"Königreich nimmt heute ein Ende" – DeSantis entzieht Disney Selbstverwaltungsstatus

Der US-Freizeitpark "Disney World" im US-Bundesstaat Florida hat nach Kritik an einem umstrittenen Gesetz gegen Unterricht für junge Kinder über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität am Montag seinen Selbstverwaltungsstatus verloren.

Der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, hat am Montag mit einem neuen Gesetz die Kontrolle über den halbautonomen Bezirk von "Disney World" im Bundesstaat Florida übernommen. Das neue Gesetz läuft darauf hinaus, dass Florida den sogenannten "Reedy Creek Improvement District" übernimmt, die Regierungsbehörde, die Disney seit mehr als einem halben Jahrhundert einzigartige Befugnisse in Zentralflorida verleiht. Unter anderem erlaubt es dem Gouverneur, den bestehenden Vorstand des Distrikts – meist Leute mit Verbindungen zu Disney – durch ein fünfköpfiges Gremium zu ersetzen, das er selbst auswählen kann. Das Repräsentantenhaus und der Senat von Florida hatten das Gesetz vor rund zweieinhalb Wochen verabschiedet.

"Heute nimmt das Unternehmens-Königreich endlich ein Ende", sagte DeSantis am Montag in der Feuerwache von Reedy Creek in Lake Buena Vista, Florida. "Es gibt einen neuen Sheriff in der Stadt und Verantwortlichkeit wird das Gebot der Stunde sein." Vorausgegangen war ein heftiger Streit zwischen dem konservativen Gouverneur und dem Unterhaltungsriesen Disney. Der Gouverneur hatte vor knapp einem Jahr das Gesetz "Don't Say Gay" (Sag nicht schwul) unterzeichnet, das den Unterricht über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität im Kindergarten bis zur dritten Klasse sowie den Unterricht, der als nicht altersgerecht gilt, verbietet.

Während das Gesetz bei DeSantis konservativer Wählerschaft auf Zustimmung stößt, verurteilen es Kritiker hingegen als Schlag gegen die LGBTQ-Gemeinschaft. Im März letzten Jahres, als sich die Empörung über das Gesetz landesweit ausbreitete, gab der damalige Disney-Chef Bob Chapek eine Erklärung ab, in der er versprach, sich für die Aufhebung des Gesetzes oder eine gerichtliche Verurteilung einzusetzen. Auch stoppte er alle politischen Spenden seines Unternehmens in Florida. Zuvor hatten Disney-Mitarbeiter, vor allem Schwule, Lesben und Transgender, kritisiert, dass ihr Arbeitgeber nicht öffentlich Stellung gegen die Reform bezogen habe.

DeSantis und andere republikanische Kritiker von Disney warfen dem Unternehmen daraufhin vor, sich gegen das Bildungsgesetz ausgesprochen zu haben, und bezeichneten den Konzern als Verfechter einer "wachen" Ideologie, die unangemessene Themen in die Kinderunterhaltung einbringe. Weil der Konzern sich weiterhin weigerte, die Vorgaben des "Don't say Gay"-Gesetztes zu befolgen, wurde ihm im vergangenen Jahr zudem bereits die Sondersteuerbefugnis entzogen. Damit wurde eine langjährige Vereinbarung beendet, die es dem Unternehmen zuvor ermöglichte, seine weitläufigen, ikonischen Themenparks in der Region Orlando zu einem internationalen Touristenziel und einem der wichtigsten Wirtschaftsmotoren des Bundesstaates auszubauen.

Mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes wurden die Befugnisse des Distrikts zur Besteuerung, zum Bau und zur Aufnahme von Krediten für Projekte und Dienstleistungen rund um Disneys riesiges Gelände in den Bezirken Orange und Osceola am Montag nun an das von DeSantis ernannte Gremium übertragen. Die Schuldenverpflichtungen des Bezirks bleiben hingegen unangetastet, womit einem Hauptanliegen der umliegenden Regierungen Rechnung getragen wird. Ferner wird Reedy Creek in "Central Florida Tourism Oversight District" umbenannt, die Nutzung von Enteignungsrechten eingeschränkt und nie genutzte Befugnisse abgeschafft, die es Disney beispielsweise ermöglicht hätten, einen eigenen Flughafen oder gar ein Kernkraftwerk zu bauen.

Reedy Creek war 1967 durch Floridas Parlament geschaffen worden, um den Bau des weltberühmten Vergnügungsparks in Orlando zu erleichtern. Die Schaffung des Selbstverwaltungsbezirks war entscheidend für Disneys Entscheidung, in den 1960er-Jahren in der Nähe von Orlando zu bauen. Das Unternehmen hatte dem Staat mitgeteilt, dass es den Bau einer futuristischen Stadt mit einem Nahverkehrssystem und städtebaulichen Innovationen plante und deshalb Autonomie beim Bau und bei der Entscheidung über die Nutzung des Landes benötigte. Die futuristische Stadt kam nie zustande und wurde stattdessen in einen zweiten Themenpark umgewandelt, der 1982 eröffnet wurde.

"Disney hat sich gegen etwas ausgesprochen, bei dem es eigentlich nur darum ging, junge Kinder zu schützen und dafür zu sorgen, dass Schüler zur Schule gehen und lesen, schreiben, addieren und subtrahieren lernen können, ohne dass ein Lehrer ihnen sagt, dass sie ihr Geschlecht ändern können", sagte DeSantis am Montag. "Und ich denke, die meisten Eltern stimmen dem zu. Aber wissen Sie, das war nur ein kleines Ärgernis. Ich denke, dass wir, nachdem sich der Staub gelegt hatte, feststellten, dass es eindeutig eine Bewegung innerhalb des Unternehmens selbst gab."

Der Streit mit Disney ist ein zentraler Bestandteil der Erzählung über DeSantis’ Aufstieg an die Spitze der potenziellen republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten für 2024 und ein Beweis dafür, wie weit der Republikaner gegangen ist, um seinen "Krieg gegen die Wokeness" voranzutreiben. Indem er sich mit Disney anlegte, maßregelte DeSantis einen der größten und einflussreichsten Arbeitgeber des Staates. Mit einem Heer von Lobbyisten und millionenschweren Wahlkampfspenden an republikanische Politiker hatte sich der Konzern in der Vergangenheit oftmals großen Einfluss in den amerikanischen Machtzentralen sichern können. 

Der im vergangenen November in einem Erdrutschsieg als Gouverneur wiedergewählte DeSantis gilt als größter Konkurrent für Ex-US-Präsident Trump im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner 2024. Bisher hat der 44-Jährige jedoch noch keine Präsidentschaftsbewerbung verkündet. Während der jüngste Schritt DeSantis’ von konservativen US-Medien gefeiert wird, äußern sich potenzielle Rivalen des aufstrebenden Politikers hingegen kritisch. Der ehemalige US-Vizepräsident Mike Pence etwa bemängelte, dass der Konflikt mit Disney weit "über den Rahmen dessen hinaus geht, was ich als konservativer, regierungskritischer Republikaner zu tun bereit wäre". Ebenso kritisch äußerte sich am Montag der Gouverneur von New Hampshire, Chris Sununu: Die Bestrafung von Unternehmen für politische Äußerungen sei "der schlechteste Präzedenzfall der Welt", mahnte Sununu.

Kritik, die DeSantis getreu seiner Manier mit einem Achselzucken abtut. Denn politisch läuft es für den 44-Jährigen weiterhin gut. So hatte der Gouverneur, dessen Buch "The Courage to be Free" (Der Mut zur Freiheit) am Dienstag erscheint, sein politisches Netzwerk in den letzten Wochen durch Spendensammlungen und Treffen mit Spendern, gewählten Vertretern und konservativen Einflussnehmern erneut ausbauen können. Damit hatte er in den USA die Spekulationen über mögliche, größere politische Ambitionen erneut angeheizt. Sollte sich der Gouverneur für eine Kandidatur entscheiden, werden die kommenden Monate ausschlaggebend sein, da er sein Profil über Florida hinaus ausbauen muss. Es wird erwartet, dass er die kommende reguläre Legislaturperiode, die nächste Woche beginnt, nutzen wird, um seine konservative Agenda zu festigen, bevor er seine Kandidatur für das Präsidentenamt ankündigt.

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