Von Dmitri Skworzow
Schon seit Langem gibt es in Amerika Absichten, Gebiete, die heute zu Kanada gehören, zu annektieren. Der erste Versuch erfolgte während des Unabhängigkeitskrieges zwischen den nordamerikanischen Kolonien und der britischen Krone. Vertreter der britischen Kolonien, die 1774 in Philadelphia zum Kontinentalkongress zusammenkamen, zählten Vertreter der Provinz Quebec ebenso zu Ihresgleichen wie alle anderen zum Kongress entsandten Delegierten. Damals scheiterte der Versuch, Quebec mit Gewalt unter Kontrolle zu bringen (zwar wurde Montréal erobert, aber das übrige Quebec hielt stand, bis Verstärkung aus England eintraf).
Ein zweiter Versuch, Gebiete des heutigen Kanada an die USA anzuschließen, wurde während des anglo-amerikanischen Krieges von 1812 bis 1814 unternommen. Doch die amerikanische Offensive scheiterte, und 1814 verlegte Großbritannien große Verstärkung nach Nordamerika. Die Briten eroberten Washington und setzten das Kapitol (Kongressgebäude) und das Weiße Haus in Brand. Doch letztendlich kam der Krieg zu seinem Ende. Im Dezember 1814 unterzeichneten die USA und Großbritannien unter der Vermittlung des russischen Herrschers Alexander I. ein Friedensabkommen.
Danach richtete sich die Expansion der USA nach Westen (auf Kosten von Indianergebieten und Wüsten bis zum Pazifik) und nach Süden – in Richtung Mexiko. Im Jahr 1867 entstand durch den Zusammenschluss mehrerer englischer Kolonien das Dominion Kanada, das als einziges der europäischen Besitztümer eine gemeinsame Grenze mit den USA besaß.
Grenzüberschreitender Handel und Alkoholschmuggel
Zu dieser Zeit begann in den USA ein Wirtschaftsaufschwung, der auf der Zunahme der Baumwollexporte aus den US-Südstaaten und der Industrieentwicklung in den US-Nordstaaten beruhte. Kurz zuvor, im Jahr 1846, wurden in London die Getreidegesetze (Corn Laws) aufgehoben, wodurch die kanadischen Landwirte den Zugang zum britischen Markt verloren. 1854 unterzeichneten Ottawa und Washington ein Freihandelsabkommen. Dies führte zu einem Wirtschaftsboom in Kanada.
In den USA kam es zu dieser Zeit zu einer zunehmenden Spaltung zwischen den Südstaaten, die Freihandel und niedrige Einfuhrzölle befürworteten, und den Nordstaaten, die protektionistische Maßnahmen zum Schutz des heimischen Marktes forderten. Der Süden wurde von der Demokratischen Partei dominiert, während die Interessen der Nordstaaten von der 1854 gegründeten Republikanischen Partei vertreten wurden.
Schon damals bestanden die Republikaner (wie auch Trump heute) auf der Verhängung hoher Einfuhrzölle – sowohl als Maßnahme zum Schutz des Binnenmarktes als auch als Einnahmequelle für den Bundeshaushalt. Doch das rasche Industriewachstum schuf in den USA einen wachsenden Markt für europäische Waren. Ein Großteil der Exporte in die USA wurde über die amerikanisch-kanadische Landgrenze transportiert.
Ende des 19. Jahrhunderts entfielen 75 Prozent der kanadischen Haushaltseinnahmen auf die an den Grenzübergängen erhobenen Zölle. Der Erste Weltkrieg führte zu einer Zunahme des umgekehrten Warenflusses, das heißt zu Lieferungen amerikanischer Waffen, Ausrüstungen und Materialien, die für die Militärindustrie in Europa benötigt wurden. In Kanada entstanden Außenstellen amerikanischer Automobilunternehmen, und die Automobilproduktion begann zu steigen.
Die Situation änderte sich im Jahr 1919, als in den Vereinigten Staaten das Prohibitionsgesetz verabschiedet wurde. Geschmuggelter Alkohol (kanadischer Whiskey und französischer Champagner) wurde von Kanada aus über die Grenze nach Süden transportiert. Damit war Kanada nicht nur Produktions-, sondern auch Transitland für Alkohollieferungen in die USA. Im Laufe des Jahres 1921 importierte Quebec mehr schottischen Whisky als in den zehn Jahren zuvor. Angesichts der Anti-Alkohol-Propaganda wurde die Situation an der amerikanisch-kanadischen Grenze in den USA ähnlich betrachtet wie in unserer Zeit das Problem mit Fentanyl-Lieferungen in den USA.
Die USA verschärften die Regelungen für den Grenzübertritt und unternahmen alles, um den Alkoholschmuggel zu unterbinden. Im Jahr 1929 wurde ein mit Whiskey beladenes kanadisches Schiff von der US-Küstenwache in internationalen Gewässern – 300 Kilometer von der Seegrenze der USA entfernt – versenkt. Dieser Vorfall hätte als Aggression der USA gegen Kanada gewertet werden und eine Kriegserklärung rechtfertigen können, wurde jedoch letztendlich vertuscht.
Großbritanniens Halsschlinge für die US-Industrie
Donald Trump ist nicht der Erste, der Handelsbeschränkungen als Druckmittel einsetzt. Zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg verschärfte sich der geopolitische Konkurrenzkampf zwischen der ehemaligen Weltmacht Großbritannien und der neuen – den Vereinigten Staaten. Diese Konkurrenz bestand in der Kontrolle über die Wirtschaft des besiegten Deutschlands und Österreichs.
Doch zum Glück für Großbritannien erlebten die USA im Oktober 1929 einen Börsenkrach, der mit einem Wirtschaftsabschwung zusammenfiel. Und dann versetzte London dem Land den entscheidenden Schlag.
Auf einer Konferenz der britischen Commonwealth-Länder in Ottawa (Kanada) wurde der Imperial Preferences Act verabschiedet. Damit wurde das Britische Empire (das mit seinen Herrschaftsgebieten und Kolonien ein Viertel der Welt umfasste) für amerikanische Waren gesperrt. In der Folge verlor die US-Industrie ihre Chance auf einen raschen Wirtschaftsaufschwung. Ohne Zugang zu den zahlungskräftigsten Märkten geriet sie in eine lang anhaltende Weltwirtschaftskrise, die bis 1939 andauerte. Für Großbritannien hingegen ergaben sich Chancen für ein Wirtschaftswachstum.
Damals wurde die Frage der Migrationsbegrenzung an der amerikanisch-kanadischen Grenze – worüber Donald Trump heute spricht – vielmehr von den Behörden in Ottawa aufgeworfen: Die Einreise von Ausländern nach Kanada wurde stark eingeschränkt.
Neben der Ersten Weltwirtschaftsmacht
Der Kriegsausbruch in Europa setzte der offensichtlichen anglo-amerikanischen Rivalität ein Ende. Nach der militärischen Niederlage Frankreichs und der Übergabe seiner Industriekapazitäten an Nazi-Deutschland (wie auch der Wirtschaft fast ganz Europas) war England auf die Lieferung von Waffen, Ausrüstung und Rohstoffen (vor allem Metalle und Öl) aus Amerika angewiesen. Auch in Kanada begann sich die Militärproduktion zu entwickeln. Das Dominion produzierte Lastwagen, Panzer, Flugzeuge, Zerstörer und Korvetten und fertigte Transportschiffe. Im Jahr 1943 waren 64 Prozent der kanadischen Produktionskapazitäten mit Rüstungsaufträgen ausgelastet. Zu dieser Zeit war die kanadische Autoindustrie die zweitgrößte der Welt nach den USA.
Auch die kanadische Rohstoffindustrie wurde (vor allem dank amerikanischer Investitionen) stark ausgebaut. Bis 1943 entfielen auf Kanada die Hälfte der anglo-amerikanischen Aluminiumproduktion und 90 Prozent der Nickelproduktion. Auch nach dem Krieg verzeichnete die kanadische Wirtschaft durch die immer engere Verflechtung mit den USA weiteres Wachstum. Amerikanisches Kapital investierte in großem Umfang in die kanadische Wirtschaft, und für kanadische Waren wurde in den USA ein stabiler Absatzmarkt geschaffen.
Doch Anfang der 1960er-Jahre geriet die kanadische Autoindustrie in Schwierigkeiten. Nur sieben Prozent der in Kanada produzierten Autos wurden in den USA verkauft, wobei der Anteil amerikanischer Komponenten in diesen Autos über 50 Prozent betrug. Dieses Ungleichgewicht führte zu einem erheblichen Handelsbilanzdefizit Kanadas im Verhältnis zu den USA. Kanada war darüber genauso unzufrieden wie Trump heute über das US-Handelsbilanzdefizit gegenüber Kanada.
Um aus dieser Situation herauszukommen, wurden nicht etwa die Zölle erhöht, sondern die kanadische und die amerikanische Autoindustrie noch enger miteinander verflochten. Im Januar 1965 wurde das Kanada-USA-Abkommen unterzeichnet, das die Handelszölle auf Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugteile aufhob. Im Gegenzug erklärten sich die "Großen Drei" der US-Autoindustrie (General Motors, Ford und Chrysler) damit einverstanden, dass die kanadische Automobilproduktion nicht unter das Niveau von 1964 sinken soll. Außerdem garantierten sie, dass Kanada das gleiche Verhältnis zwischen Produktion und Absatz beibehalten würde.
Infolgedessen wurden 1968 60 Prozent der in Kanada produzierten Autos in Amerika abgesetzt. Die Bauteile und Komponenten für die in Kanada hergestellten Autos wurden jedoch weiterhin aus den USA importiert, das heißt, die gestiegenen US-Exporte glichen das Handelsdefizit bei Autoteilen nicht aus, verbesserten aber die Produktionseffizienz.
Nordamerikanischer Gesamtmarkt
Die Stagflation in der amerikanischen Wirtschaft in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren veranlasste US-Präsident Reagan (der wie Trump zu den US-Republikanern gehörte) zur Schaffung einer gemeinsamen Freihandelszone mit Kanada. Unter der liberalen Regierung in Ottawa stieß dieses Vorhaben auf Widerstand, doch nach dem Wahlsieg der kanadischen Konservativen im Oktober 1987 wurde das kanadisch-amerikanische Freihandelsabkommen (CUSFTA) geschlossen. Die Zunahme des gegenseitigen Handels und der Investitionen führte zu einer Steigerung der Industrieeffizienz, die nun für einen breiteren Markt zur Verfügung stand. Gleichzeitig gingen die kanadischen Exporte nach Europa zurück.
Als 1992 die Gründung der Europäischen Union in Aussicht stand, kam die Idee auf, eine ähnliche Vereinigung in Nordamerika zu gründen, die neben den USA und Kanada auch Mexiko umfassen sollte.
Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (North American Free Trade Agreement, NAFTA) trat am 1. Januar 1994 in Kraft. Am 1. Januar 2008 wurden die Handelszölle zwischen Mexiko und den USA sowie zwischen Mexiko und Kanada endgültig abgeschafft.
In der 20-jährigen Geschichte der NAFTA (bis einschließlich 2013) stieg die Zahl der Arbeitsplätze in Mexiko von 31,3 Millionen auf 51,5 Millionen, in Kanada von 12,8 Millionen auf 19,1 Millionen und in den USA von 120,0 Millionen auf 155,4 Millionen (und das trotz der Krise im Jahr 2008).
Das auf zunehmender Globalisierung basierende Modell des Wirtschaftswachstums geriet jedoch bald ins Wanken. Im Jahr 2014 sank das weltweite BIP um 5,35 Prozent, und in den USA kam man zu dem Schluss, dass die uneingeschränkte Emission von US-Dollar nicht mehr effektiv ist. Donald Trump, der im Jahr 2017 seine erste Amtszeit antrat, plädierte dafür, die industrielle Basis der amerikanischen Wirtschaftskraft wiederzubeleben. Er versuchte, NAFTA durch das USMCA-Abkommen (United States-Mexico-Canada-Agreement) zu reformieren, das 2020 in Kraft trat und in den USA als NAFTA 2.0 bezeichnet wurde.
Doch der Machtwechsel im Weißen Haus führte dazu, dass die Bemühungen um eine Reindustrialisierung Amerikas zum Erliegen kamen und das US-Außenhandelsdefizit mitsamt anderen negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft weiter anstieg. Ende 2024 erreichte das US-Außenhandelsdefizit die astronomische Zahl von 1,2 Billionen Dollar.
Auf Kanada und Mexiko entfallen 18 beziehungsweise 16 Prozent der US-Exporte (auf China nur sieben Prozent). Dieselben Länder gehören zu den drei führenden Warenlieferanten für die USA: Auf China entfallen 13,5 Prozent der US-Importe, auf Mexiko 15,6 Prozent und auf Kanada 12,6 Prozent (diese Angaben beziehen sich alle auf das Jahr 2023).
Die aktuellen Drohungen Trumps, Kanada und Mexiko als Gesamtmarktpartner mit Handelszöllen zu belegen und damit das US-Handelsbilanzdefizit zu beseitigen, zielen nicht auf eine wirtschaftliche Abschottung dieser Länder ab, sondern auf eine stärkere wirtschaftliche Integration – und zwar zum Vorteil der USA und vor allem des realen Sektors der US-Wirtschaft.
Dabei orientiert sich Trump an den Erfahrungen der Europäischen Union, deren Expansion nach Osteuropa den Volkswirtschaften ihres Kerns (vor allem Deutschland) spürbare Vorteile bescherte. Deutsche Unternehmen gewannen in den EU-Beitrittsländern neue Märkte. Potenzielle Konkurrenten aus diesen Ländern wurden entweder zu Spottpreisen übernommen (wie in der Tschechischen Republik) oder in den Bankrott getrieben (wie in Bulgarien, Rumänien und den baltischen Staaten).
Höchstwahrscheinlich wird Trump nicht die Vollintegration Kanadas in die USA anstreben (genauso wenig wie er dies mit Mexiko versuchen wird). Was die Wirtschaft anbelangt, wird er sich vielleicht mit der Schaffung einer Art Unionsstaat (wie zwischen Russland und Weißrussland) zufriedengeben.
Aber natürlich bereitet Trump nicht nur die Wirtschaft Sorgen. Das super-liberale Kanada dient in vielerlei Hinsicht als Vorbild für Trumps Opponenten innerhalb der USA. Trump hat kein Interesse daran, Kanada als Zentrum der "antiamerikanischen" liberalen und globalistischen Kräfte in der Nähe zu haben. Sein Ziel ist es vielmehr, eine von Mexiko bis Grönland reichende Festung "Amerika" mit einem wirtschaftlichen Stützpfeiler in Form des restlichen Lateinamerikas zu errichten, das von chinesischem Einfluss gesäubert sein sollte.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 8. März 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.
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