Ein Kommentar von Damian Wilson
Bei den Überschwemmungen, die die deutschen Bundesländer Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen dieses Jahr trafen, starben mehr als 180 Menschen. Und die Welt war schockiert darüber, dass eine der am besten organisierten Nationen der Welt von "Mutter Natur" dermaßen kalt erwischt werden konnte. Als das Wasser zurückwich, lag der Schaden allein in NRW bei rund 13 Milliarden Euro. Und obwohl es sicherlich viele Lehren aus der Katastrophe zu ziehen gibt, scheint sie vor allem die Landesregierung dazu veranlasst zu haben, in ihrer Katastrophenplanung einen Gang höher zu schalten. Sie will so wohl verhindern, bei einer erneuten Katastrophe wieder auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Das solle nie wieder vorkommen. Also bereitet sich die Bevölkerung Nordrhein-Westfalens probeweise auf die Apokalypse vor, indem sie an der Übung "Blackout" teilnahm – so der knackige Namen für den "Landesweiten Katastrophenschutztag NRW 2021" – um zu üben, wie man sich im Katastrophenfall verhalten soll, wenn man überleben will.
Zyniker könnten den Katastrophenschutztag als eine kalkulierte PR-Nummer einer Regierung bezeichnen, die unter Druck steht, einer demoralisierten, von Pandemie und Lockdowns ermüdeten Öffentlichkeit zu versichern, dass sie die Situation voll im Griff hat, jetzt wo die Nächte länger werden und die Temperaturen zu sinken beginnen. Und diese Zyniker könnten sogar Recht haben. Aber ich bin wohl nicht der einzige Mensch, dem die Vorstellung schwerfällt, wie sich eine andere Nation auf Erden die Vorbereitung auf solche katastrophalen Großereignisse als einen unterhaltsamen öffentlichen Tag für die ganze Familie organisieren lässt.
Auf dem Bonner Münsterplatz gab es ein volles Unterhaltungsprogramm mit Vorführungen und Rettungssimulationen der Einsatzkräfte, Vorträge zu Themen wie "Alle sind willkommen im Bevölkerungsschutz", herzliche Worte des Bonner Oberbürgermeisters, Reden verschiedener Würdenträger und sogar eine improvisierte Comedy-Show mit freundlicher Unterstützung des Improvisationstheaters Springmaus.
Lachen Sie sich durch die Apokalypse! Und wenn Sie es nicht zum Veranstaltungsort schaffen – keine Sorge: Sie können sich alles per Live-Stream nach Hause holen. Es sei denn, der Strom fällt aus. Staatliche Stellen haben eine auffällige Broschüre herausgegeben, komplett geschmückt mit blau-schwarzem Absperrband, in der man Tipps findet, wie man vielleicht Armageddon überlebt, wann man das Telefon besser nicht benutzen soll, wie man mobil bleiben kann. Dazu gibt es ein Quiz, mit dem man schon einmal durchspielen kann, wie lange man selbst überleben würde, wenn die Dinge beginnen, bergab zu gehen.
Es gibt sogar ein Video, mit dem Rentner instruiert werden, wie sie einen kühlen deutschen Abend überstehen können, sollte lediglich die Heizung ausfallen. Ich habe das Quiz durchgespielt – und mein Resultat fand ich gar nicht gut. Meine Ergebnisse lieferten die Einschätzung: "Im Notfall haben Sie möglicherweise ein ernsthaftes Problem. Sie sind noch nicht wirklich gut vorbereitet und das kann bei einem Stromausfall unangenehm werden." Unangenehm? Unangenehm, etwa so wie "tot"? Und um zusätzlich noch etwas Salz in diese Wunde zu streuen, baut (wie rührend!) eine Oma in einem kuscheligen Video ein geniales Heizgerät – ganz einfach aus Terrakotta-Blumentöpfen und mit einem halben Dutzend Teelichtern, um damit ihre Hände warm zu halten.
Zweifellos hat sie bereits ein Taschenradio mit Handkurbel und die Taschenlampen unter der Küchenspüle bereit gelegt, die Reifen ihres Fahrrads hat sie doch hoffentlich aufgepumpt, einen Vorrat an Trinkwasser hinter dem Sofa deponiert und ein Notfall-Smartphone mit voll aufgeladenem Akku immer griffbereit – alles Vorschläge aus der Broschüre. Jetzt kann sie sich zurücklehnen und noch etwas entspannen, denn dieser Vorrat sollte sie hoffentlich durchhalten lassen, bis der Strom wieder da ist. Es sei denn, sie wird zuvor von einem hungrigen, vagabundierenden Mob entdeckt, der beschließt, sie in sein Abendessen zu verwandeln.
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Übersetzt aus dem Englischen.
Damian Wilson ist ein britischer Journalist, ehemaliger Herausgeber in der Fleet Street, Berater der Finanzbranche und Sonderberater für politische Kommunikation in Großbritannien sowie der EU.
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