von Damian Wilson
Als vier bösartige Pädophile vergangene Woche ihre Haftstrafen antraten, nachdem sie für schuldig befunden worden waren, Teil des größten jemals in Deutschland aufgedeckten Netzwerks von Kindesmissbrauch zu sein, warnte eine der unermüdlichsten Aktivisten des Landes davor, dass sexueller Missbrauch von Kindern epidemische Ausmaße annehme. Die Aktivistin Julia von Weiler vom deutschen Zweig der globalen NGO "Innocence in Danger" sagt, die Schätzungen der WHO, wonach eine Million deutsche Kinder sexuelle Gewalt erlitten haben, seien viel zu niedrig.
Das Problem der Behörden bei der Zusammenstellung von Zahlen ist die hohe Zahl von nicht gemeldetem Missbrauch. "Die vom Bundesfamilienministerium finanzierte Mikado-Studie hat vor einigen Jahren herausgefunden, dass zwei Drittel der Opfer von Kindesmissbrauch sich niemandem anvertrauen und ihr erlittenes Trauma niemals preisgeben. Die Studie hat auch aufgezeigt, dass nur ein Prozent der Missbrauchsfälle der Polizei und/oder der Jugendhilfe gemeldet werden", sagt sie. "Wenn wir also dieses eine Prozent als Basiswert nehmen, dann ist die Eine-Million-Schätzung der WHO eigentlich ein eher niedriger Wert."
Ihre 30-jährige Erfahrung auf diesem Gebiet zeige, so von Weiler, dass Kindesmissbrauch weit verbreitet sei, nicht nur sexuelle Gewalt, sondern auch "digitaler" Missbrauch, der über Telefon- oder Computervideos stattfindet, ohne dass sich der Täter oder das Opfer im selben Raum befinden. "Unsere Schätzung ist, dass in jedem deutschen Klassenzimmer zwischen zwei und vier Kinder missbraucht werden, nicht nur durch schweren, schrecklichen sexuellen Missbrauch, sondern auch durch die Überschreitung digitaler Grenzen."
Diese digitalen Grenzen erweisen sich für die Ermittler der Polizei als höchst problematisch. Im jüngsten Fall in Münster beschlagnahmten sie Festplatten mit mehr als 500 Terabyte Videos und Fotos von Kindesmissbrauch. Allein deren professionelle Sichtung kann gut und gerne 30 Jahre dauern.
Der 28-jährige Anführer des Netzwerks – nur bekannt als Adrian V. – wurde zu 14 Jahren Haft verurteilt, seine drei Komplizen erhielten jeweils zwischen zehn und zwölf Jahren. Das Gericht erfuhr, dass alle vier ihre eigenen kleinen Söhne in ein kleines Haus auf einem belebten Gartengrundstück brachten, um sie dort von anderen missbrauchen zu lassen. Video- und Fotomaterial davon wurden später online verkauft.
Dies ist der zweite aufsehenerregende Missbrauchsfall in Nordrhein-Westfalen innerhalb von weniger als einem Jahr, nachdem im vergangenen Oktober ein Mann für schuldig befunden wurde, seine kleine Tochter sexuell missbraucht und die Taten gefilmt zu haben, um die Videos später online zu teilen. Dieser Fall folgte einem Prozess im Jahr 2019 im selben Bundesland, in dem zwei Männer für mehr als 450 Übergriffe auf Jungen und Mädchen im Alter von drei bis 14 Jahren über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren verurteilt wurden. Die meisten von ihnen wurden auf einem Campingplatz in Lügde vergewaltigt.
"Dieser Fall war ein Wendepunkt", sagt von Weiler. "Innenminister Herbert Reul hat sich tatsächlich einige der Inhalte angesehen, die diese Männer produziert hatten, und sagte: 'Oh mein Gott! Das ist eine Epidemie'."
Während die deutschen Behörden auf die Idee kommen, dass Kindesmissbrauch nicht nur sexuelle Gewalt betrifft, sondern auch der digitale Aspekt ein wichtiges Thema ist, wird es so lange weitergehen, bis das Tabu gebrochen wird, wer die tatsächlichen Täter sein könnten.
Im jüngsten Fall befand sich das Gartenhaus, in dem die Misshandlungen stattfanden, am Vordereingang eines belebten Kleingartens. Es war von einer Anzahl von Hightech-Überwachungskameras umgeben. Normalerweise sieht man derartiges nicht zwischen den Reihen ordentlich gepflegter Gemüsegärten und Gartenhäuser. Trotzdem schien das niemandem seltsam aufgefallen zu sein, da sich niemand gern dem Gedanken hingibt, mit oder neben einem Kinderschänder zu leben. Väter, Brüder, Onkel, Freunde der Familie. Es ist unangenehm.
"Wir müssen uns befähigen, das Undenkbare zu denken", sagt Julia von Weiler. "Wir müssen uns für diese Möglichkeiten öffnen, und dann müssen die Gesellschaft und die Politik ein System und eine Struktur aufbauen, die damit umgehen können. "Es erfordert Mut, jemanden anzuzeigen, der in der Nähe von Kindern einfach seltsam erscheint. Aber es ist dieser Mut in jedem von uns, den wir finden müssen. Wir müssen uns professionalisieren, wir müssen Kindergartenpädagogen, Schullehrer und Sporttrainer befähigen, zu erkennen, wann Kinder Hilfe brauchen. Wir wissen, dass dies nicht einfach ist, aber das ist es, was getan werden muss. Es ist eine fortlaufende Arbeit, die morgen nicht beendet sein wird."
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Damian Wilson ist ein britischer Journalist, ehemaliger Herausgeber in der Fleet Street, Berater der Finanzbranche und Sonderberater für politische Kommunikation in Großbritannien sowie der EU.
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