"Durchwachsener Erfolg" - Pentagon-Studie zieht Bilanz von 70 Jahren globalen US-Umsturzversuchen

Während die Venezuela-Krise erneut den Sturz einer nicht genehmen Regierung zum Stadtgespräch in Washington macht, hat das US Special Operations Command eine Studie über den Erfolg oder Misserfolg von US-Einmischungen der vergangenen 70 Jahre veröffentlicht.

Wenige Nationen leisten sich Universitäten, die der "Kunst des Putsches" gewidmet sind. Es gibt aber auch nur wenige Nationen, die über eine solche tatsächliche "Erfahrung" mit Interventionen im Ausland verfügen, wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben die USA ihre militärische Macht in Dutzenden von Ländern zum Einsatz gebracht und haben sowohl Aufstände als auch eigene Regime Change-Operationen weltweit geführt oder unterstützt.

In einer 250-seitigen Studie der Joint Special Operations University in Florida befasste sich der Army-Veteran Will Irwin mit einer solchen Art von historischer Bilanz, um Aussagen über Erfolg oder Misserfolg der jeweiligen Einsätze treffen zu können.

Nachdem Irwin in der Studie "Unterstützung für den Widerstand: Strategischer Zweck und Effektivität" jene nackten Regierungsumstürze ohne nationale Widerstandsbewegungen (wie zum Beispiel jene im Iran 1953 oder in Guatemala 1954) beiseite gelegt hat, blieben ihm immerhin noch 47 weitere "Fälle" zur genaueren Untersuchung übrig.

Denn die Unterstützung für ausländische Widerstandsbewegungen wird in den USA überparteilich ohne wenn und aber gutgeheißen. Dazu stellt Irwin fest:

Selbst Präsidenten, die vor ihrer Wahl mit Abneigung auf solche Aktivitäten geblickt haben, fanden sich gezwungen, diese zu benutzen, nachdem sie im Amt waren.

Gibt es eine magische Erfolgsformel?

Aber selbst wenn es jeder Präsident tat und weiter tut, was macht nun einen Putschversuch tatsächlich zu einem erfolgreichen Putsch? Für einen ungeübten oder naiven Beobachter scheint die Bereitschaft der USA, sich immer wieder mit windigen "Widerstandskämpfern" abzugeben, von einer anhaltenden Unfähigkeit zu zeugen, aus der Vergangenheit zu lernen.

Jimmy Carter und Ronald Reagan haben beide die afghanischen Mudschahedin in ihrem Kampf gegen die Sowjets während der 1980er Jahre ausgerüstet, nur damit US-Truppen zwei Jahrzehnte später mit den selbst gelieferten Waffen beschossen werden. Diese Erfahrung konnte Barack Obama nicht davon abgehalten, vor wenigen Jahren handverlesene "moderate Rebellen" in Syrien zu bewaffnen. Wenig überraschend landeten am Ende viele dieser Waffen in den Händen von Dschihadisten von Al-Nusra (Al Qaida) und dem IS.

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Die Resultate der Studie sind bestenfalls "durchwachsen": Von den 47 untersuchten Fällen wurden 23 als "erfolgreich" eingestuft und 20 als Fehlschläge. Zwei Fälle waren "teilweise erfolgreich" und weitere zwei werden als "nicht eindeutig" bewertet.

Jene Versuche, bei denen die USA ganz unverhohlen eine Regierung stürzen wollten, scheiterten in 71 Prozent der Fälle, wie zum Beispiel bei der schlecht durchgeführten CIA-Operation in der "Schweinebucht" gegen Kuba. Hingegen war Versuchen, durch die Hintertür ausländische Regierungen auf US-Linie zu bringen, oft größerer Erfolg beschieden. In 75 Prozent der Fälle funktionierte diese Taktik, wie etwa unter den Regierungen von Carter und Reagan, als sie Contra-Rebellen in Nicaragua in den 1980ern unterstützen, um die linke Regierung des Landes zu zwingen, ihre Waffenlieferungen ins benachbarte El Salvador zu stoppen.

"Disruptive" Operationen, wie der 1948 gescheiterte Versuch, antikommunistische Tschetniks mit Fallschirmen heimlich nach Jugoslawien zu bringen, um dort Aufstände gegen die siegreichen Partisanen von Josip Broz Tito zu schüren, scheiterten in fast der Hälfte aller Fälle. Die serbischen Tschetniks fielen wortwörtlich den jugoslawischen Militärs in die Hände, die in der Landeregion mit gezogenen Waffen auf sie warteten.

Unabhängig von den verschiedenen Gründen für jegliche Operation fand Irwin heraus, dass jene, die unter "Kriegsbedingungen" stattfanden, doppelt so erfolgreich waren, wie jene, die eigentlich in Friedenszeiten durchgeführt wurden. Unterstützung für gewaltfreien zivilen Widerstand – gern als Farbenrevolutionen verbrämt – führte auch zu einem grundsätzlich besseren Ergebnis. Doch selbst dieses Vorgehen war dann "am effektivsten, wenn es in direkter Unterstützung einer Militärkampagne durchgeführt" wurde.

Langfristige Konsequenzen

Der Autor der Studie bewertete den Erfolg oder Misserfolg einer Intervention im Ausland anhand eines einfachen Kriteriums: Hat sie die strategischen Ziele erreicht, die die USA sich vorgenommen hatten?

Das bereits genannte Beispiel mit Afghanistan – oder auch Syrien – hat aber gezeigt, dass auch kurzfristige Siege langfristige Konsequenzen nach sich ziehen können. Die Niederlage der Sowjets in Afghanistan führte zum Aufstieg von kampferprobten und mit US-Waffen ausgestatteten Mudschahedin, von denen sich viele später den Taliban und Al Qaida anschlossen. Zwar trägt Will Irwin dieser Erkenntnis Rechnung, indem er erklärt, dass Interventionen und Regierungsstürze eher "unmittelbare und kurzfristige Angelegenheiten ansprechen, als langfristige Interessen." Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass die Erreichung der gesetzten strategischen Ziele höher bewertet wurden und offenbar bis heute werden, als unliebsame langfristige Konsequenzen.

Welche Lektionen kann nun eine Unbeteiligter aus dieser Studie lernen? Die Vereinigten Staaten von Amerika bieten – sehr diplomatisch formuliert – gegenwärtig dem selbsternannten Interimspräsidenten in Venezuela, Juan Guaidó, jede politische Unterstützung. Gemäß Irwins Definitionen und Sichtweisen unterstützt Washington überwiegend gewaltfreien zivilen Widerstand in Friedenszeit. Ein Ansatz, der erfahrungsgemäß erfolgreicher ist als direkte Guerilla-Kriegsführung, aber weniger effektiv, als wenn er mit einer militärischen Kampagne verbunden wäre.

Das bedeutet aber nicht, dass es in den USA keine Unterstützung für die "militärische Option" gibt. Außenminister Mike Pompeo, der Nationale Sicherheitsberater John Bolton und selbst Präsident Donald Trump haben immer wieder betont, dass "alle Optionen auf dem Tisch" liegen, um den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro zu stürzen.

Nachdem die "weiche" Unterstützung für Guaidó nicht zum gewünschten Ergebnis geführt hat und in Washington zunehmend schrillere Töne wegen Moskaus Rückendeckung für Maduro angeschlagen werden, stehen den USA noch viele Optionen offen, die Dinge in Venezuela eskalieren zu lassen. Und doch wären die "Falken" in Washington gut beraten, sich die Lektionen ihrer eigenen "Putsch-Universität" in Florida zu Herzen zu nehmen: Erfolg ist niemals garantiert, und kurzfristige Siege gehen einher mit langfristigen Konsequenzen.

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