von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
Seit dem Maidan-Putsch hat ARD-aktuell über die Ukraine meist nur dann berichtet, wenn sich zugleich anbot, gegen Russland zu polemisieren und zu hetzen. Über die desaströsen Zustände, die schiere Not der Bevölkerung, die krasse Korruption, das Versagen der Justiz sowie die Raffgier und Macht der vom Westen gepäppelten Oligarchen schwiegen sich Tagesschau & Co. hingegen weitgehend aus. Meldungen über die mörderischen Umtriebe der Neonazis und ihren beherrschenden Einfluss auf Parlament und Regierung sind vollends tabu. Umfassende Nachrichten darüber halten nur die bewussten Medien im Internet bereit. Noch greift erst eine Minderheit regelmäßig darauf zu.
Unmittelbar nach dem Putsch hatten unsere öffentlich-rechtlichen Medien – nach eigenen Angaben! – Materialien des transatlantischen Propaganda-Instituts der "Open Society Foundations" des US-Milliardärs Soros genutzt und dort abrufbare Texte dem deutschen Publikum als "objektive und unabhängige Nachrichten” untergejubelt. Deren propagandistischer Kern: "Behauptungen einer rechtsradikalen Gefahr in der Ukraine sind reine russische Propaganda". Motto: "Der Russe ist immer schuld" ...
Dieser Linie ist ARD-aktuell bis heute treu geblieben. Die Redaktion marginalisiert oder verschweigt faschistische Exzesse in der Ukraine. Während die Internetseite tagesschau.de reichlich Berichte über rechtsradikale deutsche "Bürgerwehren" enthalten, finden vergleichbar extremistische, sogar mordende ukrainische Organisationen keinerlei Aufmerksamkeit bei Chefredakteur Dr. Gniffkes journalistischen Antifa-Experten. So weit ist sein Laden schon verkommen: Die Tagesschau verschweigt, dass Präsident Poroschenko – bei der Präsidentenwahl im März der Kandidat mit den geringsten Chancen – Faschisten und rechtsradikale Bürgerwehren zu "Wahlbeobachtern" bestimmt hat.
Es gibt für solche redaktionelle Verschwiegenheit nur ein Urteil, nur einen Begriff: Nachrichten-Unterschlagung. Die Ukraine ist ein europäisches Nachbarland, Informationen über sie sind Nachrichtenpflicht; seit Einmischung und Subversion der USA, der EU und der NATO ist sie ein prekäres Bürgerkriegsland und zugleich Treibsatz eines drohenden Krieges gegen Russland. Kiew hängt am Tropf des IWF sowie der europäischen, insbesondere deutschen Staatskassen und mutiert zur protofaschistischen Autokratie. Dr. Gniffkes Qualitätsjournalisten ignorieren bewusst, dass die "ukrainische Demokratiebewegung", der "Maidan", eine Schimäre war, eine Erfindung der Giftküchen westlicher Geheimdienste.
Ersatzweise "informiert" die Tagesschau, das "Flaggschiff der ARD", das deutsche Publikum über die Milliarden Euro schwere Oligarchin Julia Timoschenko, weil die erneut das Präsidentenamt anvisiert. Das ist ein Anzeichen dafür, dass Präsident Petro Poroschenko die Unterstützung unseres Berliner Regimes verloren hat. Wir erinnern uns, dass Kanzlerin Merkel seit jeher ein Faible für ihre "Freundin" hatte, die blondgefärbte Julia; unsere "Änschii" hält es gern mit Milliardärinnen. Und wie so oft präsentiert ARD-aktuell einen Beitrag ganz im Sinne der Kanzlerin, der allerdings vor Oberflächlichkeit und Falschinformation nur so strotzt.
Fernab vom gesetzlichen Programmauftrag, der "objektive und umfassende" Berichterstattung vorschreibt, behaupten die ARD-Qualitätsjournalisten, Timoschenko sei "international populär". "Populär" ist ein positiv besetztes Wort. Mit dem unpräzisen Adjektiv "international" verschleiert unsere Journaille, dass nur Angehörige der "Westlichen Wertegemeinschaft", WWG, insbesondere deutsche Politiker und Russenfeinde, Sympathien für Timoschenko hegen. Das nimmt nicht wunder. Sie erfreute schließlich den deutschen Mainstream mit den gehässigsten und schrillsten russlandfeindlichen Tönen:
Es wird Zeit, dass wir unsere Gewehre ergreifen und losziehen, um diese verdammten Russen zusammen mit ihrem Führer töten.
Sie werde alle ihre Beziehungen spielen lassen und alle Mittel einsetzen, "damit die ganze Welt sich erhebt, sodass in Russland nicht einmal ein verbranntes Feld zurückbleibt". Sie sei auch bereit, ein Maschinengewehr zu ergreifen und "diesem Mistkerl (Anm.: Gemeint ist der russische Präsident Putin) in den Kopf zu schießen". Ein richtiges Herzchen, nicht wahr? Aber mit ihren Hasstiraden gewann die "Ikone" viele deutsche Verehrer: die Grünen-Abgeordnete Rebecca Harms beispielsweise, den grauslichen Alt-Bundespräsidenten Joachim Gauck, den damaligen Außenminister Guido Westerwelle und den mittlerweile durch finstere Geschäfte aufgefallenen EU-Parlamentarier Elmar Brok. Kanzlerin Merkel hatten wir ja schon genannt. Artig bedankte sich die ukrainische Oligarchin: "Angela war die stärkste Anführerin für Demokratie und Freiheit". So was verbindet natürlich. Und verpflichtet regierungsfromme Tröten wie ARD-aktuell zu journalistischer Liebedienerei mit geostrategischer Zielsetzung.
Da darf ein Qualitätsjournalist schon mal ignorieren, wofür die Milliardärin und gewissenlose Politikerin Timoschenko des weiteren bekannt und was in den "Panama Papers" nachlesbar ist: ungeheure Raffgier und kriminelle Geldgeschäfte. Ergiebig sind diesbezüglich auch die Akten des in den USA geführten Betrugsverfahrens gegen den ukrainischen Ex-Regierungschef Lasarenko. Die Ankläger dokumentierten seinerzeit, dass Timoschenko allein in den Jahren 1996 und 1997 rund 100 Millionen US-Dollar verschoben hatte. Da sie ihre Geschäfte über andere Länder abgewickelt hatte, entging sie allerdings der US-amerikanischen Rechtsprechung, gilt dort aber als "unindicted co-conspirator", als nicht angeklagte Mitverschwörerin.
ARD-aktuell hat seinerzeit zwar über diesen Vorgang schamhaft kurz und an unauffälliger Stelle berichtet, sich aber mit keiner Silbe dafür gerechtfertigt, dass die Redaktion vor dem Maidan-Putsch mit riesigem Aufwand und propagandistischem Eifer dabei mitgemacht hatte, Julia Timoschenko als Opfer der "ukrainischen Justiz und des russlandfreundlichen (sic!) Systems" zu glorifizieren. Dr. Gniffkes Luxusqualitäts-Journalismus setzt eben auf das kurze Gedächtnis des Publikums des "Ersten Deutschen Fernsehens".
Beim weiteren Jubilate der ARD-aktuell über die Julia bedient die Redaktion ihr Publikum mit Primitiversatz für politischen Inhalt, mit Trivialitäten im Boulevardstil. Darunter: Timoschenko habe eine "markante Haartracht". Es folgt, von Fakten ungetrübt, der Hinweis, Timoschenko sei durch die "Orangene Revolution" im Jahr 2004 "international bekannt" geworden. Internationale Aufmerksamkeit hatte sie schließlich schon seit 2001, als der frühere Präsident Kutschma sie wegen Urkundenfälschung ins Gefängnis stecken ließ. 42 Tage danach kam sie wieder frei, in den Gerüchteküchen war Hochbetrieb. Wo wenigstens heute Fakten von Interesse wären, liefert die Tagesschau aber nur Blauen Dunst:
Im Wahlkampf forderte Timoschenko eine Verfassungsreform, ein großes Wirtschaftskonzept sowie einen Friedensplan für den Donbass.
Man muss zu bewussten und wesentlich informativeren Medien im Internet wechseln, um zu erfahren, dass Timoschenko das "Minsker Abkommen" ablehnt und stattdessen, unter Berufung auf das "Budapester Memorandum", eine Berufsarmee schaffen und sofort der NATO beitreten will. Von einem Wirtschaftskonzept ist nichts zu finden, es sei denn, man versteht darunter das populistische Versprechen, die Gaspreise für die Bevölkerung um die Hälfte zu senken. Mit keiner Silbe vermittelt ARD-aktuell, wie jämmerlich die Wahlen voraussichtlich ausgehen werden und wie wenig Rückhalt alle Kandidaten in der Bevölkerung haben. Die "Nr. 1", Timoschenko, liegt mit gerade einmal 18 Prozent Zustimmung an der Spitze des Kandidatenfeldes. Eine Klatsche für alle Westler, die diese Type als demokratische Heilsbringerin bejubeln; sie und ihre Mitbewerber stellen sich als Rohrkrepierer heraus.
Dass ARD-aktuell keine Umfragewerte nennt, ist notwendiger Teil des Propagandakrieges: Der deutschen Bevölkerung soll verborgen bleiben, dass der von Merkel und Steinmeier unterstützte Putsch vor fünf Jahren weder Demokratie noch Wohlstand gebracht hat, sondern die Bevölkerung ins Elend stürzte – und den Faschisten und Neonazis Tür und Tor öffnete. Gewonnen haben die reichen Spekulanten und Kriegsgewinnler des Westens sowie ihre ukrainischen Statthalter: Präsident Poroschenkos Einkommen stieg allein im vorigen Jahr angeblich um das 82-Fache. Verloren haben die ukrainischen Bürger. Zwar behauptet die Tagesschau ebenso unverdrossen wie verschleiernd und verlogen, "Wirtschaftlich entwickele sich das Land nur langsam, es hänge von ausländischem Geld ab",
aber von (positiv zu verstehender) Entwicklung in der Ukraine kann keine Rede sein. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, wie sehr ARD-aktuell beschönigt und fälscht: Das ukrainische Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist pro Kopf der Bevölkerung in den Jahren seit 2013 (Vertreibung Präsident Janukowitschs) bis 2017 von 4.000 auf 2.600 US-Dollar gesunken. Die Staatsverschuldung hat sich im selben Zeitraum nahezu verdoppelt, von 40 Prozent auf 78 Prozent des BIP. Die Inflationsrate lag 2013 noch bei minus (!!) zwei Prozent; seit den "Segnungen" des Maidan ist der jährliche Geldwertverlust zweistellig. 2018: elf Prozent. Die Arbeitslosenstatistik zeigt seit 2013 eine Zunahme von zwei Prozent auf neun Prozent, wobei erschwerend zu berücksichtigen ist, dass die Bevölkerung inzwischen wegen der Armutsflucht um drei Millionen abgenommen hat.
Im Osten wehrt sich das Land seit 2014 gegen prorussische Separatisten, hinter denen sich die russische Militärmacht verbirgt.
Stärker verfälschend lässt sich die politische Situation nicht darstellen. Es verhält sich genau umgekehrt, die zeitgeschichtlichen Archive dokumentieren es: Die ostukrainische Bevölkerung, mehrheitlich ethnische Russen, wehrte sich gegen den Maidan-Putsch und muss seitdem erdulden, dass Poroschenko eine militärische Attacke nach der anderen gegen sie führen lässt. Er verweigert ihnen die Autonomie, obwohl sie im Minsker Abkommen verankert ist, und sabotiert ohnehin alle Auflagen dieses Abkommens systematisch. Nicht Putin hat unerfüllte Pflichten aus "Minsk II", wie vom Westen ständig behauptet, mit Sanktionen belegt und von der Tagesschau bei jeder Gelegenheit weitergetratscht, sondern Poroschenko ist der Friedensverräter. Diese klarstellende Information unterlässt ARD-aktuell konsequent. Die Tagesschau versteigt sich sogar zu dieser Geschichtsklitterung: "Trotz des Moskauer Drucks hat sich die Ex-Sowjetrepublik in den Jahren unter Poroschenko stabilisiert und eine Reihe von Reformen durchgeführt."
Richtig ist, dass Poroschenko wie besessen versucht, die Verbindungen der OstUkrainer zu Russland zu kappen (bis zur Spaltung bezüglich der Landessprache und der orthodoxen Kirche), ein Hohn auf alle Stabilitätsbestrebungen. Auch die Förderung faschistischer Umtriebe, der Selbstjustiz neonazistischer Todesschwadronen, die Provokationen im Asowschen Meer, die Verklärung des Massenmörders und Nazi-Kollaborateurs Bandera zum Nationalhelden und die Verhängung des Kriegsrechts über die Ostukraine zeigen, dass das gepeinigte Land von Normalität und Stabilität weit entfernt ist. ARD-aktuell sorgt mit Propaganda und Halbwahrheiten dafür, dass die deutsche Öffentlichkeit den Maidan-Putsch bis heute nicht als üblen Schachzug US-amerikanischer Geostrategen gegen Russland begreift. Die Verlogenheit der Berichterstattung (und der Nicht-Berichterstattung!) ist zwar durchaus spür- und belegbar, aber kritischer Instinkt beim Medienkonsum beginnt in der Bundesrepublik erst, sich zu entwickeln.
Als kleine Fördermaßnahme für Nachdenkliche sei hier – und im Unterschied zur Tagesschau-Praxis – die Frage aufgeworfen, wie Berlin und Brüssel es wohl rechtfertigen könnten, dass die Ukraine nun schon wieder 4,5 Milliarden Euro aus Steuermitteln erhalten soll. Milliarden für ein ukrainisches Regime von korrupten Oligarchen – und nicht beispielsweise für die acht Millionen Mitmenschen in Armut, die unterversorgten Kinder, Alten und Vergessenen in unserem eigenen Land.
Unter wahrhaft republikanischen Verhältnissen wäre so viel Regierungskriminalität ein Fall für den Bundesrechnungshof – und anschließend für die Strafjustiz. Aber von republikanisch-demokratischen Verhältnissen sind auch wir in Deutschland meilenweit entfernt.
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Das Autoren-Team:
Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975-2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.
Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Journalist. 1975-1996 im NDR, zunächst in der ARD-Tagesschau, nach 1991 in der NDR-Hauptabteilung Kultur. Danach Lehr- und Forschungsauftrag an der Fu-Jen-Uni Taipeh.
Anmerkung der Autoren:
Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die "mediale Massenverblödung" (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden auf der Seite https://publikumskonferenz.de/blog dokumentiert.