Der ehemalige Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des US-Repräsentantenhauses und demokratische Abgeordnete Adam Schiff räumte am Sonntag ein, dass US-Präsident Joe Biden mit der unsachgemäßen Aufbewahrung der bei ihm entdeckten Verschlusssachen möglicherweise die nationale Sicherheit der USA gefährdet haben könnte. "Ich glaube nicht, dass wir diese Möglichkeit ausschließen können, ohne mehr Fakten zu kennen", sagte Schiff am Sonntag in einem Interview mit dem Sender ABC News. Er fügte hinzu:
"Ich würde gerne wissen, um welche Dokumente es sich handelt … Ich würde gerne wissen, wie die Einschätzung des Sonderberaters ist."
Im Laufe der letzten Tage war bekannt geworden, dass in einem früheren Büro Bidens, in der Garage seines Hauses im US-Bundesstaat Delaware sowie in einem Raum neben der Garage Geheimdokumente aus seiner Zeit als früherer US-Vizepräsident gefunden worden waren. Angesichts der Brisanz des Falls hatte Justizminister Merrick Garland am Donnerstag einen Sonderermittler eingesetzt, um den Fall zu untersuchen. Dieser soll nun prüfen, ob Biden mit der Unterschlagung möglicherweise gegen US-Gesetzte verstoßen hat. Ein Schritt, der notwendig gewesen sei, erklärte Schiff am Sonntag weiter ein. "Der Generalstaatsanwalt muss sicherstellen, dass nicht nur die Gerechtigkeit gleichmäßig angewandt wird, sondern dass auch der Anschein von Gerechtigkeit für die Öffentlichkeit zufriedenstellend ist", so Schiff.
"Und in diesem Fall hatte er meiner Meinung nach keine andere Wahl, als einen Sonderberater zu ernennen."
Für Biden ist all das politisch sehr heikel. Wie zuvor bereits sein Amtsvorgänger Donald Trump könnte nämlich auch er durch die Aufbewahrung zahlreicher Regierungsunterlagen in seinem privaten Büro gegen US-Gesetze verstoßen haben. So betonen Schiff und andere Demokraten zwar, dass der jetzige Fall nicht mit jenem des früheren US-Präsidenten vergleichbar sei, weil Biden im Gegensatz zu seinem Vorgänger mit den Ermittlungsbehörden kooperiere. Allerdings hatten Trumps Anwälte zu Beginn ebenso mit den Behörden zusammengearbeitet, wie das Nationalarchiv im vergangenen Jahr bestätigte. Dennoch kam es später zu der berüchtigten Razzia durch das FBI. "Der Ansatz von Biden war in dem Sinne anders, dass es so aussieht, als ob es ein Versehen war, dass diese Dokumente an diesen Orten waren", verteidigte Schiff seinen Parteifreund:
"Es gab keine Bemühungen, sie festzuhalten, keine Bemühungen, sie zu verbergen, keine Bemühungen, die Ermittlungen des Justizministeriums zu behindern."
Die Geheimdokumente und Hunter Bidens China-Geschäfte
Schiff war seinerzeit einer derjenigen, die Trump für dessen Umgang mit geheimen Regierungsdokumenten seinerzeit mitunter am schärfsten kritisierten. Dass jedoch nun auch bei Biden als geheim eingestufte Unterlagen entdeckt worden sind, ist sowohl für die Demokraten als auch für Biden selbst, höchst unangenehm. Denn die Republikaner im Repräsentantenhaus sind nun bereit, Ermittlungen im Fall der geheimen Biden-Dokumente aufzunehmen – und sich auch mit der Frage zu befassen, welche Rolle dabei möglicherweise auch der Sohn des Präsidenten, Hunter Biden, spielte.
Daher fragte der Vorsitzende des ständigen Ausschusses des Repräsentantenhauses, James Comer, am Freitag schriftlich im Weißen Haus an, ob der skandalumwitterte Sohn des Präsidenten Zugang zu den Akten in der Residenz des Präsidenten in Wilmington gehabt habe. "Der Ausschuss ist besorgt, dass Präsident Biden geheime Dokumente an demselben Ort aufbewahrt, an dem auch sein Sohn wohnt, während er (Hunter) internationale Geschäfte mit Gegnern der Vereinigten Staaten abwickelt", schrieb Comer. "Dokumente, die dem Ausschuss vorliegen, zeigen, dass dieselbe Adresse erst 2018 in Hunter Bidens Führerschein auftauchte."
Der jüngere Biden hatte das Haus in Wilmington nach seiner Scheidung von seiner Ex-Frau Kathleen Buhle im Jahr 2017 als Wohnadresse eintragen lassen. Ebenso soll er die Anschrift zeitweise auch als Rechnungsadresse für seine persönliche Kreditkarte und sein Apple-Konto verwendet haben, berichtete Fox News am Freitag. Gegenüber Behörden gab Hunter fälschlicherweise zudem an, dass ihm die Immobilie gehöre, wie aus einem Formular hervorgeht, das die New York Post-Reporterin Miranda Devine, Autorin des Buches "Laptop From Hell", auf Twitter teilte. Darin ist von 50.000 Dollar Miete pro Monat die Rede, die Hunter angeblich zahlte.
Laut einer Erhebung des Online-Immobilienmarktplatzes Zillow, belaufen sich die teuersten Mietkosten in dieser Gegend jedoch lediglich auf 6.000 Dollar pro Monat. Wenn sich Hunter also die angeblichen 50.000 Dollar Miete pro Monat leisten konnte, weshalb lebte er dann bei seinem wohlhabenden Vater? Für die Republikaner stellt sich daher nun die Frage, ob der Präsidentensohn auf diese Weise möglicherweise Geld aus seinen illegalen Geschäften in die Taschen des heutigen US-Präsidenten geschleust haben könnte.
In diesem Zusammenhang könnte der Familie Biden eine E-Mail-Korrespondenz aus dem Jahr 2017 zum Verhängnis werden. Die am 13. Mai 2017 an Hunter Biden gesendete E-Mail mit der Betreffzeile "Erwartungshaltung" enthielt Einzelheiten zu "Vergütungspaketen" für sechs Personen, die an einem nicht näher bezeichneten Geschäftsvorhaben beteiligt waren. Biden wurde darin als "Vorsitzender / stellvertretender Vorsitzender je nach Vereinbarung mit CEFC" bezeichnet, eine offensichtliche Anspielung auf das ehemals in Shanghai ansässige staatliche Energieunternehmen CEFC China Energy Co.
Ebenso wurde in der E-Mail eine "vorläufige Vereinbarung" skizziert, wonach 80 Prozent des "Eigenkapitals" oder der Aktien des neuen Unternehmens zu gleichen Teilen unter vier Personen aufgeteilt würden, deren Initialen dem Absender und den drei Empfängern entsprechen. Darunter "20" für "H" und "10, die von H für den großen Mann gehalten werden" - wobei "H" sich offenbar auf Hunter und die Bezeichnung "großer Mann" wohl auf seinen Vater Joe Biden bezog, wie Zeugen später gegenüber Fox News bestätigten. CEFC ging Berichten zufolge 2020 Konkurs.
Die Rolle des "Laptops aus der Hölle"
Die durchgesickerten E-Mails waren von der New York Post auf Hunters berüchtigtem "Laptop from Hell" gefunden worden, der 2019 in einer Computerwerkstatt in Delaware abgegeben worden war. "Im folgenden Jahr begannen Bundesermittler zu untersuchen, ob Hunter und seine Geschäftspartner bei ihren Geschäften mit China und anderen Ländern gegen Steuer- und Geldwäschegesetze verstoßen haben", berichtete die Zeitung später. Hier kommt erneut die von Hunter seinerzeit vermeintlich für rund 50.000 Dollar angemietete Immobilie von US-Präsident Joe Biden in Wilmington ins Spiel, in der in der vergangene Woche Dutzende geheimer Regierungsdokumente aus dessen Zeit als Vizepräsident gefunden worden waren.
Denn wie weiteren von der New York Post sichergestellten E-Mails zu entnehmen ist, musste der Biden-Sprössling aus ungeklärten Gründen während dieser Zeit offenbar auch für die Hälfte aller in der Familie anfallenden Kosten aufkommen. "Ich hoffe, ihr könnt tun, was ich getan habe, und 30 Jahre lang alles für die ganze Familie bezahlen", schrieb Hunter im Januar 2019 in einer E-Mail an seine Tochter Naomi. "Es ist wirklich schwer. Aber keine Sorge, im Gegensatz zu Papa werde ich dich nicht zwingen, mir die Hälfte deines Gehalts zu geben." Zwar enthielt der Laptop laut Angaben der Post keine direkten Beweise für solche Geldtransfers. Die E-Mails belegen jedoch, dass Hunter routinemäßig für Haushaltsausgaben aufkam – auch für Reparaturen am Haus in Wilmington.
Wurde mit den vermeintlichen Miet- und Haushaltsausgaben also aus Bidens China-Geschäften erwirtschaftetes Geld gewaschen? Eine Frage, mit der sich seit geraumer Zeit auch die Staatsanwaltschaft in Delaware befasst. Demnach steht der Sohn des Präsidenten unter Verdacht, bei seinen Geschäften mit China Steuern hinterzogen zu haben, wie Hunter im Dezember 2021, nur wenige Wochen nach der Wahl seines Vaters zum Präsidenten, schriftlich erklärte. Jedoch sei er "zuversichtlich, dass eine professionelle und objektive Überprüfung dieser Angelegenheiten zeigen wird, dass ich meine Angelegenheiten rechtmäßig und angemessen behandelt habe."
Das Steuerschlupfloch Delaware
Der US-Bundesstaat Delaware wird in den USA allgemein als Steuerschlupfloch angesehen. Große US-Konzerne lassen sich in Delaware registrieren, weil die Steuersätze und -vorschriften des Bundesstaates äußerst großzügig sind. Sie sparen Milliarden von Dollar an Körperschaftsteuern im Vergleich zur Registrierung in den Staaten, in denen sie tatsächlich ansässig sind. Gleichzeitig bietet Delaware einen weiteren Vorteil für juristische und natürliche Personen auf der ganzen Welt: die einfache sowie anonyme Registrierung von Briefkastenfirmen, die dazu genutzt werden können, Investitionsbestände von Immobilien hin zu Aktien, aber auch herkömmliche Finanztransaktionen zu verbergen.
Jene durch die Anti-Transparenz-Politik des Staates ermöglichten verschiedenen Erleichterungen werden von Steuer- und Betrugsexperten daher auch als "Delaware-Schlupfloch" bezeichnet. Durch die großen Steuervorteile, die dieser zweitkleinste Bundesstaat Amerikas genießt, sowie die Unternehmensverschwiegenheit ist dieser Staat zu einem wichtigen Knotenpunkt in demselben globalen Netzwerk aus Steuervermeidung, Betrug und Geldwäsche geworden, wie auch skurrile kleine Außenposten wie die Caymaninseln und die Bermudas.
Gleichzeitig ist Delaware auch die Heimat des US-Präsidenten. Biden selbst war viele Jahre lang spöttisch als "Senator von MBNA", dem Kreditkartenaussteller, bekannt, weil er bereits während seiner Zeit als Senator des Bundesstaates ein hartnäckiger Verfechter der laxen Vorschriften in Delaware war. Dazu gehörten unter anderem Vorschriften, die weitaus höhere Kreditkartenzinsen zulassen als in anderen Bundesstaaten - weshalb vier der fünf größten US-Kreditkartenaussteller inzwischen in Delaware registriert sind.
Ermöglicht wird das "Delware-Schlupfloch" auch durch den Umstand, dass die Fälle am dortigen Gerichtshof entgegen der gängigen US-Praxis nämlich nicht von Geschworenen verhandelt werden, was der Korruption Tür und Angel öffnet. Somit bietet Delaware das Äquivalent eines chinesischen Buffets zur Steuervermeidung – man kann fast alles haben, was man will, und zwar in ungeheuren Mengen. Das für Finanzkriminelle vielleicht attraktivste Element des "Delaware-Schlupflochs" ist jedoch die dort herrschende Befreiung der Einnahmen aus immateriellen Vermögenswerten von der staatlichen Körperschaftssteuer. Zu den immateriellen Vermögenswerten eines Unternehmens zählt normalerweise zwar vorwiegend geistiges Eigentum, wie Patente, Marken oder Logos –, aber eine kreative Buchführung kann diese Bezeichnung bis zur Absurdität ausdehnen.
So geschehen vermutlich auch im Fall der fragwürdigen Haushaltsbücher der Familie-Biden. 2017 war Hunter Biden von einer Crack-Kokain-Sucht betroffen, die Tausende Dollar kostete. Im August 2018 wurde er etwa heimlich dabei aufgezeichnet, wie er seine Schwägerin und spätere Geliebte Hallie Biden anflehte, ihm seine Kreditkartenpunkte zu überlassen, damit er einen Reha-Aufenthalt bezahlen könne. Wie also hat Hunter zu jener Zeit 50.000 Dollar Miete pro Monat aufbringen können? Und weshalb verlangte der "große Mann" überhaupt Geldleistungen von seinem offensichtlich zahlungsunfähigen Sohn? Angesichts dieser Widersprüche ist es wahrscheinlicher, dass es sich bei den hohen monatlichen Geldtransfers um die in der kryptischen E-Mail vereinbarten Zahlungen der inzwischen insolventen Firma CEFC China Energy Co. handelte.
Ob es sich dabei allerdings um den entscheidenden Beweis handelt, der die Biden-Familie zu Fall bringen wird, bleibt vorerst offen. Comer deutete am Freitag zumindest an, dass die jüngsten Enthüllungen über die geheimen Dokumente im Kontext der Untersuchung seines Ausschusses über "die Einflussnahme der Familie Biden" stünden. Demnach lägen dem Ausschuss Beweise vor, die zeigten, wie die Familie des Präsidenten von "anonymen Spenden" – auch aus China – profitiert habe. "Und ich kann Ihnen sagen, was wir gerade in den letzten Tagen von Bidens falschem Umgang mit Geheimdokumenten erfahren haben, ist, dass das Biden-Zentrum hauptsächlich durch anonyme Spenden aus China finanziert wurde", erklärte Comer gegenüber CNN:
"Es gibt hier ein Muster. Was das amerikanische Volk bei unserer Untersuchung sehen wird, ist ein Muster anonymer Spenden, die in Hunters Geschäfte, in das Biden Center und in die Kunstwerke flossen, die Hunter in der Kunstgalerie in New York verkaufte."
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