Es sollten daher Mittel gefunden werden, um sie wieder aufzufüllen, was durch eine Reform möglich wäre. Lange Zeit hatten die westlichen Oberhäupter aber keine Skrupel, die Sparmaßnahmen für diejenigen zu erhöhen, die ihren Lebensunterhalt mit ihrer Arbeit verdienen, anstatt an die Türen multinationaler Unternehmen zu klopfen.

Das Problem ist, dass sich das Ansehen dieser Unternehmen in der Bevölkerung weiter verschlechtert hat. Die Arroganz von Big Pharma, die sich mittlerweile kaum noch über ihre Profite beklagen kann; die Arroganz der Internet-Giganten, die nicht nur riesige Profite machen, sondern auch die sozialen Netzwerke beherrschen und über Teile der Meinungsfreiheit das Recht auf Leben und Tod ausüben; ganz zu schweigen von der Allmacht des Finanzsektors, der einen großen Teil der Weltwirtschaft beherrscht ... All diese Imperien und viele andere mehr stoßen bei den Bürgern vieler Länder auf wachsende Ablehnung.

Es sieht noch schlimmer aus für die Herren des Systems: Nicht nur werden die transnationalen Konzerne geschmäht, sondern möglicherweise das System selbst, dessen Daseinsberechtigung gerade darin besteht, ihre Herrschaft zu sichern. Für die globalisierten Oligarchien – ebenjene, die den westlichen ideologischen Ton angeben, vom freien Kapitalverkehr über den "Umweltschutz" bis hin zur wachsenden Aggressivität, einschließlich militärischer Aggression, gegenüber Ländern, die sich nicht ihren Normen unterwerfen – ist die absolute Priorität, das Überleben des Systems zu sichern. Selbst wenn dies bedeutet, dass man das Übel durch fiskalische Maßnahmen zum Teil des Systems machen muss.

So könnte die Besteuerung durchaus als Deckmantel dienen, um zu vermeiden, dass die wahren Probleme aufgedeckt und hinterfragt werden. Denn das echte Problem ist die Existenz der transnationalen Trusts selbst, es sind nicht einfach nur ihre "Exzesse". Pfizer, Facebook, Goldman Sachs und Konsorten hatten und haben nie den Ehrgeiz, dem Allgemeinwohl zu dienen, sondern sind von ihrer Existenz her auf Gewinnmaximierung aus. Sollten sie deshalb ein wenig mehr besteuert und "reguliert" werden? Oder sollten man sie nicht lieber (wieder) der öffentlichen Hand unterstellen? Es ist, als fragte man sich, ob die Mafia zivilisiert oder besteuert werden sollte, anstatt sie zu beseitigen.

Im Zeitalter der Globalisierung – deren Raison d'Être die Multis sind – geht es vielleicht nicht darum, sie anzupassen, um sie zu retten, sondern um die Wiederbelebung des Prinzips der Nationalisierung selbst. Das setzt natürlich voraus, dass jedes Land seine politische Souveränität wiedererlangt, ohne die die Achtung vor den Entscheidungen der Völker bedeutungslos bleibt.

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