Im US-Bundesstaat Illinois ist am Dienstag eine noch im Jahr 2018 eingeleitete Untersuchung wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch Mitglieder der katholischen Kirche formell zu Ende gegangen. Die Ermittler nahmen Vorwürfe aus dem Zeitraum von 1950 bis 2019 unter die Lupe und stellten die Ergebnisse in einem umfassenden Bericht der Öffentlichkeit vor. Die Untersuchung enthüllte eine äußerst grausame Realität. Der Generalstaatsanwalt von Illinois, Kwame Raoul, sagte bei der Präsentation der Erkenntnisse am Dienstag in Chicago:
"Ich hoffe, dass dieser Bericht ein Schlaglicht sowohl auf diejenigen werfen wird, die ihre Machtstellungen und Vertrauen missbraucht haben, um sich an unschuldigen Kindern zu vergehen, als auch auf die Männer in der Kirchenführung, die diesen Missbrauch verschleiert haben."
Gleichzeitig bedauerte Raoul, dass viele überlebende Opfer niemals Gerechtigkeit im rechtlichen Sinne erfahren würden, da die Verjährungsfrist in manchen Fällen inzwischen abgelaufen sei. Es sei aber wichtig, die Namen der Peiniger zu nennen, um die Verantwortung der Gesellschaft anzumahnen und somit gewissermaßen zur Heilung der Opfer, die eine lange Zeit stillschweigend gelitten hätten, beizutragen.
Der Generalstaatsanwalt betonte dabei, dass jahrzehntelange Entscheidungen und Strategien der katholischen Führung es den Tätern ermöglicht hätten, sich oft in aller Öffentlichkeit zu verstecken. Die Kirche habe es versäumt, die Betroffenen zu unterstützen. Berichte über Missbrauch seien ignoriert oder vertuscht worden.
Im Dokument werden die Namen von 451 Priestern und Geistlichen aufgezählt, die innerhalb von 70 Jahren in sechs Diözesen der katholischen Kirche im US-Bundesstaat insgesamt 1.997 Kinder missbraucht haben sollen. Die Untersuchung fußt auf Dokumenten in einem Gesamtvolumen von 100.000 Seiten und auf mehr als 600 Zeugnissen der Opfer. Viele der Opfer haben nach eigenen Angaben über mehrere Jahre hinweg gegen Spätfolgen wie Drogensucht, Alkoholismus, Depression und Vertrauensprobleme gekämpft oder am Rande eines Selbstmordes gestanden.
Das Netzwerk von Überlebenden von Missbrauch durch Priester (SNAP) nannte in einer Mitteilung auf ihrer Webseite den Bericht verblüffend. Gleichzeitig hieß es, dass die Zahl der Opfer und Peiniger in der Tat bedauerlicherweise viel höher liegen könnte. Die Organisation verwies darauf, dass die Führung der sechs Diözesen bis zum Beginn der Untersuchung im Jahr 2018 die ihnen bekannten Missbrauchsfälle geheim gehalten habe. Sie habe die Wahrheit nicht anerkennen wollen.
"Die traurige Tatsache, die wir aus diesem und anderen Berichten gelernt haben, ist folgende: Wir glauben, dass jede Strafverfolgungsbehörde, die eine beliebige katholische Diözese in den USA untersuchen wird, genau das gleiche Maß an Verbrechen von Geistlichen und genau das gleiche Maß an Verheimlichung seitens der kirchlichen Führung feststellen wird."
Die Organisation forderte mehr ähnliche Ermittlungen. Die Kirche hatte zu Beginn der Untersuchung durch die Generalstaatsanwaltschaft von Illinois eine Zahl von 103 betroffenen Kindern genannt.
Kardinal Blase Cupich, Erzbischof der Erzdiözese Chicago, sagte am Dienstag, dass der Bericht Missbrauchsvorwürfe von Priestern und Ordensbrüdern enthalte, die unter der Aufsicht eines Ordens und nicht der Diözese selbst gestanden hätten. Dies erkläre teilweise den Unterschied. Er zeigte sich besorgt über die Daten, die in einer irreführenden Weise präsentiert werden können.
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