Von Misión Verdad
Die USA machen andere Länder oder Akteure für verschiedene Aspekte ihrer internen Krise verantwortlich. Donald Trump behauptet, dass das illegale Fentanyl, das auf den Straßen seines Landes verkauft wird, einer der Hauptgründe für die hohen Handelszölle sei, die er gegen Kanada, China und Mexiko verhängt hat.
Der von dem Magnaten ausgelöste Handelskrieg dient anderen Interessen, die nichts mit Drogen zu tun haben. Zudem wurden die schlechten Zahlen für 2022 und 2023 durch Strafmaßnahmen übertüncht, die als Ablenkungsmanöver dienen. Sie sollen die strukturellen Schwächen verschleiern, die eine Gesellschaft zerstören, in der Sucht ein weiterer Fluchtweg und die Kommerzialisierung des Lebens eine schwer zu ertragende Realität ist.
Das immer gleiche Rezept: das Theater vom äußeren Feind
Im November 2023 sagte Peking nach einem bilateralen Abkommen zu, den Export von chemischen Vorläuferstoffen für verschiedene Opioide zu beschränken. Wenige Stunden später gab das US-Justizministerium acht neue Klagen gegen chinesische Labore wegen "Lieferung von Grundsubstanzen für Fentanyl" bekannt. Das politische und mediale Establishment der USA wiederholte das altbekannte Rezept: Das Problem kommt von außen.
Entsprechend wiederholt die DEA dieses Muster in jedem Jahresbericht: "98 Prozent des beschlagnahmten Fentanyls stammen aus Mexiko und die Vorläuferstoffe aus China."
Es wurde jedoch festgestellt, dass zwar fast 90 Prozent der Festnahmen wegen Fentanylhandels an Grenzübergängen und Zollstellen erfolgen, aber 86,4 Prozent der Angeklagten US-Bürger sind. Um diese Diskrepanz zu verschleiern, titelte die Online-Zeitung Infobae damals: "Mexikanische Kartelle bezahlen US-Amerikaner dafür, Fentanyl in ihr Land zu schmuggeln, wie eine Studie zeigt".
Nachdem China im Jahr 2023 von Andrés Manuel López Obrador wegen "mangelnder Solidarität" angeklagt worden war, antwortete es durch sein Außenministerium, dass "der größte Konsument, der größte Produzent und der größte Geldwäscher die USA sind". Ironischerweise wird die Chemikalie N-Phenethyl-4-piperidinon (NPP), die Grundlage von Fentanyl, immer noch frei auf Internetportalen verkauft und wurde bis vor kurzem per Post verschickt.
Die Kontrollen in den USA weisen Mängel auf. Bei einer journalistischen Untersuchung beschaffte Reuters zwölf Vorläuferstoffe und Ausrüstung zur Fentanyl-Herstellung bei einem Chemiegroßhändler in China über eine der weltweit beliebtesten Online-Shopping-Websites. Die Journalisten kontaktierten fast 50 verschiedene Verkäufer, die Mengen von 100 Gramm bis zu 50 Kilogramm mit einer Lieferzeit von "24 bis 48 Stunden" und die Zahlung in Kryptowährung anboten.
In den USA und anderen Ländern ist der Handel mit den meisten Vorläuferstoffen legal, wenn sie für legitime kommerzielle oder Forschungszwecke erworben werden.
Die DEA beharrt auch darauf, dass die Kartelle Sinaloa und Jalisco Nueva Generación die Hauptvertreiber sind. Aber diese Gruppierungen agieren in einem Wirtschaftskreislauf, der durch die Nachfrage aus den USA, den Waffenfluss aus den USA nach Mexiko und transnationale Korruption angetrieben wird. "Zwischen 70 und 90 Prozent der bei Verbrechen in Mexiko verwendeten Waffen werden illegal aus den USA eingeschmuggelt", erklärte Jonathan Lowy, Anwalt der mexikanischen Regierung.
Unter der aktuellen Präsidentschaft von Claudia Sheinbaum hat Mexiko die Kontrollmaßnahmen gegen die Drogenkartelle sowie die Zusammenarbeit mit den US-Behörden verstärkt, um die Kartelle und ihre Finanzen zu bekämpfen. Nach Angaben der DEA ist die Menge an Fentanyl, die die USA an der Südgrenze beschlagnahmt haben, im vergangenen Jahr um etwa 20 Prozent zurückgegangen, und auch die Stärke der Fentanyl-Tabletten hat drastisch abgenommen.
Experten des Programms "Fentanyl Policy Research System" der Stanford University weisen darauf hin, dass dieses "Schuldzuweisungsspiel" der USA ein komplexes Problem zu sehr vereinfacht und die zur Lösung notwendige internationale Zusammenarbeit behindert.
Die massive Nachfrage kommt ausschließlich aus den USA. Ohne den von den Pharmaunternehmen geschaffenen Markt und die Sucht von Millionen von Bürgern würde das Geschäft mit illegalem Fentanyl nicht existieren. Die Auslagerung der Schuld ist ein Mechanismus, um sich der Verantwortung für die Schaffung der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen zu entziehen, die diese Nachfrage alimentieren.
Neoliberale Deregulierung als Komplize
Die Behauptung, dass Fentanyl ausschließlich über die Südgrenze ins Land gelangt, ist eine weitere Vereinfachung. Zwar trifft dies für einen erheblichen Teil zu, doch war die Deregulierungspolitik der USA im Bereich Handel und Logistik selbst ein wichtiger Faktor.
Mehr als 90 Prozent des in den USA beschlagnahmten illegalen Fentanyls wird laut dem US-Heimatschutzministerium an legalen Flughäfen oder überwachten Grenzübergängen sichergestellt. Dies liegt daran, dass der "freie Markt" verschiedene Möglichkeiten bietet, diesen Handel unter legalen Vorwänden zu verschleiern.
Die letzten Regierungen, einschließlich der von Trump, haben im Namen der wirtschaftlichen Effizienz und des freien Handels systematisch die Zoll- und Hafenkontrollen abgebaut. Gesetze, die den Versand kleiner Pakete erleichtern, wie das de-minimis-Gesetz, ermöglichen es, dass Tausende Sendungen im Wert von weniger als 800 Dollar ohne Kontrolle ins Land kommen.
Diese Gesetzeslücke wurde ausgenutzt, bis Trump Zölle auf Einzelhändler erhob, die Shoppingportale wie Temu und Shein nutzten. Beide wurden in China gegründet und haben Produkte ohne viel Papierkram versandt. Darunter befanden sich chemische Vorläuferstoffe, die als "Aromatherapieprodukte" oder "Industrieprodukte" gekennzeichnet waren und direkt an die Türen der Käufer geliefert wurden.
Viele der Chemikalien, die zur Herstellung von Fentanyl verwendet werden, sind auch für legale Industrien von großer Bedeutung, von Parfüms und Pharmazeutika bis zu Gummi und Farbstoffen. Eine strenge Beschränkung aller dieser Produkte würde den globalen Handel durcheinanderbringen.
Darüber hinaus setzte das Justizministerium im Oktober 2024 die umfassenden Kontrollen der DEA an inländischen Flughäfen mit der Begründung aus, es bestehe "ein Risiko für die Privatsphäre der Reisenden. Die Maßnahme erfolgte nach jahrelangem Druck von Amazon, FedEx und UPS, deren Lobbyisten Millionen von Dollar ausgaben, um Pakete unter zwei Kilogramm von der Kontrolle auszunehmen. Das Ergebnis: 90 Prozent des per Post versandten Fentanyls liefen an der Kontrolle vorbei.
Das Schema wiederholt sich in den Seehäfen. Bei einer kürzlich durchgeführten Razzia in den Häfen von Los Angeles und Long Beach, über die jährlich mehr als 20 Millionen Container eingeführt werden, wurden unter anderem Anlagen beschlagnahmt, die 160.000 Fentanyl-Tabletten pro Tag herstellen können.
Außerdem schreitet die Chemie voran. Die Kartelle handeln nicht mehr nur mit Fentanyl. Nitazine, auch Nitazene, sind manchmal bis zu 100 Mal stärker als dieses Opioid und 2.000 Mal stärker als Heroin. Die Tabletten sehen aus wie ein legales, verschreibungspflichtiges Medikament wie Oxycodon, sodass die meisten Menschen nicht wissen, was sie einnehmen.
Die perfekte Formel: Die Architekturen der Geldwäsche
Eine andere Darstellung, nämlich die der "mexikanischen Kartelle", verschleiert, dass der größte Teil der Gewinne aus dem Handel mit synthetischen Opioiden in den USA konzentriert ist, wo organisierte kriminelle Gruppen vom lokalen Verkauf von Opioiden wie Fentanyl oder Tramadol profitieren.
Die Financial Action Task Force (FATF) enthüllte 2023, dass "die mit dem Fentanyl-Handel verbundene Geldwäsche komplexe Netzwerke aus Kryptowährungen, Scheinfirmen und internationalen Postdiensten nutzt".
Professionelle Geldwäscher versuchen, ihren Kunden den Werttransfer zu erleichtern. Sie beteiligen sich selten an den illegalen Aktivitäten, die die Einnahmen generieren, sondern verschleiern lediglich "fachmännisch" die Art, Quelle, den Standort, das Eigentum, die Kontrolle über die Herkunft und/oder den Bestimmungsort der Gelder, um deren Aufdeckung zu verhindern. Obwohl der Bericht sie nur kurz erwähnt, ist klar, dass es sich um Banken und andere Finanzinstitute handelt.
Darüber hinaus unterscheiden die in den USA ansässigen Scheinfirmen nicht zwischen Drogenhändlern, Betrügern, Menschenhändlern oder anderen Kriminellen, die illegal erworbene Gewinne transferieren oder verstecken müssen. Sie betreiben raffinierte Geldwäsche in großem Stil im Auftrag von Drogenkartellen, Motorradbanden und traditionellen Organisationen der organisierten Kriminalität.
Die neoliberale Deregulierung ermöglicht den Import von Drogen und einen Parallelmarkt, auf dem der Tod zur Ware wird. Die Logistikunternehmen und die Banken, die verdächtige Transaktionen abwickeln, sowie die digitalen Plattformen, die die Werbung für gefährliche Chemikalien erlauben, operieren ungestraft. Unterdessen sind die Kontrollen in Häfen wie Los Angeles angesichts der Menge an Billigwaren, die den "American Way of Life" stützen, nach wie vor unzureichend.
Es sind genau die wirtschaftlichen Mechanismen, die durch Drogen entstehen, die die schwindende Dominanz der USA über die Welt immer noch aufrechterhalten.
Es war der Abbau des Staates, der den Fluss von Fentanyl und seinen Vorläuferstoffen erleichtert hat. Es ist die Prekarisierung der Arbeit, die die USA zu einer Gesellschaft des Schmerzes gemacht hat. Es ist die Überproduktion von Waffen und militärischer Logistik, die dazu führt, dass die Kartelle die für eine Drogenwirtschaft wichtigen Routen und Prozesse kontrollieren. Es sind die gewaschenen Gelder, die zur Dynamik der von Schulden abhängigen US-Wirtschaft beitragen.
Die USA können die Nachfrage nach Drogen nicht einschränken und versuchen daher, das Angebot durch Handelskriege und Militarisierung zu ihren Gunsten zu kontrollieren – aber niemals, es zu reduzieren.
Die politische Klasse der USA und ihre Geldgeber brauchen eine drogensüchtige Gesellschaft. Das wird für die Eliten immer rentabler sein, als in das Gesundheitswesen, die Bildung, die (nicht konsumorientierte) Kultur, Wohnungen für Obdachlose oder in die Wiederherstellung von Sozialprogrammen zu investieren, die durch den Neoliberalismus zerstört wurden.
Übersetzt aus dem Spanischen von Olga Espín
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