Nach einer Serie von Niederlagen für den Republikaner Kevin McCarthy geht der Machtkampf um das höchste Amt im US-Parlament an diesem Donnerstag in die nächste Runde. Das US-Repräsentantenhaus stimmte am Mittwochabend dafür, die Sitzung auf Donnerstagmittag zu vertagen. Zuvor hatte McCarthy zwei Tage lang bei mittlerweile sechs Wahlgängen stets die erforderliche Mehrheit zur Wahl als Vorsitzender der Parlamentskammer verfehlt. Es ist völlig offen, ob es der 57-Jährige nun bis zur kommenden Sitzung schafft, seine Gegner in der eigenen Partei hinter sich zu vereinen.
McCarthy könnte nun womöglich versuchen, mit den Abgeordneten der Demokratischen Partei Verhandlungen aufzunehmen. Diese könnten ihm etwa durch Enthaltungen in deren Reihen zu einem Wahlsieg verhelfen, weil das die Zahl der zur Wahl erforderlichen Ja-Stimmen senken würde. Möglich wäre aber ebenso, dass ein neuer Kandidat aufgestellt wird, auf den sich die "Republikaner" geschlossener verständigen können. Denkbar wären aber auch Gespräche mit den "Demokraten" über einen Konsenskandidaten, den auch sie mittragen würden. Ein Ausweg blieb zunächst aber völlig unklar.
Am Mittwochabend war es im Repräsentantenhaus noch einmal spannend geworden, als die Abgeordneten nach einer mehrstündigen Pause erneut zusammenkamen. Zuvor hatte McCarthy hinter den Kulissen verhandelt – offenbar jedoch ohne Erfolg. Im Anschluss an die Gespräche sagte er:
"Ich glaube nicht, dass eine Abstimmung heute Abend etwas ändert, aber ich denke, dass eine Abstimmung in der Zukunft etwas ändern wird."
Wohl um eine neuerliche Blamage bei einer siebten Abstimmung zu vermeiden und Zeit zu gewinnen, beantragte ein McCarthy-Vertrauter, die abendliche Sitzung zu vertagen. Allerdings stemmten sich die Demokraten gegen das Vorhaben. Erst im letzten Moment wurde der Antrag mit einer hauchdünnen Mehrheit der Republikaner angenommen.
Trumps Intervention verpufft
Am Dienstag und Mittwoch hatten mehrere Republikaner ihrem Parteikollegen McCarthy die Unterstützung verweigert und bei der Wahl um den Vorsitz für andere Kandidaten gestimmt. So versammelten sich 20 Republikaner bei den Wahlgängen am Mittwoch hinter dem Gegenkandidaten Byron Donalds. McCarthys Gegner hatten diesen Republikaner nominiert. Da die Republikaner in der Parlamentskammer nur eine knappe Mehrheit haben, ist McCarthy fast auf jede Stimme in seiner Partei angewiesen, um zum Vorsitzenden gewählt zu werden. Gegen ihn stellten sich Anhänger des vormaligen US-Präsidenten Donald Trump.
Dieser schaltete sich schließlich am Mittwoch ein und rief seine Parteikollegen auf, einen Gesichtsverlust zu vermeiden und McCarthy auf den Chefposten zu wählen. Er hatte den Republikaner aus dem US-Bundesstaat Kalifornien bereits zuvor unterstützt. Über McCarthys Gegenkandidaten Donalds schrieb der Ex-Präsident auf dem von ihm mitgegründeten Netzwerk Truth Social:
"Seine Zeit wird kommen, und sie wird groß sein, aber nicht jetzt!"
Doch die Appelle Trumps liefen ins Leere. "Seine Partei reagierte mit einem kollektiven Achselzucken", schrieb die Washington Post. Der ehemalige Präsident und seine Unterstützung für McCarthy seien im Grunde genommen "irrelevant" gewesen.
Für McCarthy sind die Niederlagen in Serie eine historische Schlappe und eine öffentliche Bloßstellung. Es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass bei der Wahl mehr als ein Anlauf nötig ist und eine Fraktion ihren Kandidaten nicht im ersten Durchgang ins Amt wählt. Es ist unklar, ob und wie McCarthy seine Gegner bis zur nächsten Abstimmung überzeugen kann. Der Republikaner Scott Perry sagte, die Abstimmungen könnten sich bis ins Wochenende hinziehen. Bis der Vorsitz geklärt ist, geht im Repräsentantenhaus gar nichts – nicht mal die neuen Abgeordneten können vereidigt werden.
McCarthy zu soft?
Zu den Gegnern McCarthys zählen vor allem Abgeordnete, die fest hinter Trump stehen. Eine Abgeordnete von diesen ist die 36-jährige Lauren Boebert, die bei den Zwischenwahlen ihren Sitz im Parlament für den Bundesstaat Colorado nur ganz knapp verteidigen konnte. Weitere Gegner sind Paul Gosar und Matt Gaetz. Gosar verteidigte die Menschenmenge, die am 6. Januar 2021 das Kapitol stürmte. Gaetz machte sich immer wieder über Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Krise lustig.
Die Trump-Anhänger schätzen McCarthy als zu gemäßigt ein und befürchten, dass er zu bereitwillig gegenüber der Demokratischen Partei sein könnte. Gaetz erklärte, McCarthy sei "den Lobbyisten und Sonderinteressen verpflichtet, die diesen Ort [den Kongress] und diese Nation unter der Führung sowohl der Republikaner als auch der Demokraten korrumpiert haben".
Eigentlich gehört zu dieser Gruppe auch die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene. Sie hatte McCarthy in der Vergangenheit immer wieder offen kritisiert, steht nun aber bisher fest hinter ihm. Ein Grund dürfte sein, dass dieser ihr wichtige Posten und mehr Macht in der Fraktion versprochen haben dürfte. Bei den Abstimmungen war Greene häufiger an seiner Seite zu sehen. Ihre ehemaligen Trump-Mitstreiter ging sie hingegen offensiv auf Twitter an.
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(rt de/dpa)