Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat sich am Freitag dafür ausgesprochen, das Recht auf Verwendung von Bargeld in der österreichischen Verfassung zu verankern, wie er gegenüber Medienvertretern, unter anderem der österreichischen Nachrichtenagentur APA, erklärte. Darüber berichtete Reuters, jedoch in tendenziöser Weise.
Framing
Die politische Forderung, darauf machte der renommierte Wirtschaftsjournalist Norbert Häring aufmerksam, wurde von der Nachrichtenagentur Reuters umgehend als "rechtsextrem" klassifiziert. Dabei ging die einstmals angesehene Londoner "Nachrichtenagentur" (Häring setzt diese Bezeichnung in Anführungszeichen), die inzwischen zum kanadischen Thomson-Reuters-Konzern gehört, nach typischer Framing-Manier vor.
So wurde kurzerhand bereits in der Überschrift die Forderung, die Zahlungsmöglichkeit mit Bargeld zu erhalten, als "rechtsextrem" deklariert:
"Austrian leader backs far-right idea of enshrining cash in constitution"
Nehammer mache sich somit eine "rechtsextreme" Idee zu eigen. Rechtsextrem sei sie deshalb, weil sie seit Jahren von der – so das Framing von Reuters weiter – "rechtsextremen" FPÖ vertreten werde ("an idea the far-right Freedom Party has been pushing for years"), die überdies "einwanderungsfeindlich" ("anti-immigration") sei, wie die Agentur meint.
Norbert Häring kommentierte diese fragwürdige Berichterstattung folgendermaßen:
"Die 'Nachrichtenagentur' Reuters hat sich nicht entblödet, in einem englischsprachigen Beitrag über Österreich in der Überschrift (übersetzt) zu schreiben: 'Österreichs Regierungschef stellt sich hinter die rechtsextreme Forderung, Bargeld in der Verfassung zu verankern'."
Konstrukt
Den einzigen Anhaltspunkt, warum die Nutzung von Bargeld auf einmal "rechtsextremistisch" sein soll, sieht auch Häring in der konstruierten Verbindung zur FPÖ, die von Reuters eben mit dem Etikett "far-right", also "rechtsextrem" versehen wird. Häring weiter:
"Die Rechtfertigung für dieses absurd-manipulative Framing ist, dass der aktuelle Vorschlag des konservativen Kanzlers Karl Nehammer einer Garantie des Rechts auf Bargeldnutzung zuvor auch schon von der rechten Partei FPÖ gekommen war."
Mit spürbarer Verwunderung berichtet Reuters über die Alpenrepublik, dass (übersetzt) "die Österreicher (…) zu den bargeldliebendsten Nationen in der Eurozone" gehören. Offenkundig missbilligend stellt die Agentur fest, dass die Österreicher (übersetzt) "in Krisenzeiten, wie dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie, (…) die Banken gestürmt und zu Hause Bargeld gehortet" hätten. Viele Touristen seien "verblüfft" ("stunned"), wenn sie feststellten, dass einige Restaurants und Cafés keine Kartenzahlung akzeptierten.
Missglückte Diskreditierung
Seit den repressiven Corona-Maßnahmen ab 2020 sind die Pläne von vorwiegend westlichen Staaten, Zentralbanken und internationalen, aber nicht demokratisch legitimierten Institutionen in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, denen zufolge das Bargeld – selbstverständlich nur aus rein "hygienischen" Gründen – abgeschafft werden müsse.
Die FPÖ-Forderung nach Verankerung des Bargelds in der Verfassung wird von Reuters mit dem Hinweis abgetan, dass die Oesterreichische Nationalbank (die sich mit "Oe", nicht Ö schreibt) wiederholt beteuert habe, eine Abschaffung des Bargelds sei nicht geplant. Trotzdem sehe die FPÖ das Recht auf Bargeld und die Freiheit, anonym zu bezahlen, in Gefahr. Reuters unterstreicht, bisher habe Nehammers ÖVP diese Ansichten zurückgewiesen.
Prompt reagierte der FPÖ-Vorsitzende Herbert Kickl mit beißendem Spott (übersetzt):
"Schämen Sie sich nicht, auf diese Weise von der 'bösen und extremen' FPÖ Ideen zu klauen? Haben Sie denn keine eigenen vernünftigen Ideen?"
Der internationalen Nachrichtenagentur war offenkundig die Ironie von Kickls Stellungnahme entgangen, indem sie die Kritik an Nehammer als außergewöhnlich scharf darstellte. Reuters schrieb: "The FPO lambasted Nehammer for his U-turn on the issue", was etwa so zu übersetzen wäre: "Die FPÖ machte Nehammer für seine Kehrtwende in dieser Frage fertig." Denn sollte die ÖVP tatsächlich die Bargeld-Forderung aufgreifen, käme die FPÖ der Durchsetzung ihres Ziels einen Schritt näher. Gegenwärtig liegt die FPÖ in den Meinungsumfragen deutlich vor der ÖVP und der SPÖ.
Mit Erleichterung stellt Reuters denn auch fest, dass ÖVP und FPÖ gegenwärtig von den 183 Abgeordneten des Nationalrats zusammen nur auf gut 55 Prozent der Sitze kommen. Für Verfassungsänderungen sei jedoch eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Und die nächsten regulären Nationalratswahlen stünden erst im Herbst 2024 an.
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