Nach Mord an US-Versicherungschef: Spott und Zynismus in sozialen Medien

Ein brutaler Mord in New York am helllichten Tag beschäftigt die US-Medien. Das Opfer war der Chef eines der größten US-Versicherer, United Healthcare. Der Tod des Millionärs und die Tatsache eines weiterhin flüchtigen Täters sorgte für kontroverse Diskussionen und Kommentare in den sozialen Medien.

Der leitende Geschäftsführer eines der größten US-Versicherer, United Healthcare, Brian Thompson, wurde am Mittwochmorgen mitten im New Yorker Bezirk Manhattan bei einem "dreisten, gezielten Angriff" auf offener Straße erschossen, so die New Yorker Polizei. Das US-Magazin Rolling Stone berichtet in einem Artikel über die unmittelbaren Reaktionen in den sozialen Medien, die größtenteils durch fehlendes Mitgefühl und Zynismus gegenüber dem Ermordeten auffallen.  

Thompson wurde kaltblütig von hinten erschossen, als er am Mittwochmorgen auf dem Weg in Richtung eines Hotels war, in dem die jährliche Investorenkonferenz des Unternehmens stattfand. Der maskierte Täter schoss laut US-Medien mit einer schallgedämpften Pistole unmittelbar auf sein Opfer und konnte unerkannt auf einem Fahrrad flüchten. Der Mann ist weiterhin nicht gefasst, in den sozialen Medien erfolgten daher umgehend erste Warnungen, die wiederum dann zu den ersten Reaktionen führten.

Laut dem Rolling Stone-Artikel präsentierten sich demnach eine Vielzahl der Kommentare mehrheitlich "verächtlich gegenüber der Branche, die er [Brian Thompson] repräsentierte". Ein Großteil zeige dabei "wenig Mitgefühl" für das Opfer. Bezogen auf die Tatsache des weiterhin flüchtigen Täters reagierte exemplarisch ein X-User mit dem Hinweis:

"Mithilfe von AI habe ich ein Bild des mutmaßlichen Angreifers von United Healthcare CEO Brian Thompson erstellt."

Das Musikmagazin erklärt in seinem Artikel, dass nach Bekanntwerden der Tat "eine Welle der Verachtung für die von ihm vertretene Krankenversicherungsbranche - und insbesondere für sein Unternehmen ausbrach". Ein US-Blogger und Publizist empfahl laut dem Rolling Stone nach Betrachtung der Diskussionen:

"Ich habe die Berichterstattung über die Ermordung des CEO von United Healthcare auf TikTok gesehen und denke, dass die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft die Kommentare lesen und gründlich darüber nachdenken sollten."

So lautete unter anderem ein Kommentar aus den gesicherten TikTok-Beiträgen: "Ich schicke seiner Familie Vorabgenehmigungen, abgelehnte Anträge, Sammlungen und Gebete". Auch die Arbeit der New Yorker Polizei wird kritisch begleitet.

Als Antwort auf einen Nachrichtenlink über den Mord an Thompson, der laut einer Erklärung der Strafverfolgungsbehörden "als möglicher Anschlag untersucht wird", lautete die zynische Kommentierung eines X-Users: "Hatte er eine Vorerkrankung?". Ein TikTok-Posting lautet:

"Als jemand, der bei UnitedHealthCare versichert ist, kann ich die ergriffenen Maßnahmen voll und ganz verstehen [bezogen auf die Fahndung nach dem Täter]"

Eine US-Komikerin namens Samantha Ruddy schloss sich der allgemeinen Stimmung an, um auf X "lustig" zu erklären:

"Ich habe eine Push-Benachrichtigung erhalten, dass ich vorsichtig sein soll, weil der Schütze von United Healthcare noch auf freiem Fuß ist. Ich persönlich habe nicht das Gefühl, dass ich im Visier des Schützen stehe, weil ich nicht der CEO eines hochgradig umstrittenen Multi-Milliarden-Dollar-Versicherungsunternehmens bin."

Sie ergänzte in einem weiteren Kommentar mit dem Satz, "mich vor einem Mann zu warnen, der da draußen Milliardäre tötet, ist so, als würde man einen Hund vor Phishing-[Mail-]Betrug warnen."

Die harsche Kritik an dem Versicherungsunternehmen "UnitedHealth", untermauert mit wenig empathischen Reaktionen zum Tod des CEO, bezieht sich laut dem Rolling Stone zum Teil auch auf die US-weit stark kritisierte Firmenpolitik. Dazu heißt es:

"Ein Bild, das im Internet die Runde machte, war ein Diagramm der persönlichen Finanzwebseite ValuePenguin, aus dem hervorging, dass UnitedHealthcare 32 Prozent aller In-Network-Versicherungsansprüche im Zusammenhang mit individuellen Krankenversicherungsplänen ablehnt - doppelt so viel wie der Branchendurchschnitt."

"In-Network"-Versicherung bedeutet, dass eine Versicherungsgesellschaft Vereinbarungen mit einem Netz von Gesundheitsdienstleistern (z. B. Ärzten, Krankenhäusern, Apotheken, Arzthelferinnen usw.) vereinbart.

Social Media-Nutzer hätten dabei auf US-Schlagzeilen hingewiesen, laut denen beschrieben wird, "wie UnitedHealthcare einen angeblich fehlerhaften KI-Algorithmus zur Bewertung von Ansprüchen und zur Verweigerung der Versorgung schwer kranker Patienten im Rahmen privater Gesundheitsversicherungen verwendet hat". Dieser Vorgang wäre dabei mittlerweile Bestandteil einer laufenden Sammelklage von Geschädigten.

Die Identität und das Motiv des Schützen wären weiterhin nicht bekannt. Es sehe nicht so aus, als handele es sich um einen "zufälligen Gewaltakt", so New Yorks Bürgermeister Eric Adams gegenüber der Presse. Thompsons Ehefrau erklärte gegenüber dem US-Sender NBC News, dass das Opfer "Drohungen erhalten habe und dass es dabei möglicherweise um Probleme mit der 'mangelnden Deckung' eines Kunden gegangen sei".

Die Polizei von New York hat umgehend dokumentierte Überwachungsbilder des Verdächtigen veröffentlicht. Zudem ist eine Belohnung von 10.000 Dollar für Hinweise auf den Mord ausgesetzt.

UnitedHealthcare ist einer der größten Krankenversicherer der USA, hat 440.000 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von rund 370 Milliarden Dollar. Thompson arbeitete seit 20 Jahren für den Konzern und stand seit 2021 an der Spitze des Unternehmens.

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