Von Pjotr Akopow
Die Krise in Texas, die mit der Konfrontation zwischen den Behörden dieses Bundesstaates und der Bundesregierung über den Grenzschutz begann, hat natürlich Spekulationen über das Auseinanderbrechen der Vereinigten Staaten ausgelöst. Und sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in unserem Land sind bereits Putins "Dekrete" zur Anerkennung der "Volksrepublik Texas" und ähnliche Memes im Umlauf.
Natürlich würden wir in Russland gerne symmetrisch auf den Zerfall der Sowjetunion und auf die Politik der USA in diesem Zusammenhang reagieren. So wie Washington nach 1991 auf die Spaltung der russischen Welt gesetzt hat (welchem anderen Ziel dient der Kurs der Atlantisierung der Ukraine, wenn nicht der Zementierung des Zusammenbruchs des vereinigten historischen Russlands?), so sollten wir es ihnen in gleicher Weise vergelten. Es ist klar, dass wir nicht die gleichen Möglichkeiten haben wie die USA in der postsowjetischen Ukraine, aber warum sollten wir nicht auch auf den Zusammenbruch der USA setzen?
Texas kein gewöhnlicher Staat: Es ist der einzige aller US-Staaten, der tatsächlich ein unabhängiger Staat war (für fast ein Jahrzehnt, von 1836 bis 1845), er hat bereits Erfahrung mit Sezessionen (er war Teil der Konföderation während des Bürgerkriegs von 1861 bis 1865), und er ist der zweitgrößte Staat in Bezug auf Fläche, Bevölkerung und Wirtschaftsleistung. Durchaus für die Rolle einer US-amerikanischen Ukraine geeignet.
Seine Bedeutung für die USA ist durchaus vergleichbar mit der Bedeutung der Ukraine für die UdSSR – ohne Texas werden die USA definitiv nicht nur schwächer, sondern gänzlich anders werden. Ein Austritt von Texas würde den Prozess des Niedergangs der Pax Americana dramatisch beschleunigen, die USA würden endgültig aufhören, ein Welthegemon zu sein. Und wenn dem Beispiel von Texas auch noch einige andere Staaten folgen, werden die USA als geeinter Staat von der Weltbühne verschwinden. Ganz zu schweigen von den radikalen Szenarien, in denen der Versuch, die Unabhängigkeit von Texas zu erklären, einen Bürgerkrieg im ganzen Land auslöst. Für uns sind das alles nur Pluspunkte, also her mit der Republik Texas?
"Republik Texas" ist übrigens auch der Name einer der separatistischen politischen Vereinigungen, die es in Texas tatsächlich gibt. Aber ihre Popularität ist gering – das Maximum, das die Separatisten erreichen können, ist das Sammeln von ein paar Tausend Unterschriften für die Abstimmung über die Unabhängigkeit. Natürlich wird das separatistische Thema im Moment der Verschärfung der Krise von den Gegnern des föderalen Zentrums hervorgehoben, aber es hat keine ernsthaften Aussichten. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Ereignisse in Texas keine Rolle spielen und die Einheit der Vereinigten Staaten nicht bedroht ist.
Ganz im Gegenteil, nur ist es nicht der Separatismus, der die Vereinigten Staaten bedroht, sondern der Legitimismus. Es geht um die universelle Anerkennung der Legitimität der Bundesbehörden, vor allem des Präsidenten und der Regierung. Worin besteht der Kern des Konflikts zwischen Texas und Washington? Die Tatsache, dass die Behörden des Bundesstaates Präsident Biden beschuldigen, gegen die Verfassung und die US-Gesetze zu verstoßen – er will keine Maßnahmen ergreifen, um die Grenze vor illegalen Einwanderern zu sichern. Wie der texanische Vizegouverneur Dan Patrick erklärte, "glauben wir, dass wir verfassungsmäßig im Recht sind". Patrick wörtlich:
"Wir haben das Recht, unsere Bürger zu schützen. Wir haben das Recht, dieses Land zu schützen. Und wir machen nur unseren Job."
Das heißt, die texanischen Behörden schützen ihre Bürger vor dem, was sie als "Migranteninvasion" bezeichnen – und halten ihr Vorgehen für vollkommen legal. Die Maßnahmen (oder besser gesagt, die Untätigkeit) der Bundesbehörden halten sie spiegelbildlich für illegal und verfassungswidrig. Und in diesem Punkt stimmen die Gouverneure der Hälfte der US-Bundesstaaten mit den texanischen Behörden überein – sowie mit dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump, der Biden bereits als Kriminellen bezeichnet hat, der vom US-Volk verurteilt werden wird, unter anderem weil er die illegale Einwanderung duldet.
Es stellt sich heraus, dass es zwei Vereinigte Staaten gibt – mit unterschiedlichen Auffassungen von ein und derselben Verfassung. Und je weiter, desto mehr divergieren sie in ihrer Interpretation nicht nur des Wesens, sondern auch des Geistes der Verfassung. Nicht nur in Bezug auf Grenzschutz und Migration, sondern auch in Bezug auf Sicherheit, Familienwerte, Waffen, Bildung, Geschichte, Rassenfragen und vieles mehr. Und die Befugnisse der Regierung – sowohl auf lokaler als auch auf föderaler Ebene.
In diesen Fragen wird niemand nachgeben oder sich von den USA abspalten – beide Seiten streben danach, die Macht im ganzen Land zu übernehmen. Beide sehen ihre Gegner als Lügner und Manipulatoren an, die den Ausgang von Wahlen, insbesondere von Präsidentschaftswahlen, infrage stellen. Wir haben das bereits 2020 gesehen, aber das war nur eine Probe für das, was Ende dieses Jahres passieren wird.
Bislang scheint Trumps Sieg fast unvermeidlich, aber es geht um mehr als das. Sollte es zu einer Wiederwahl Trumps kommen, könnten es die Demokraten sein, die die Legitimität der Wahl nicht anerkennen. Sollte Biden wiedergewählt werden, ist es sehr wahrscheinlich, dass die republikanischen Bundesstaaten Wahlunregelmäßigkeiten geltend machen und das Wahlergebnis infrage stellen. Vor allem, wenn der unterlegene Kandidat (oder besser gesagt, der als solcher deklarierte Kandidat) selbst erklärt, dass er mit den Wahlergebnissen nicht einverstanden ist und sie vor Gericht anfechten will. In diesem Fall wird die abweichende Meinung der Staaten (Texas und andere republikanische Staaten oder Kalifornien und New York und andere demokratische Staaten) eine entscheidende Rolle spielen.
Wenn einige Staaten das Wahlergebnis nicht anerkennen, könnte die Spaltung des Landes nach dem 20. Januar 2025, wenn ein neuer US-Präsident vereidigt werden soll, ein bisher nie erlebtes Niveau erreichen. Im besten Fall wird der neue Präsident nur von einem Teil des Landes anerkannt werden, seine Legitimität und Befugnisse werden also unvollkommen sein. Im schlimmsten Fall wird sich der Verlierer auch zum Präsidenten der Vereinigten Staaten erklären – es wird gleich zwei Präsidenten der Vereinigten Staaten geben. Die parallele Existenz zweier Vereinigter Staaten würde so von einer Redewendung zur Realität – mit katastrophalen Folgen für die USA.
Es kann auch sein, dass eine solche Spaltung der Macht nicht schon nach dieser Wahl Realität werden wird, sondern erst im nächsten Wahlzyklus – obwohl jetzt schon alles dafür bereit ist – Tatsache ist, dass sie früher oder später durchbrechen wird. Dies ist ein weitaus realistischeres Szenario für die Spaltung der USA als der texanische Sezessionismus, aber die Rolle von Texas wird in jedem Fall eine entscheidende sein.
Übersetzung aus dem Russischen. Der Artikel ist am 31. Januar 2024 auf ria.ru erschienen.
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