von Michail Chodarjonok
Das Hauptziel der Übung – der größten der NATO seit über 25 Jahren – besteht darin, eine schnelle Verlegung von US-Truppen nach Polen und in die baltischen Staaten zu üben. Im Rahmen der Übung werden bis zu 20.000 US-Truppen auf dem Luft- und Seeweg nach Europa transportiert, mitsamt 13.000 Fahrzeugen und weiterer Ausrüstung. Insgesamt werden 37.000 Soldaten aus 18 Ländern an Defender Europe 2020 teilnehmen.
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Diese Übung wird etwa fünf Monate dauern und hauptsächlich in Deutschland, Polen und den baltischen Staaten stattfinden, wobei der Großteil der Aktivitäten für April und Mai geplant ist. Am 3. Februar trafen die ersten Einheiten aus Großbritannien im belgischen Antwerpen ein.
Die NATO streitet Vermutungen ab, dass Russland der in Defender Europe 2020 dargestellte Feind ist. Laut General Andrew Rohling, des stellvertretenden Kommandeurs der US-Streitkräfte in Europa, "hat das Militärmanöver nicht mit irgendeinem bestimmten Land zu tun". Es zielt darauf ab, schnell auf jede Krise zu reagieren". Dies wird auch vom Generalsekretär der Allianz Jens Stoltenberg beteuert, der diese Woche darauf bestand, dass "Defender Europe 2020 nicht auf ein bestimmtes Land abzielt."
Doch schon nach dem Namen der Übung zu urteilen kann ein solch massiver Truppeneinsatz nur zur Übung einer strategischen Verteidigungsoperation im europäischen Einsatzgebiet dienen. Das Ziel einer solchen Operation wäre demnach, einer Invasion entgegenzuwirken und mit voller Kraft zurückzuschlagen, um sicherzustellen, dass der Feind erstens die Feindseligkeiten beendet und zweitens einem Waffenstillstand zustimmt, der der NATO zugutekäme.
Es versteht sich von selbst, dass die NATO in der strategischen Region Europa nur einen potenziellen Gegner hat, der dem Bündnis hinsichtlich seiner militärischen Fähigkeiten einigermaßen ebenbürtig ist. Ganz gleich, was die politischen und militärischen Führer der NATO sagen – dieser Gegner ist Russland.
Natürlich sind uns die Einzelheiten der Übung nicht bekannt. Doch wir haben Grund zu der Annahme, dass das SHAPE (Supreme Headquarters Allied Powers Europe, dt. etwa: Oberstes Hauptquartier der Alliierten Mächte in Europa), wenn es schon beschließt, eine strategische Verteidigungsoperation in der Region durchzuführen, beim Einsatz der Hauptstreitkräfte in Erwartung eines Angriffs aus dem Osten bestimmten Zonen, Regionen und Grenzgebieten Vorrang einräumen muss.
Wie wird dies in der Realität aussehen? Natürlich wird Moskau keine kohärente Antwort zu Einzelheiten der Übung erhalten, aber es wäre schon interessant zu hören, was das SHAPE hierzu zu sagen hätte. Soll das Ganze "verhindern, dass russische Streitkräfte die Ostsee bei Lijepaja und Klaipeda erreichen und damit die NATO-Einheiten in Lettland und Estland isolieren"? Oder vielleicht "verhindern, dass die Russen auf breiter Front den Mittellauf der Weichsel in Polen überqueren"?
Zum Beispiel könnten NATO-Vertreter in der Öffentlichkeit behaupten, eines der Ziele von Defender Europe 2020 sei es, die Verlegung von US-Truppen nach Polen und in die baltischen Staaten zu üben. Eine andere Sprachregelung gilt allerdings für Offiziere in den operativ-strategischen und strategischen Hauptquartieren. Sie nennen so etwas "strategische Dislozierung von US- und NATO-Truppen im europäischen Einsatzgebiet". Und dies ist nun einmal der Teil der strategischen Streitkräftedislozierung, auf den in der Regel innerhalb weniger Stunden und Minuten ein echter Krieg folgt.
Auch Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) ist der Ansicht, dass im Rahmen von Defender Europe 2020 kein konkretes Angriffsszenario durchgespielt wird, sondern das Augenmerk auf der Entsendung der Truppen liegt: "Kann man im Krisenfall wirklich innerhalb weniger Tage Truppen in Europa bewegen? Das ist die Grundidee der Übung", kommentierte die Expertin gegenüber der Deutschen Welle.
Doch hier drängt sich wieder dieselbe Frage auf: Was muss das für eine Krise sein, die eine Dislozierung großer US- und NATO-Truppenkontingente von einem strategischen Schauplatz zu einem anderen erfordert?
Eine Verlegung von Truppen in verschiedene Teile Europas mag zwar ziemlich harmlos anmuten, aber aus militärischer Sicht bedeutet sie in Wirklichkeit die Aufstellung einer Kampftruppe für eine Offensive oder die Schaffung einer Verteidigungslinie. Auch bewegen sich die Truppen während der Übung nicht ziellos umher, sondern werden auf bestimmte Ziele angesetzt, wie zum Beispiel bei der Aufstellung eines Truppenverbandes in einem strategischen Gebiet. Und natürlich beinhaltet jede Verteidigungsübung einen Gegenschlag, der darauf abzielt, die eindringenden Truppen des Gegners zu zerschlagen. Offenbar wird Russland in diesem Fall als Feind angesehen. Mit Sicherheit wird dieser Teil der Übung zu einem "wundersamen Sieg über die wilden Horden aus dem Osten" führen, und zwar sicherlich an irgendeinem symbolischen Ort.
Um es zusammenzufassen: Niemand sollte sich von Ausdrücken wie "Transport", "Logistik" und "Belastungsprüfung von Straßen und Brücken" täuschen lassen. US Defender Europe 2020 ist eine Übung der strategischen Verteidigung und ihr Ziel ist es, einer "russischen Invasion" entgegenzuwirken. Da es aber keine Anzeichen dafür gibt, dass Moskau jemals versuchen würde, in Europa einzumarschieren, ist klar, dass diese Übung einen anti-russischen Charakter hat und eine weitere Provokation gegen Russland in einer Reihe von vielen darstellt.
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Michail Chodarjonok, Militärkommentator für RT.com, ist ein pensionierter Oberst. Er absolvierte im Jahr 1976 die Höhere Ingenieurschule für Raketengestützte Flugabwehr in Minsk und die Kommandoakademie der Luftverteidigungskräfte im Jahr 1986.
Laufbahn: Kommandierender Offizier eines S-75 Flugabwehrraketenbataillons (1980-1983). Stellvertretender Kommandeur eines FlaRak-Regiments (1986-1988). Absolvent der Militärakademie des Generalstabs der Streitkräfte der Russischen Föderation (1998). Leitender Offizier des Oberkommandos der Luftverteidigungskräfte (1988-1992). Offizier in der Haupteinsatzleitung des Generalstabs der Streitkräfte (1992-2000). Chodarjonok arbeitete als Analytiker bei der Nesawissimaja Gaseta (2000-2003) und als Chefredakteur von Wojenno-Promyschlenny Kurjer (2010-2015).
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