Im Haus des ehemaligen US-Vizepräsidenten Mike Pence im US-Bundesstaat Indiana wurden nach Angaben seines Anwalts geheime Dokumente gefunden. Bei den Unterlagen "scheint es sich um eine kleine Anzahl von Unterlagen mit Verschlusssachenmarkierungen zu handeln, die am Ende der letzten Amtszeit versehentlich in einer Kiste verpackt und in das Privathaus des ehemaligen Vizepräsidenten gebracht wurden", erklärte Pence' Anwalt Greg Jacob bereits letzte Woche in einem Schreiben an das National-Archiv. Demnach sei sich Pence der Existenz klassifizierter Dokumente in seinem persönlichen Wohnsitz nicht bewusst gewesen. Der Anwalt fügte hinzu:
"Er versteht die hohe Bedeutung des Schutzes sensibler und klassifizierter Informationen und ist bereit und willens, vollständig mit dem Nationalarchiv und jeder angemessenen Untersuchung zu kooperieren."
Die Suche nach geheimen Dokumenten in dem Privatanwesen des früheren US-Vizepräsidenten geht demnach auf eine Initiative von Pence selbst zurück. Dieser hatte Jacob nach dem Bekanntwerden des Fundes von Geheimdokumenten im Privathaus von US-Präsident Joe Biden damit beauftragt, die in seinem Haus verbliebenen Dokumente auf Verschlusssachen zu überprüfen. Der US-Nachrichtensender CNN sprach von rund einem Dutzend mutmaßlicher Geheimdokumente, die daraufhin gefunden worden seien. Die teils als geheim eingestuften Akten wurden inzwischen an das FBI übergeben.
Zuvor waren im Haus von US-Präsident Joe Biden in Delaware sowie in seinem früheren Büro in der Hauptstadt Washington teils als geheim eingestufte Unterlagen aus seiner Zeit als US-Vizepräsident gefunden worden. Dies hatte das Weiße Haus allerdings erst nach Medienberichten eingeräumt. US-Justizminister Merrick Garland setzte daraufhin einen Sonderermittler zur Untersuchung des Falls ein. Dieser prüft nun, ob Biden mit der Unterschlagung möglicherweise gegen US-Gesetzte verstoßen hat.
Für Biden ist die Affäre höchst brisant – unter anderem wegen der Parallelen zu seinem Amtsvorgänger Donald Trump. Wie Trump zuvor könnte nämlich auch er durch die Aufbewahrung zahlreicher Regierungsunterlagen in seinen privaten Räumlichkeiten gegen US-Gesetze verstoßen haben. So betonen das Weise Haus und die Demokraten zwar, dass der jetzige Fall nicht mit jenem des früheren US-Präsidenten vergleichbar sei, weil Biden im Gegensatz zu seinem Vorgänger mit den Ermittlungsbehörden kooperiere. Allerdings hatten Trumps Anwälte zu Beginn ebenso mit den Behörden zusammengearbeitet, wie das Nationalarchiv im vergangenen Jahr bestätigte. Dennoch kam es später zu der berüchtigten Razzia durch das FBI.
Hinsichtlich des Fundes bei Pence war der Vorsitzende des mächtigen Kontrollausschusses im von den Republikanern angeführten US-Repräsentantenhaus, James Comer, am Dienstag bemüht, den Fall von der Causa Biden abzugrenzen. Die Transparenz, die Pence an den Tag gelegt habe, stehe in "krassem Gegensatz" zum Weißen Haus, das dem US-Kongress und dem amerikanischen Volk weiterhin Informationen vorenthalte, betonte Comer in einer Stellungnahme. Im Gegensatz zu Biden habe Pence das Gremium umgehend über den Fund von Geheimakten in seinem Haus informiert und "vollständige Kooperation" zugesagt.
Dennoch wirft die Entdeckung von Regierungsunterlagen in den privaten Wohnräumen von Pence Fragen über dessen Glaubhaftigkeit auf. Als der frühere US-Vizepräsident im August gefragt wurde, ob er bei seinem Ausscheiden aus dem Amt irgendwelche Verschlusssachen mitgenommen habe, sagte er der Associated Press: "Nein, nicht dass ich wüsste." In einem Interview mit Fox News ging der frühere Vizepräsident angesichts der brisanten Funde bei Biden Anfang Januar dann näher auf das "Verfahren" ein, das sein Büro nach seinem Ausscheiden aus dem Amt angewendet habe, um sicherzustellen, dass er keine Verschlusssachen mitgenommen hat.
"Bevor wir das Weiße Haus verließen, gingen die Anwälte meiner Mitarbeiter alle Dokumente sowohl im Weißen Haus als auch in unseren Büros dort und in der Residenz des Vizepräsidenten durch, um sicherzustellen, dass alle Dokumente, die an das Nationalarchiv übergeben werden mussten, einschließlich klassifizierter Dokumente, übergeben wurden", erklärte er. "Wir haben in dieser Hinsicht also einen sehr sorgfältigen Prozess durchlaufen."
Zwischen 2017 und 2021 war Pence unter Trump Vizepräsident der USA. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt war es um den früheren Vizepräsidenten zeitweilig jedoch ruhig geworden. Anfang 2022 feierte der Republikaner dann sein Comeback. Bei den US-Zwischenwahlen unterstützte er republikanische Kandidaten, hielt politische Reden und sammelte Geld für seine Interessengruppe "Advancing American Freedom". Pence erwägt laut eigenen Angaben nun sogar eine Präsidentschaftskandidatur bei den kommenden US-Präsidentschaftswahlen – und könnte damit ein Konkurrent seines früheren Chefs Trump werden, der im November seine erneute Präsidentschaftskandidatur verkündet hatte.
Zwar preist der frühere Vizepräsident und Trump-Vertraute noch immer gelegentlich die Errungenschaften der "Trump-Pence-Administration" an, distanziert sich aber inzwischen von seinem ehemaligen Chef. So attestiert Pence dem früheren US-Präsidenten beispielsweise eine Teilschuld an den Geschehnissen des 6. Januar 2021. Trumps Anhänger "stürmten" an diesem Tag das Kapitol in Washington, nachdem der ehemalige Präsident wiederholt behauptet hatte, die vorangegangene Wahl sei manipuliert und gestohlen worden. "Es war klar, dass er beschlossen hat, Teil des Problems zu sein", erklärte Pence im Vorfeld der letzten US-Zwischenwahlen.
Trotz diverser im Raum stehender Differenzen nahm Trump seinen ehemaligen Vertrauten am Dienstag nach Bekanntwerden des Aktenfunds in Schutz. "Mike Pence ist ein unschuldiger Mann", schrieb Trump auf der von ihm mitgegründeten Social-Media-Plattform Truth Social:
"Er hat nie in seinem Leben wissentlich etwas Unehrliches getan. Lasst ihn in Ruhe!"
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