Von Geworg Mirsajan
Der gewählte US-Präsident Donald Trump kommt mit dem Slogan "Make America Great Again" an die Macht – und seinen Worten nach zu urteilen, ist er bereits darauf vorbereitet, Amerika zumindest territorial größer zu machen. Er will einen neuen, 51. US-Bundesstaat annektieren – Kanada.
Zunächst sprach der designierte US-Präsident davon, dass Kanada sich den USA als neuer US-Bundesstaat anschließen könnte, wenn es die Einführung von Handelszöllen in Höhe von 25 Prozent (die der Republikaner zum Schutz US-amerikanischer Unternehmen einzuführen gedenkt) nicht wünscht. Daraufhin reiste der kanadische Premierminister Justin Trudeau zu einem persönlichen Treffen mit Trump, um die Differenzen beizulegen. Nach einem scheinbar normalen Treffen sagte Trump jedoch ganz unverblümt, dass Trudeau sein künftiger Untergebener sei.
"Es war mir ein Vergnügen, am Abend zuvor mit dem Gouverneur des großen Staates Kanada, Justin Trudeau, zu Abend zu essen. Ich freue mich darauf, mich bald wieder mit dem Gouverneur zu treffen, damit wir unsere intensiven Zoll- und Handelsgespräche fortsetzen können, deren Ergebnisse für alle wirklich beeindruckend sein werden", schrieb der designierte US-Präsident auf seiner Social-Media-Seite Social Truth.
Es scheint, als wäre das gar keine schlechte Idee. Kanada ist die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt mit einer Bevölkerung von etwa 40 Millionen Menschen. Das Land hat keine territorialen oder sonstigen Probleme. Es ist wirtschaftlich (75 Prozent der kanadischen Exporte gehen in die USA) und kulturell eng mit den USA verflochten (weshalb es schon vor Trump informell als 51. Staat der Vereinigten Staaten bezeichnet wurde). Schließlich zeigen Meinungsumfragen, dass Trumps Zustimmungsrate in Kanada höher ist als die von Trudeau (26 Prozent gegenüber 23 Prozent).
Hier zeigen sich jedoch zwei Probleme.
Erstens ist die Bevölkerung des Landes skeptisch, was den Verzicht auf Souveränität angeht. Im Gegensatz zu Trumps Behauptung, "viele Kanadier wollen, dass Kanada der 51. US-Bundesstaat wird", sind tatsächlich nur 13 Prozent der Kanadier dafür. Die Medien haben dazu kanadische Bürger auf der Straße befragt und kamen zu dem Schluss, dass die lokale Bevölkerung insgesamt entweder neutral oder ablehnend gegenüber Trumps Aussagen ist.
Zweitens – und das ist noch wichtiger – braucht Trump selbst, entgegen seinen Behauptungen, es sei eine "großartige Idee", Kanada nicht als 51. US-Bundesstaat. Genauer gesagt, weder Trump noch die Republikaner brauchen ihn.
Ein neuer US-Bundesstaat hätte nämlich zur Folge, dass der Kongress um zwei Senatoren erweitert würde, deren Zahl proportional zur Größe der Kongressabgeordneten ist; zudem würde ein solcher Bundesstaat Wahlmänner für die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten stellen. Aufgrund der Besonderheiten der kanadischen Bevölkerung würden all diese Ergänzungen eher die Demokraten begünstigen. Das bedeutet, dass die Chancen der Republikaner auf eine künftige Mehrheit im Kongress und bei den US-Präsidentschaftswahlen sinken würden.
Aus diesem Grund sind sie zum Beispiel gegen die Aufnahme [Puerto] Ricos als 51. Bundesstaat – ein Staat, dessen Bevölkerung regelmäßig für den offiziellen Beitritt als Bundesstaat stimmt. Die Republikaner brauchen jedoch keine zwei zusätzlichen Demokraten im US-Senat.
Deshalb ist das Ziel von Trumps Äußerungen nicht, Kanada zu bekommen. Sein Ziel ist es, das Land von Justin Trudeau zu befreien, einem liberalen Premierminister, gegen den Trump eine persönliche Abneigung hegt. Mit diesen Beleidigungen will er ihm einen politischen Schlag versetzen; und gleichzeitig der Welt zeigen, wie er mit denjenigen Politikern umgeht, die das Pech haben, von ihm nicht gemocht zu werden.
Heute handelt Trump nach dem Prinzip "Stoße den Fallenden". Tatsache ist, dass im Oktober 2025 in Kanada die nächsten Parlamentswahlen stattfinden, und Justin Trudeau wird seine Liberale Partei bei diesen Wahlen anführen, in der Hoffnung, zum vierten Mal in Folge Premierminister zu werden. Allerdings sind nicht alle in der Partei mit seiner Kandidatur einverstanden. Ein erheblicher Teil der Abgeordneten forderte Trudeau auf, sich seine Umfragewerte anzusehen (die aufgrund wirtschaftlicher Probleme, eines Übermaßes an Populismus und der simplen Müdigkeit gegenüber seiner Person gefallen sind) und zurückzutreten.
Trumps demonstrative Unhöflichkeit, gepaart mit Trudeaus mangelnder Bereitschaft, hart zu reagieren und sich mit dem designierten US-Präsidenten anzulegen, hat zwischen den kanadischen Liberalen einen Riss verursacht. Trudeau war "uneins über den besten Weg für Kanada" mit seiner engsten Verbündeten und der wichtigsten Lobbyistin für ukrainische Interessen in der kanadischen Regierung – der Finanzministerin Chrystia Freeland, die aus Unzufriedenheit über die Unfähigkeit des Premierministers, Trump in die Schranken zu weisen, zurücktrat.
Daraufhin machte sich Trump über diesen Rücktritt lustig und unterstrich damit einmal mehr den Stellenwert von Trudeau in seinem Umfeld. "Der große Staat Kanada ist fassungslos, dass die Finanzministerin zurücktritt oder von Gouverneur Justin Trudeau entlassen wurde. Ihr Verhalten war absolut schädlich und überhaupt nicht förderlich für die Geschäfte, die den sehr unglücklichen Bürgern Kanadas zugutekommen. Keiner wird sie vermissen", schrieb Trump.
Trudeau reagierte erneut nicht – und musste einen erneuten Rückschlag bei seinen Umfragewerten hinnehmen. Drei Oppositionsparteien forderten ihn zum Rücktritt auf.
"Der Premierminister hat die Kontrolle verloren, klammert sich aber weiter an die Macht. Wir wussten, dass er die Kontrolle über die Wähler, die Einwanderung, die Ausgaben, die Inflation und die Wohnkosten verloren hat, aber jetzt hat er auch die Kontrolle über sein Kabinett verloren. Wann kommen endlich Wahlen?", fragt Pierre Poilievre, Vorsitzender der Konservativen Partei (der Topfavorit für die nächsten Wahlen).
Den Äußerungen der kanadischen Kabinettsmitglieder nach zu urteilen, könnten die Rücktritte in der Regierung Trudeau in naher Zukunft weitergehen. Zum Teil aufgrund von "Meinungsverschiedenheiten über den besten Weg nach vorn", zum Teil aber auch, weil die Minister nicht mit dem politischen Schiff des Premierministers untergehen wollen.
Die kanadische Regierung könnte aber ebenso auf andere Weise zusammenbrechen. Tatsache ist, dass Trudeau 155 Sitze im Parlament hat – während 172 Sitze für eine Mehrheit erforderlich sind. Seine Regierung funktioniert nur dank der Unterstützung durch die Neue Demokratische Partei (25 Sitze). Deren Parteivorsitzender Jagmeet Singh ist momentan unschlüssig, ob er den Premierminister weiter unterstützen soll, ist aber ebenfalls unzufrieden mit dessen Nachgiebigkeit, wie seine Äußerungen deutlich machen. "Während die Liberalen sich gegenseitig bekämpfen, sollten wir meiner Meinung nach für die Arbeitsplätze der Kanadier kämpfen, die durch Donald Trumps Zölle bedroht sind", sagt der Politiker.
Sehr wahrscheinlich wird es Donald Trump gelingen, Justin Trudeau doch noch zu erledigen. Die kanadischen Liberalen fordern bereits andere Länder auf, die richtigen Schlüsse zu ziehen.
"Trump ist ein Zerstörer. Seine Ideologie ist es, das stabile politische System zu zerstören, zu demontieren und zu behindern. Und genau das tut er hier. Andere Länder sollten daraus ihre Lehren ziehen und mit diesem Tyrannen vorsichtig verhandeln", sagte Jonathan Rose, Leiter des Fachbereichs Politikwissenschaften der Queen's University in Kanada.
Mit den anderen Ländern meint er höchstwahrscheinlich Europa. Auch dort haben sich Trumps Beziehungen zu einer Reihe von Staatsoberhäuptern ungünstig entwickelt. "Seine Bereitschaft, sich in die Innenpolitik eines Bündnispartners einzumischen, sollte als Warnung für andere zerstrittene Regierungen in Ländern wie Frankreich, Deutschland und Südkorea dienen, wo politisches Chaos und interne Spaltungen es schwierig machen können, sich zu wehren", fasst CNN zusammen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 20. Dezember 2024 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.
Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren wurde er 1984 in Taschkent. Er machte seinen Abschluss an der Staatlichen Universität in Kuban und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Er war von 2005 bis 2016 Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.
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