Der ehemalige US-Präsident Donald Trump kann in Zivilprozessen im Zusammenhang mit den Ausschreitungen in und vor dem US-Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 verklagt werden. Dies geht aus einer mit Spannung erwarteten, folgenreichen Entscheidung des Bundesberufungsgerichts in Washington, DC, hervor. Der Beschluss wird damit erhebliche Auswirkungen auf mehrere Verfahren gegen Trump vor dem Bundesgericht haben. Die Entscheidung geht auf Klagen von zwei Beamten der Capitol Police und Demokraten im Kongress zurück.
In einem einstimmigen Urteil wies das Gericht Trumps leitendes Argument zurück, die "präsidiale Immunität" verbiete es ihm, für die Ereignisse dieses Tages, die noch während seiner Amtszeit stattfanden, haftbar gemacht zu werden. In einer Ansprache an seine Anhänger vor den Ereignissen am Kapitol hatte Trump diese aufgefordert, gegen seine Wahlniederlage "wie der Teufel zu kämpfen", dies aber "friedlich und patriotisch" zu tun.
Im Rahmen seiner Entscheidung argumentierte der Oberste Richter, dass Ex-Präsident Trump "nicht jede Minute eines jeden Tages mit der Ausübung offizieller Pflichten verbringt" und "wenn er in einer inoffiziellen, privaten Eigenschaft handelt, ist er wie jeder Privatbürger zivilrechtlich haftbar."
Vonseiten demokratischer Abgeordneter und zweier Polizeibeamter des US-Kapitols wird in den insgesamt drei vorliegenden Klagen behauptet, dass Trumps "Kampf wie die Hölle"-Rede die Menschenaufläufe vor dem Kapitol ermutigt habe, das Gebäude zu stürmen, und dass er aufgrund der daraus resultierenden Ereignisse Schadenersatz leisten müsse. Zwei Beamte, die während des Aufruhrs demnach verletzt wurden, fordern vom ehemaligen Präsidenten mindestens 75.000 Dollar Schmerzensgeld.
Mittlerweile tauchen regelmäßig Videosequenzen der unübersichtlichen Ereignisse vom 6. Januar 2021 auf, die zumindest darauf hindeuten, dass das Gebäude nicht nur gestürmt wurde, sondern dass unter weiter ungeklärten Umständen auch Türen und Pforten geöffnet wurden, sodass die Demonstranten auch ohne Sachbeschädigungen in das Gebäude gelangten.
Laut Einschätzungen des US-Senders CNN könnten durch den Gerichtsbeschluss bis zu "einem halben Dutzend weiterer Klagen gegen Trump" folgen. Trump wiederum beantragte über sein Verteidigerteam die Abweisung der Klagen gegen ihn aus mehreren Gründen, unter anderem wegen der nun abgelehnten Immunität als Präsident. Das Bezirksgericht von Washington argumentierte weiter, dass "die Handlungen des ehemaligen Präsidenten im Vorfeld der Unruhen im US-Kapitol allesamt dem Bestreben dienten, im Amt zu bleiben, und keine offiziellen Funktionen seiner Präsidentschaft darstellten", so der CNN-Artikel erläuternd.
Die Entscheidung des Gerichts ebnet damit den Weg für kommende Klagen und könnte dabei auch den Ausgang eines Strafverfahrens beeinflussen, das der Sonderstaatsanwalt Jack Smith gegen den ehemaligen Präsidenten angestrengt hat. Im August dieses Jahres erhob Smith Anklage gegen Trump wegen Verschwörung zum Betrug an den USA, Verschwörung zur Behinderung eines offiziellen Verfahrens und Verschwörung gegen die Rechte. Wobei er ebenfalls das Argument anführte, dass Trumps Rede den Sturm auf das Kapitol provoziert habe.
Donald Trumps Anwälte haben demgegenüber immer wieder argumentiert, dass Reden über "Wahlintegrität zum Kern seiner offiziellen Verantwortung als Präsident" gehören und daher vor rechtlichen Konsequenzen geschützt sind. Trump selbst hat den Fall Smith als "erbärmlichen Versuch der kriminellen Biden-Familie und ihres waffenstarrenden Justizministeriums, sich in die Präsidentschaftswahlen 2024 einzumischen", abgetan.
Trump ist derzeit der Spitzenkandidat für die Nominierung der Republikanischen Partei für die Wahl im nächsten Jahr. Der ehemalige Präsident steht jedoch vor zahlreichen rechtlichen Hindernissen. Smith beaufsichtigt parallel zwei Strafverfahren gegen Trump, das zweite betrifft seinen angeblichen Missbrauch von Geheimdokumenten.
Trump erkennt in den juristischen Attacken alleinig die offensichtliche Strategie, dass alle Verfahren gegen ihn Teil desselben übergreifenden, von den Demokraten angeführten Komplotts sind, um ihn als Bidens führenden Gegner vor der Wahl 2024 ins Abseits zu stellen.
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