"Retten Sie den letzten Atomwaffenvertrag!" – Ein Appell der Ex-Außenminister Iwanow und Albright

Leo Ensel

Der ehemalige russische Außenminister Igor Iwanow und seine amerikanische Ex-Kollegin Madeleine Albright fordern, zusammen mit 24 weiteren früheren Außenministern, die USA und Russland auf, alles für eine Verlängerung des New-START-Vertrags zu unternehmen.

von Leo Ensel

Es gibt sie noch, die Letzten ihrer Art! Will sagen: einige wenige – meist Elder – Statesmen and -women im Westen wie in Russland, die in einer Zeit rasanten von nahezu sämtlichen Kontrollverträgen entfesselten neuen Wettrüstens gemeinsam und "blockübergreifend" ihr Renommee in die Waagschale werfen, um das Wenige zu retten, was noch zu retten ist.

Am 10. Februar veröffentlichten der ehemalige russische Außenminister Igor Iwanow und die US-Ex-Außenministerin Madeleine Albright in der New York Times ein leidenschaftliches Plädoyer für die Rettung des letzten noch verbliebenen Atomwaffenvertrags, des seinerzeit von Barack Obama und Dmitri Medwedew im Sommer 2010 unterzeichneten New-START-Vertrags, der die Zahl der amerikanischen und russischen Atomsprengköpfe auf je 1.500 und die der Trägersysteme auf je 800 begrenzt. Und es ist sicher kein Zufall, dass die Publikation im unmittelbaren Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz erfolgte.

Späte Einsicht einiger Ex-Politiker

Bei genauerer Betrachtung erweisen sich Iwanow und Albright als Sprachrohr einer größeren Gruppe von insgesamt 26 ehemaligen Außenministern – unter ihnen der Spanier Javier Solana und, man lese und staune, Joschka Fischer –, die alle dieselbe Sorge teilen: Wir könnten bald in einer Welt leben, in der es überhaupt keine vertraglich vereinbarte atomare Rüstungskontrolle mehr geben würde – also in einer Welt, die noch erheblich gefährlicher wäre als zu Zeiten des (ersten) Kalten Krieges!

Keine Frage, einige Prominente unter ihnen – Albright vorneweg und Fischer gleich hinterher, man erinnere sich an den völkerrechtswidrigen NATO-Einsatz gegen die Bundesrepublik Jugoslawien im Frühjahr 1999 – zeichneten sich während ihrer aktiven Zeit nicht gerade als Friedenstauben aus! Auch dass der Appell offenbar im Umfeld des amerikanischen Thinktanks "Aspen Institute" entstanden ist, lässt zunächst aufhorchen.

Aber man wird ja bescheiden. Hauptsache, wenigstens einige prominente Ex-Politiker werden in zumindest einigen wenigen, aber zentralen Fragen auf ihre alten Tage noch vernünftig!

Iwanow und Albright konstatieren eine dramatische Verschlechterung des Verhältnisses zwischen den beiden größten Atommächten USA und Russland, die bereits seit über einem Jahrzehnt andauere. Die Kommunikation – zu früheren Zeiten Routine – sei abgebrochen und durch tiefes Misstrauen abgelöst worden, was es zunehmend schwieriger mache, Spannungen abzubauen und Missverständnisse zu vermeiden. Eine Chance, zusätzliche Instabilität zu verhindern, sei es, den New-START-Vertrag, der am 5. Februar kommenden Jahres auslaufen wird, zu verlängern.

Der New-START-Vertrag wackelt

Aktivitäten in dieser Richtung müssten allerdings rasch geschehen. In den nächsten Jahren werde die Sicherheitslandschaft durch neu entstehende Technologien und deren Zusammenspiel mit konventionellen und nuklearen Fähigkeiten nur noch schwieriger. Daher sei es von entscheidender Bedeutung, einen wiederbelebten Geist der Diplomatie zu schaffen, der auf einem gemeinsamen Verständnis der Gefahren und Möglichkeiten zur Verringerung potenzieller Schadensquellen beruhe.

Zur Erinnerung: Nach dem einseitigen Ausstieg der USA aus dem ABM-Vertrag, der die Raketenabwehrsysteme beider Seiten auf je eines begrenzt hatte, vom Dezember 2001, und ihrer Kündigung des INF-Vertrags, der die gesamte Kategorie landgestützter Kurz- und Mittelstreckenraketen einer Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometer eliminiert hatte, vom Februar letzten Jahres – Russland zog infolge dessen nach –, ist der New-START-Vertrag das einzig verbliebene Abkommen, das die Zahl der amerikanischen und russischen Atomstreitkräfte noch begrenzt. Es beinhaltet zudem wichtige Verifikations- und Transparenzmaßnahmen, einschließlich Inspektionen vor Ort, die bislang zur Förderung der strategischen Stabilität beitrugen. Der Vertrag sieht eine Verlängerung um fünf Jahre vor, wenn die Staats- und Regierungschefs beider Länder zustimmen.

Iwanow und Albright fordern, stellvertretend für die anderen ehemaligen Außenminister, Trump und Putin auf, diese Gelegenheit zu nutzen.

Der Ball liegt nun bei Donald Trump!

Bei Putin laufen sie da offene Türen ein: Russland hat sich in jüngster Zeit immer wieder – zuletzt, zeitgleich mit dem Appell der beiden prominenten Ex-Außenminister der USA und Russlands, am 10. Februar – für eine Verlängerung des Abkommens ausgesprochen. Der Ball liegt also nun bei den USA, sprich: bei Donald Trump!

Das wissen auch Iwanow und Albright. Daher geben sie ihm öffentlich noch etwas Nachhilfeunterricht: Trump müsste für die Rettung des Vertrags nicht etwa gigantische Anstrengungen unternehmen, sondern – einfach nur zustimmen! Eine gesetzliche Genehmigung sei dafür nicht erforderlich.

So einfach könnte es sein – wenn man wollen würde! Und man wünscht sich dazu massiven Druck von unten, der es schafft, den US-Präsidenten endlich zum Jagen zu tragen!

PS:

Kleines Suchspiel: Wenn Sie dieses Wochenende mal nichts Besseres zu tun haben, dann tun Sie sich den Gefallen und blättern oder klicken Sie sich mal durch die deutsche Medienlandschaft, ob Sie irgendwo einen Bericht über dieses gemeinsame russisch-amerikanische Plädoyer finden! Aber planen Sie bitte etwas Zeit ein und üben Sie sich in Frustrationstoleranz ...

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