Von August 2016 bis Mai 2019 war Marie L. Yovanovitch US-Botschafterin in Kiew, bevor sie zwei Monate vor dem geplanten Termin vorzeitig vom Außenministerium in Washington in die Vereinigten Staaten zurückbeordert wurde. Für die Demokraten stand umgehend fest, dass das ein "politisch motiviertes" Manöver des Präsidenten war, um "die amerikanischen Interessen zu schädigen und die amerikanische Diplomatie zu untergraben". Yovanovitch stand zu dieser Zeit im Zentrum eines politischen Skandals in der Ukraine, nachdem ihr der ukrainische Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko vorwarf, sich in die Justiz seines Landes einzumischen.
Nun steht die ehemalige Botschafterin wieder im Zentrum eines Skandals, allerdings dieses Mal als Zeugin. Sie sagte vor einer öffentlichen Anhörung im Amtsenthebungsverfahren gegen den Mann aus, der sie aus Kiew zurückholte und später auf Twitter beleidigte: US-Präsident Donald Trump.
In ihrer Aussage kam sie natürlich auch auf den Vorwurf Luzenkos zu sprechen, der seinerseits die Behauptung zurückzog, dass Yovanovitch ihm eine Liste mit Namen von Personen gegeben habe, gegen die die Staatsanwaltschaft nicht ermitteln sollte. Bei den anschließenden Frage- und Antwortrunde mit den Senatoren, die die Anhörung leiteten, blies sie stattdessen ihrerseits zum Gegenangriff und warf dem mittlerweile ehemaligen Generalstaatsanwalt Luzenko Korruption vor.
Das nahm Adrian Karatnycky, ein Fellow der NATO-nahen Denkfabrik Atlantic Council, zum Anlass, den Ukrainer zu verteidigen. Auf Facebook schrieb er:
Nachdem sie selbst Opfer einer Schmierkampagne war, ist es ironisch, dass sich Botschafterin Marie Yovanovitch selbst an einer Schmierenkampagne gegen den Maidan-Helden und ehemaligen politischen Gefangenen Jurij Luzenko beteiligt. Wenn sie Beweise für seine Korruption hat, dann sollte sie sie vorlegen.
Daraufhin meldete sich Luzenko zu Wort und antwortete auf diesen Post:
Sie lügt. Und ich habe Beweise.
Um welche Art von Beweisen es sich handelt, hat Luzenko nicht verraten. Aber dass ihn ein Fellow des Atlantic Council als "Maidan-Helden" bezeichnet und vor den Vorwürfen der Ex-Botschafterin in Schutz nimmt, zeigt, wie tief die USA seit dem Putsch im Februar 2014 im ukrainischen Sumpf stecken. Immerhin hatte Yovanovitch in einer Rede in Kiew im Frühjahr tatsächlich dazu aufgerufen, den Antikorruptions-Staatsanwalt der Ukraine zu entlassen. Damit beschritt sie lediglich denselben Weg wie Joe Biden, der Präsidentschaftsanwärter der Demokraten, der drei Jahre zuvor ebenfalls in Kiew den damaligen Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin aus dem Amt entfernen wollte.
Während eines Besuchs in Kiew drohte Biden ukrainischen Regierungsvertretern damit, einen zugesagten Kredit in Höhe von einer Milliarde US-Dollar zu verweigern, der das Land vor dem Bankrott bewahren sollte.
"In sechs Stunden fahre ich wieder zurück. Wenn der Generalstaatsanwalt bis dahin nicht gefeuert wird, kriegt ihr das Geld nicht", schilderte Biden den Vorfall bei einem Treffen des einflussreichen Council on Foreign Relations (CFR) im Januar 2018. Tatsächlich wurde der "Hurensohn" (O-Ton Biden) dann entlassen und durch einen "zuverlässigen" Kandidaten ersetzt.
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