von Dagmar Henn
Karl Lauterbach scheint immer für einen Lacher gut. Übertreibungen und irrwitzige Vorschläge purzeln dem Ritter von der hageren Gestalt in jeder Talkshow von den Lippen, dass einem schwindlig wird, und die nächste Ankündigung eines Weltuntergangs ist nie weit entfernt.
So hat er noch eins draufgelegt auf die kursierenden Pläne, Ungeimpfte demnächst nur noch nach Schnelltests in den Supermarkt zu lassen, und gefordert, wenn die Inzidenzwerte höher seien, müsse es schon ein PCR-Test sein. Die Unverschämtheit, dem armen Teil der Bevölkerung (zu dem Lauterbach nicht gehört) diese Tests, die ja nicht zum Wohle des Getesteten stattfinden, aufzubürden, ging ihm wohl nicht weit genug. PCR-Tests sind richtig teuer. Da kann man dann bei Hartz IV darüber nachdenken, ob man testen oder essen will.
Ach ja, beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat er sich auch noch bedankt. Weil der CDU-Politiker Maaßen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts kritisiert hat, das die Erhöhung des Zwangsbeitrags für rechtens erklärte. "Der ÖRR hat uns, zusammen mit anderen Qualitätsmedien, in der Corona-Krise im Vergleich zu anderen Ländern massiv geholfen."
Man könnte glauben, das "uns" in seinem Satz sei der Pluralis Majestatis; eitel genug ist Lauterbach dafür. Oder man könnte glauben, er meine damit sich und quasi als Dreingabe die Bundesregierung. Aber wenn man ihn genauer betrachtet, könnte er noch etwas anderes meinen mit dem "wir": den medizinisch-industriellen Komplex.
Das klingt nach militärisch-industriellem Komplex, und nicht von ungefähr. Gemeint ist das ganze Bündel von privaten Klinikkonzernen (bei den Rhön-Kliniken saß Lauterbach von 2001 bis 2013 im Aufsichtsrat) über die Hersteller medizinischer Großgeräte bis hin zur pharmazeutischen Industrie (Lauterbach sitzt für den Bayer-Wahlkreis Köln-Leverkusen im Bundestag).
Als Lauterbach in der deutschen Politik auftauchte, war er ein Novum. Er hatte in den USA nach einem Medizinstudium in Gesundheitsmanagement promoviert; ein Studiengang, der in dieser Form im weitgehend öffentlichen Gesundheitswesen Deutschlands gar nicht existierte. Es geht schließlich darum, wie man ein Krankenhaus so managt, dass es maximalen Gewinn abwirft.
Mit dieser Expertise durfte Lauterbach die unter Bundeskanzler Gerhard Schröder amtierende Gesundheitsministerin Ulla Schmidt beraten; die Fallpauschalen, die seitdem die öffentlichen Kliniken in Schwierigkeiten bringen, weil sie die Löhne des Personals schlechter drücken können, sind auch auf Lauterbachs Mist gewachsen.
Zuvor war er öffentlich nur mit einer Studie über Lipobay aufgefallen, ein Medikament, das Bayer wegen mehrerer Todesfälle 2001 vom Markt nehmen musste. Lauterbach zumindest hatte an der Studie 800.000 Euro verdient.
Noch unter Schmidt veröffentlichte er 2004 eine Studie, nach der mindestens ein Drittel aller Röntgenuntersuchungen überflüssig sei. Diese Studie wurde von den Medien breit aufgenommen und trug dazu bei, Veränderungen wie die Fallpauschale durchsetzbar zu machen. Aber letztlich musste sich Lauterbach sogar für wissenschaftliches Fehlverhalten entschuldigen. Die Studie war mangelhaft.
Der Gedanke, dass überflüssige Leistungen erbracht würden, die man unter Kontrolle bringen müsse, weil die Kosten des Gesundheitssystems sonst zu hoch würden, war aber schon gesetzt. Und wie bei den meisten politischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte muss man hier klar zwischen der gelieferten Rhetorik und dem tatsächlichen Ergebnis unterscheiden. Kaum jemand erinnert sich noch daran, dass das Elendspaket Hartz IV sogar als Verbesserung für die Arbeitslosen verkauft worden war, ehe sie dann ein Jahr später vom durchführenden Minister Wolfgang Clement pauschal zu Parasiten erklärt wurden.
Wenn jemand von Einsparungen im Gesundheitswesen redet und in den USA im "Gesundheitsmanagement" ausgebildet wurde, wo das Gesundheitssystem weltweit am teuersten und für große Bevölkerungsteile schlicht nicht zugänglich ist, sollte das Skepsis wecken. Wenn man die Biografie des Karl Lauterbach betrachtet, gibt es immer einen Gewinner bei den Maßnahmen, und das ist nicht die Bevölkerung. Er ist der Spitzenlobbyist für die Klinikkonzerne.
Da war es nur konsequent, dass er 2005 selbst in den Bundestag ging. 2007 forderte Lauterbach die Einführung eines Zwangs zur Riester-Rente. Diese privat abzuschließende Zusatzversicherung war von Anfang an Gegenstand heftiger Kritik, weil an ihr vor allem die Versicherungswirtschaft verdiente.
Seit über 15 Jahren sieht sich Lauterbach als den naturgegebenen nächsten Gesundheitsminister und achtet sehr darauf, seinen Kopf oft genug in die Kameras zu halten. Bundestagsreden sind ihm wohl nicht wirkungsvoll genug; sein letzter Auftritt dort fand Anfang 2020 statt. Ausschusskollegen des Gesundheitsausschusses halten ihm seine ständige Abwesenheit vor.
Dem Fernsehpublikum bietet er das große Theater, und seine mit Inbrunst verkündeten Weltuntergangsszenarien sind mit Sicherheit auch komisch. Allerdings spielt er eine Rolle; er prescht immer wieder vor und erkundet das Terrain, aber die Bundesregierung kommt letztlich hinterdrein. Das, was dann tatsächlich getan wird, erweist sich immer als vorteilhaft für den medizinisch-industriellen Komplex.
Der Lobbyist Lauterbach erfüllt seine Rolle hervorragend; der bizarre Clown Lauterbach ist dabei nur Mittel zum Zweck. Während den Menschen dieses Landes zum Wohle der pharmazeutischen Industrie das Wasser bis Oberkante Unterlippe steht, schwimmt er immer oben, wie einst die braunen Schaumkronen der Industrieabwässer in der Emscher.
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