von Damian Wilson
Es muss etwas mit all diesen Studiolampen zu tun haben, der ungeteilten Aufmerksamkeit des Publikums und der schieren Macht, Vermittler zwischen dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und der Weltpresse zu sein, der ganz normale Menschen in machtbesessene Monster verwandelt. In Mitarbeiter, die bereit sind, alles zu sagen oder alles tun, um zu verhindern, dass Dreck am Stecken des Arbeitgebers kleben bleibt.
Während der turbulenten Präsidentschaft von Donald Trump gaben sich vier Personen das Rednerpult des Pressesprechers in die Hand: Es gab das "Kaninchen vor der Schlange", Sean 'Spicy' Spicer, die überraschend stabile Sarah Sanders, die fast zwei Jahre durchhielt, Stephanie Grisham, die es schaffte, bei Verstand zu bleiben, indem sie während ihrer 10-monatigen Tätigkeit im Job nie eine Pressekonferenz abhielt, und schließlich, direkt von der Fox News Casting-Zentrale, der Hitzkopf aus Florida, Kayleigh McEnany.
Letztlich müssen wir auch den schrulligen Anthony 'The Mooch' Scaramucci mit seinem schmutzigen Mundwerk loben, der zehn wundervolle Tage lang als Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses mit seinen Auftritten im Stil von "Goodfellas trifft auf den Wolf der Wall Street" vom Podium herab die Welt begeisterte.
Aktuell ist die 42-jährige Jen Psaki die letzte Pressesprecherin des Weißen Hauses, die anscheinend alle Tassen im Schrank verloren hat. Die 34. Inhaberin dieses Postens wird zu Recht wegen ihrer hochrangigen Heuchelei im Umgang mit Journalisten kritisiert, wenn diese unbequeme Fragen über ihren Chef stellen. Vor zwei Jahren, als diese Wildhüterin noch eine Wilddiebin war, machte sie als Expertin auf CNN klar, dass sie sich für die Veröffentlichung einer Abschrift eines Telefongesprächs zwischen dem damaligen Präsidenten Donald Trump und dem Präsidenten der Ukraine Wladimir Selenskij ausspricht, nachdem in Geheimdienstkreisen eine Beschwerde über dieses Telefongespräch intern laut wurde.
Psaki witterte damals Blut und twitterte begeistert: "Es geht nicht nur um das Gesprächsprotokoll. Die interne Beschwerde beinhaltet wahrscheinlich mehr Details. Wir brauchen beides, nicht nur das Gesprächsprotokoll." Das Weiße Haus veröffentlichte anschließend das Protokoll, aber der Sturm war schon weitergezogen.
Heute, wo Psaki knietief in einem weiteren durchgesickerten Gesprächsprotokoll steht, scheint seltsamerweise ihr Appetit auf die Wahrheit etwas nachgelassen zu haben.
Diejenigen, die auf die vollständigen Abschriften des privaten Gesprächs zwischen US-Präsident Joe Biden und dem afghanischen Präsidenten Ashrafi Ghani drängen, das im Vorfeld der Übernahme von Kabul durch die Taliban geführt wurde, werden vom Sprachrohr des Weißen Hauses mit einem unaufrichtigen "Hier gibt es nichts zu sehen, Leute" abgespeist. Aber es gibt etwas zu sehen. Biden drängte laut den von Reuters erhaltenen Abschriften Ghani dazu, die Welt über den Erfolg des Kampfes seiner Nation gegen die islamistischen Extremisten zu belügen. Biden sagte Ghani: "Ich muss Ihnen nicht sagen, wie weltweit und in Teilen Afghanistans meiner Meinung nach die Dinge im Kampf gegen die Taliban nicht gut laufen. Und es besteht die Notwendigkeit, ob es wahr ist oder nicht, ein anderes Bild zu projizieren."
"Ob es wahr ist oder nicht." Das klingt verdächtig. So, als ob Biden sein Gegenüber zum Schwindeln auffordern würde. Sicherlich sollte Psaki genauso empört sein wie die Journalisten, die nach der Wahrheit fragen, ob der Präsident versucht hatte, einen anderen Staatsführer zu manipulieren, damit dieser einer falschen Erzählung zustimmt. Jeder, der die Situation verfolgt, würde zu der Einschätzung kommen, dass diese Täuschung von Biden inszeniert wurde, damit er die US-Truppen wie versprochen abziehen konnte, ohne dass es den Anschein hatte, als würde er verschwinden und einen ehemaligen Verbündeten wehrlos zurücklassen. Was dann aber tatsächlich geschah, war, dass 13 US-Soldaten dabei ums Leben kamen.
Das ist peinlich für Biden. Aber es ist gut für ihn, dass er Psaki hat, die die neugierige Presse ablenkte und sagte: "Ich werde nicht auf private diplomatische Gespräche eingehen oder mich auf durchgesickerte Abschriften von Telefongesprächen einlassen." Was sie wirklich meinte, ist, dass sie von diesem Präsidenten keine Abschrift eines vernichtenden Gesprächs verlangen wird. Denn diesmal ist er derjenige, der ihr Gehalt zahlt. Vielleicht würde die Presse sie in Ruhe lassen, falls sie nur offen zu ihrem Sinneswandel steht? Wahrscheinlich nicht. Jedenfalls ist ein Wendehals in ihrem Job eine Voraussetzung. Somit ist die Wahrheit das Einzige, was zu Schaden gekommen ist. Und das ist in Ordnung, nicht wahr?
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Damian Wilson ist ein britischer Journalist, ehemaliger Herausgeber in der Fleet Street, Berater der Finanzbranche und Sonderberater für politische Kommunikation in Großbritannien sowie der EU. Übersetzt aus dem Englischen.
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