von Prof. Dr. Anton Latzo
US-Präsident Joe Biden hat die Linie seines Vorgängers Donald Trump in dem Sinne übernommen, dass er gegen China eine Allianz bilden will, in die unter Führung der USA die EU, Australien, Japan , Südkorea, Indien, Saudi-Arabien und andere Akteure des Mittleren Ostens einbezogen werden sollen. Dazu gibt es in den USA auch einen breiten parteiübergreifenden Konsens. Auf dieser Grundlage will Biden eine "vereinte demokratische Front" in der Region aufbauen. Das betrifft sowohl Südostasien als auch Zentralasien.
Schon Anfang Januar 2021 wurde ein Schritt unternommen, um die Position der USA in Zentralasien zu festigen. Die USA, Kasachstan und Usbekistan kündigten am 7. Januar an, eine Investitionspartnerschaft zu schaffen, und luden andere Staaten der Region zum Beitritt ein. Noch vom damaligen Außenminister John Kerry im Jahr 2015 – als Joe Biden Vizepräsident war –eingeleitete diplomatische Konsultationen sollen sich in konkreten gemeinsamen Projekten in den Bereichen Energie, Verkehr, Infrastruktur, Landwirtschaft, Handel, Gesundheit und Förderung des Privateigentums konkretisieren. Man wolle "starke unabhängige Märkte" schaffen, damit die Republiken "wirtschaftlich nicht von einem Land abhängig sind".
Es geht also gegen die Positionen Chinas und Russland in der Region, aber auch gegen die Integrationsinitiativen wie die Eurasische Wirtschaftsunion und Chinas Strategie der Seidenstraße ("One Belt – One Road", OBOR).
Für Biden ist es wichtig, die Umsetzung der chinesischen OBOR-Strategie zu verhindern. In Zentralasien soll die Spannung aufrechterhalten werden. Offen provokative Maßnahmen sollen die hohe Autorität der Volksrepublik China auf internationaler Ebene untergraben und die Interessen des Landes in lebenswichtigen Regionen beeinträchtigen. Die Aktivitäten der USA zur Schaffung und Aufrechterhaltung eines China feindlichen außenpolitischen Umfelds werden ebenso fortgesetzt, wie die Versuche, China in regionale Konflikte zu verwickeln und es so weit wie möglich zu schwächen.
Die Festigung des Bündnisses zwischen China und Russland, die Seidenstraße durch den mittleren Osten bis ins Zentrum Europas, chinesische Innovations-, Investitions-, Wirtschafts- und Handelspolitik und zunehmend auch militärische Faktoren werden immer wirksamer gegen die Hegemonialpolitik der USA in Asien, Afrika und in Europa wirksam.
Die Volksrepublik beweist ihre vielfältigen Fähigkeiten, die auf einem großen Staatsvermögen aufbauen, während die USA die inneren Krisen des Systems bewältigen müssen.
Trotzdem zeigt die Biden-Regierung bisher keine Bereitschaft, dem im Sinne einer konstruktiven Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil und zur Herstellung und Festigung der internationalen Sicherheit und des Friedens Rechnung zu tragen. Deshalb sind die Beziehungen zwischen den USA und China in bisher nicht vorhandene Schwierigkeiten geraten. Die chinesische Seite spricht sogar von einem "Scheideweg".
China sei bereit, den Dialog wieder aufzunehmen, "mit den Vereinigten Staaten eine Beziehung aufzubauen, die auf Kooperation, Zusammenarbeit und Stabilität beruht". Die USA müssten allerdings "das vom chinesischen Volk gewählte Sozialsystem und den Entwicklungspfad sowie seine legitimen Rechte auf ein besseres Leben respektieren". Der richtige Weg sei "die ständige Selbstverbesserung" und "nicht die Blockierung der Entwicklung anderer", so der Außenminister Chinas.
China als strategischer Konkurrent und Bedrohung
Ausgehend von den bisherigen Erklärungen, behandeln die USA China als strategischen Hauptkonkurrenten. Sie sprechen sogar von China als "Bedrohung". Die im "Atlantic Council" der USA versammelten Kräfte wiesen in ihrem neuesten Bericht (sog. "Langes Telegramm") darauf hin, dass das aufstrebende China "die wichtigste Herausforderung für die USA" im 21. Jahrhundert sei.
Größte Geldgeber des Council sind u.a. die Waffenproduzenten Raytheon, Lockeed Martin, Northrop Grumman und Boeing. Im Direktorium sitzen u.a. Henry Kissinger, Colin Powell und Condoleeza Rice, hochrangige Militärs wie die Generäle Wesley Clark, David Petraeus, James Mattis sowie sieben ehemalige CIA-Direktoren. Alle sind auch für Präsident Biden "alte Bekannte". In ihrem Bericht weisen sie darauf hin, dass die USA "die Macht ihres Militärs", die Rolle des Dollars als Reservewährung und die amerikanische Kontrolle über die Technologie und Kommunikation nutzen müssen, um China einzudämmen. Wichtig sei die Region des Südchinesischen Meeres. Ein Rückzug der Vereinigten Staaten würde eine nationale "Demütigung" für die USA bedeuten.
Verwiesen wird auch auf das Ziel einer Entmachtung des Präsidenten Xi Jinping, den Biden im Interview mit CBS Ende Januar 2021 als "sehr grob" und als einen Menschen charakterisierte, der "keine Unze Demokratie in sich hat". China sei der strategische Gegner Nr. 1 der USA und die hauptsächlichste Provokation auf der internationalen Bühne. Er wolle nicht wie Trump vorgehen, "aber es wird einen extremen Wettbewerb geben", so Biden. Mitglieder seines Teams haben schon während des Wahlkampfes darauf hingewiesen, dass "der größte Teil (!) des Wettbewerbs zwischen den USA und China wird nicht im dritten Weltkrieges ausgetragen" (Financial Times). Andere forderten einen weltweiten Kulturkrieg gegen Peking, darunter auch das Pentagon.
Auf jeden Fall soll die Volksrepublik China mit Macht und Gewalt als Konkurrent und Gegner sowohl im zunehmenden Systemwettbewerb als auch im Ringen um eine neue multipolare Ordnung in der Welt, in der eine neue Machtbalance herbeigeführt werden soll, geschwächt beziehungsweise nach Möglichkeit völlig ausgeschaltet werden. Die USA haben die Veränderungen im weltpolitischen Machtgefüge zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch immer nicht verarbeitet. Die mittlerweile schon fast krankhafte Abneigung gegenüber China, die in den Medien gepflegt wird, hängt offensichtlich auch damit zusammen.
China will klaren Rahmen
China schätzt ein, dass die USA "eine fehlgeleitete Politik gegenüber China (verfolgten) und das (…) Verhältnis in die schwierigste Phase seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen (stürzten)". Peking ist der Ansicht, dass die USA einen Fehler begehen, wenn sie China als strategischen Konkurrenten und sogar als Feind einstufen. Das sei "historisch, fundamental und strategisch falsch. Bei Chinas Entwicklung geht es im Wesentlichen darum, das Leben seines Volkes zu verbessern. China ist dem Weg der friedlichen Entwicklung verpflichtet, einer Win-Win-Strategie der Öffnung und einer Entwicklung, die von allen Ländern geteilt wird, auch von den Vereinigten Staaten", so chinesische Vertreter.
China will "ein neues Modell der Beziehungen" (Xi Jinping) zu den USA aufbauen, um den niedrigsten Stand der Beziehungen zu überwinden, der seit der Herstellung der diplomatischen Beziehungen (1979) inzwischen erreicht wurde. Eine von den USA verfolgte Orientierung auf Konfrontation wird von China als ein unfruchtbarer Boden für Verbesserungen betrachtet.
Laut Außenminister Wang Yi ist ein klarer Rahmen notwendig, um das bilaterale Verhältnis wieder zu verbessern. Die USA sollten das in der UN-Charta verankerte Prinzip der souveränen Gleichheit respektieren und bereit sein, mit verschiedenen Systemen und Zivilisationen auszukommen, sich an eine friedliche Koexistenz anpassen und die Realität akzeptieren, dass sich die Welt in Richtung Multipolarität bewegt. Die USA müssten ihre Zielstellung aufgeben, China nach den Bedürfnissen der USA umzugestalten und in irrationaler Weise gegen Chinas legitime Rechte und Interessen vorzugehen. Ein offener Dialog sei die Voraussetzung für die Lösung von Problemen.
Die führenden chinesischen Vertreter betrachten es als gemeinsame Aufgabe von Peking und Washington, wesentlich dazu beizutragen, für die "ganze Welt ein Umgangsmodell der friedlichen Koexistenz mit Win-Win-Kooperation zwischen den beiden Großmächten aufzubauen", so Yang Jiechi, Leiter des Büros der Kommission für Auswärtige Angelegenheiten des ZK der KP Chinas.
Aussichten
Die USA und die anderen NATO-Mächte werden berücksichtigen müssen, dass sich die Bedingungen für die Durchsetzung dieses langfristig angelegten Konzepts der Volksrepublik China im Vergleich zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wesentlich verändert haben.
Da sind einerseits die ökonomischen und politischen Veränderungen in der Gesellschaft der USA und ihrer Verbündeten und die Zunahme sowie das offene Austragen der Widersprüche zwischen ihnen.
Wesentlich ist, dass sich China zu einer Wirtschaftsmacht entwickelt hat, die den USA nahezu gleichwertig gegenübertritt und eine entscheidende Rolle im Welthandel und auf dem Weltmarkt spielt. Diese Wirtschaft ist zugleich fest in der internationalen Arbeitsteilung verankert, wodurch eine starke Verflechtung und wechselseitige Abhängigkeit aller großen Industriestaaten entstanden ist. China verfügt inzwischen auch über ein wissenschaftlich-technisches Potenzial, um den USA hinsichtlich Innovationen Paroli zu bieten. Die chinesische Wirtschaft ist trotz Verflechtung weniger störanfällig, weil sie über einen großen und aufnahmefähigen Binnenmarkt verfügt.
Hinzu kommen das Bündnis mit Russland und die gemeinsam getragenen Aktionen in den internationalen politischen und ökonomischen Beziehungen. Auch durch die militärische Bedrohung durch Aufrüstung Taiwans und die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in asiatischen Staaten ist China nicht erpressbar.
Es ist anzunehmen, dass die USA versuchen werden, ihren Kurs über längere Zeit und eventuell auch mit erhöhter Intensität zu verfolgen. Sie können aber nicht mehr die internationale Ordnung als zentrale, allein prägende Macht bestimmen. Das ist jedoch noch nicht das Ende der USA als Weltmacht! Die nicht kriegerische Lösung muss in Reformen der internationalen Strukturen der internationalen Beziehungen gesucht werden, die den Erfordernissen von Frieden und Sicherheit aller Staaten und Völker gerecht werden. Die Beziehungen zwischen China und den USA sind ein Schlüssel dafür.
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