Twitter-Chef Elon Musk hat am Dienstag James Baker, den stellvertretenden Chefjuristen des Kurznachrichtendienstes, wegen Bedenken über dessen Rolle bei der Unterdrückung von Informationen unter der vorherigen Geschäftsführung aus dem Unternehmen geworfen. "Angesichts von Bedenken über die mögliche Rolle von James Baker bei der Unterdrückung von Informationen, die für den öffentlichen Dialog wichtig sind, wurde er heute von Twitter entlassen", teilte der Milliardär am Dienstag über den Kurznachrichtendienst mit. Vor seiner Karriere bei Twitter war Baker als Jurist für das FBI tätig gewesen, wo er unter anderem an der "Russiagate"-Kontroverse beteiligt war. Musks Kommentar schien sich nun aber auf dessen Beteiligung an den sogenannten "Twitter-Files" zu beziehen.
Die Dokumente, die die interne Twitter-Kommunikation im Zusammenhang mit der Entscheidung, den Zugang zu einer Geschichte der New York Post über Hunter Bidens Laptop zu blockieren, aufzeigen, wurden Ende vergangener Woche von dem Journalisten Matt Taibbi veröffentlicht. Am Dienstag veröffentlichte der Journalist dann einen ergänzenden Thread, in dem er erklärte, dass Baker an der Überprüfung der ersten Reihe der Twitter-Files beteiligt gewesen war, "ohne Wissen des neuen Managements", was offenbar eine Anspielung auf den neuen Twitter-Eigentümer Musk sein sollte. "Am Freitag wurde der erste Teil der Twitter-Dateien veröffentlicht. Wir hatten erwartet, dass wir am Wochenende mehr veröffentlichen würden. Viele haben sich gefragt, warum es eine Verzögerung gab".
Taibbi erklärte: "Das Verfahren zur Erstellung der 'Twitter Files' beinhaltete die Lieferung an zwei Journalisten (Bari Weiss und mich) über einen Anwalt, der dem neuen Management nahe steht." Nach der Veröffentlichung der ersten Reihe an Dokumenten am Freitag seien die "Dinge jedoch kompliziert" geworden, da der Konzern entgegen der ursprünglichen Vereinbarung plötzlich die Sichtung weiterer Dokumente in Zusammenhang mit den Twitter Files behindert habe. "Am Wochenende, als wir beide mit Hindernissen für neue Recherchen zu kämpfen hatten, entdeckte Bari Weiss, dass die für die Freigabe der Dateien zuständige Person jemand namens James Baker war. 'Mir fiel die Kinnlade runter'", soll Weiss gegenüber Taibbi gesagt haben.
Bakers Rolle bei der Russiagate-Kontroverse
Baker wurde im Juni 2020 als Stellvertreter von Vijaya Gadde eingestellt – eine der ersten Twitter-Führungskräfte, die Musk nach dem Kauf des Unternehmens im Oktober entließ. Die am Freitag veröffentlichten Dokumente zeigen, dass der Jurist offenbar eine wichtige Rolle bei der Zensur der sachlich korrekten Geschichte der New York Post über Hunter Bidens Laptop im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen 2020 spielte. Während seiner Zeit beim FBI war Baker als Chefjustiziar zudem direkt an der Beantragung eines FISA-Beschlusses zur Ausspähung von Donald Trumps Präsidentschaftswahlkampf beteiligt gewesen, der auf dem fiktiven "Steele-Dossier" beruhte.
In dieser Angelegenheit arbeitete Baker eng mit dem ehemaligen FBI-Direktor James Comey zusammen, der das Dossier seinerzeit an die Presse weitergab und später die Ernennung von Robert Mueller zum Sonderberater in dem Fall vorbereitete, nachdem er von Trump entlassen worden war. Comey hatte dem damaligen Präsidenten zuvor jedoch versichert, selbst kein Verdächtiger in der Russiagate-Untersuchung zu sein, obwohl das FBI während dieser Zeit dem FISA-Gericht unter Eid – in von Baker geprüften und von Comey genehmigten Anträgen – sagte, dass die Trump-Kampagne mit dem Kreml unter einer Decke steckte.
Es war aber der demokratische Rechtsanwalt Michael Sussmann, der Baker 2016 letztlich benutze, das FBI die falsche Behauptung über eine Verbindung zwischen Trump und der russischen Alfa-Bank untersuchen zu lassen. Sussmann wurde später beschuldigt, Baker gesagt zu haben, dass er "für keinen Kunden" arbeite, die Arbeit später aber der Hillary Clinton-Kampagne in Rechnung gestellt habe. Nachdem Baker 2018 angehalten war, seine Tätigkeit für das FBI wegen der Russiagate-Kontroverse zu beenden, arbeitete er eine zeitlang für Brookings, ein demokratischer Think-Tank in Washington, dessen Forscher Igor Danchenko Steeles wichtigste Unterquelle gewesen war. Kurz vor den US-Präsidentschaftswahlen landete er 2020 schließlich bei Twitter, wo er die Unterdrückung einer Geschichte unterstützte, die Trump zur Wiederwahl hätte verhelfen können.
"Baker ist eine umstrittene Figur. Er war so etwas wie ein Zelig der FBI-Kontroversen, die bis ins Jahr 2016 zurückreichen, vom Steele-Dossier bis zum Alfa-Server-Chaos. Er trat 2018 nach einer Untersuchung über undichte Stellen in der Presse zurück", erläuterte Taibbi auf Twitter. "Die Nachricht, dass Baker die 'Twitter-Akten' überprüft hat, hat, gelinde gesagt, alle Beteiligten überrascht." Musk habe daraufhin schnell gehandelt und Baker am Dienstag "entlassen". Von ihrer weiteren Arbeit abhalten lassen sich die beiden Journalisten trotz des Vorfalls jedoch nicht. "Wir haben heute die Durchsuchung des Materials aus den Twitter-Akten wieder aufgenommen – eine ganze Menge davon. Die nächste Folge von 'The Twitter Files' wird bei Bari Weiss erscheinen. Bleibt dran", stichelte Taibbi.
Das FBI unterdrückte die Hunter-Biden-Laptop-Geschichte
Nach der Übernahme von Twitter hatte sich Musk vermehrt für mehr Meinungsfreiheit auf der Social Media-Plattform eingesetzt. Musk, der sich selbst als "Absolutist der freien Meinungsäußerung" bezeichnet, hatte in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen bestimmt, weil er diverse Accounts hatte freischalten lassen, die vor seiner Twitter-Übernahme wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen des Konzerns gesperrt worden waren, darunter auch das Konto des früheren US-Präsidenten Donald Trump. Mit der Veröffentlichung der sogenannten "Twitter Files" will Musk der jahrelangen "Unterdrückung der freien Meinungsäußerung" durch Twitter nun endgültig Einhalt gebieten.
Die bisher veröffentlichten Teile der Twitter Files belegen die Zusammenarbeit des Kurznachrichtendienstes mit der US-Regierung bei der Kontrolle der Geschichte über den Laptop Hunter Bidens vor den Präsidentschaftswahlen 2020. Twitter hatte seinerzeit außergewöhnliche Schritte unternommen, um die brisante Geschichte der New York Post zu zensieren. Als die Zeitung den Artikel auf dem Höhepunkt des US-Präsidentschaftswahlkampfs im Jahr 2020 veröffentlicht hatte, hatte Twitter kurzerhand die Verbreitung sämtlicher Weblinks zu dem Artikel unterbunden. Unter anderem konnte der Text daraufhin nicht mehr per Tweet oder Direktnachricht weitergeleitet werden.
Besonders unter den US-Republikanern hatte das Vorgehen des Konzerns damals für Unmut gesorgt. Viele hatten sich gefragt, ob Twitter mit der Zensur der Geschichte möglicherweise illegale Wahlkampfhilfe für US-Präsident Joe Biden betreibe. Taibbis Enthüllungen belegen nun, dass das Wahlkampfteam von Joe Biden den Kurznachrichtendienst nur wenige Wochen vor dessen Wahl zum US-Präsidenten tatsächlich angewiesen hatte, bestimmte politische Inhalte zu entfernen. So zeigen die am Freitag veröffentlichten Screenshots diverser E-Mails, dass Twitter-Mitarbeiter unter anderem absichtlich Nutzer suspendiert, gesperrt oder zensiert hatten, die die Kontroverse um den Inhalt von Hunter Bidens Laptop kommentiert hatten.
Die Twitter Files enthüllten am Freitag zudem, dass die Entscheidungen zur Zensur der Berichterstattung der New York Post "auf den höchsten Ebenen des Unternehmens getroffen wurden, jedoch ohne das Wissen von CEO Jack Dorsey. Eine wichtige Schlüsselrolle bei der Entscheidung, die Geschichte um Hunter Biden zu zensieren, habe hingegen die ehemalige Leiterin der Abteilung für Recht und Politik, Vijaya Gadde, innegehabt. Eine direkte Beteiligung der US-Regierung an dem Komplott habe es entgegen früherer Annahmen laut derzeitigem Erkenntnisstand allerdings nicht gegeben, wie Taibbi nach der Sichtung des ersten Teils der Twitter-Interna erläuterte.
"Obwohl sich mehrere Quellen daran erinnerten, im Sommer von einer 'allgemeinen' Warnung der Bundesstrafverfolgungsbehörden vor möglichen ausländischen Hacks gehört zu haben, gibt es keine Beweise – die ich gesehen habe – für eine Beteiligung der Regierung an der Laptop-Geschichte." Unklar ist nun jedoch, ob Baker dem Journalisten womöglich Akten vorenthalten hat, die gezeigt hätten, dass die US-Regierung möglicherweise doch die Unterdrückung der Hunter-Biden-Laptop-Geschichte zu verantworten hatte.
Twitter hatte die Enthüllungen der New York Post damals zensiert, weil sie angeblich gegen die "Hacked Materials Policy" des Unternehmens verstoßen hatten. Nahezu alle Medien hatten es dem Konzern gleichgetan und die Laptop-Geschichte unterdrückt. Ehemalige führende US-Geheimdienstler hatten die in dem Artikel veröffentlichten Rechercheergebnisse gar als russische Propaganda diffamiert. Zahlreiche US-Medien haben in den vergangenen Monaten jedoch eine komplette Kehrtwende vollzogen. Sowohl die New York Times als auch die Washington Post, NBC News und Politico bestätigten zuletzt, dass der Inhalt des Laptops authentisch ist. Auch der ehemalige Twitter-CEO Jack Dorsey räumte inzwischen ein, dass es ein Fehler gewesen sei, sich in die Hunter Biden-Story einzumischen.
Zuletzt wurde vermehrt die Frage aufgeworfen, ob das FBI mit dem ehemaligen Twitter-Management zusammenarbeitete, um die US-Wahlen 2020 zugunsten von Joe Biden zu manipulieren. Wie der FBI-Agent Elvis Chan während einer eidesstattlichen Aussage für ein von den Republikanern geführtes Gerichtsverfahren gegen die Biden-Administration wegen der "Zensur" von Twitter letzte Woche bestätigte, traf sich das FBI im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen 2020 demnach nämlich wöchentlich mit Vertretern des Kurznachrichtendienstes.
Gegenüber dem Richter räumte Chan ein, seinerzeit Teil einer Gruppe gewesen zu sein, die sich aus Experten für ausländische Einflussnahme und Cybersicherheitsinfrastrukturen zusammensetzte. Diese Gruppe habe sich regelmäßig mit Vertretern des Kurznachrichtendienstes getroffen, um über den Umgang mit vermeintlichen Fehlinformationen über die US-Präsidentschaftswahl 2020 zu diskutieren. Wie der US-Sender Fox News am Dienstag berichtete, sei es bei diesen Diskussionen demnach überwiegend um vermeintliche russische Desinformationen gegangen.
Der zuständige Generalstaatsanwalt John Sauer erklärte nach der Verhandlung: "Chan war für Cybersicherheitsfragen des FBI in der Region San Francisco, Kalifornien, zuständig, in der sich die Hauptsitze der wichtigsten Social-Media-Plattformen befinden, und spielte für das FBI eine entscheidende Rolle bei der Koordinierung mit Social-Media-Plattformen in Bezug auf Zensur." Auch Eric Schmitt, Justizminister von Missouri, räumte am Dienstag ein, dass das FBI mit Tech-Giganten zusammengearbeitet habe, um die Hunter-Biden-Laptop-Geschichte zu unterdrücken.
"Dies ist eine Geschichte, in der die Bundesregierung mit all ihrer enormen Macht und Autorität mit einigen der größten Unternehmen in der Geschichte der Welt zusammenarbeitet, um zu verschleiern, was da draußen ist, was die Leute tatsächlich lesen und vor einer Wahl wissen könnten", sagte Schmitt in einem Interview mit Fox News. Schmitt behauptet auch, dass er eine eidesstattliche Erklärung von Chan erhalten habe, wonach das FBI den Laptop von Hunter Biden hatte – lange bevor die New York Post im Vorfeld der Wahl 2020 eine Geschichte über dessen Inhalt schrieb.
Das FBI "saß darauf, sie haben nichts damit gemacht, sie wussten, dass es kein gehacktes Material war, sie wussten, dass es legal war", behauptete der Minister. Schmitts Aussage zufolge habe das FBI auch "genau gewusst", wann die New York Post ihre brisante Geschichte über den Biden-Laptop veröffentlichen wollte. Aufgrund der sogenannten Laptop-Affäre steht US-Präsident Joe Biden unter anderem in Verdacht, durch ausländische Geldgeber beeinflusst worden zu sein. Dutzende Millionen Dollar sollen ausländische Interessengruppen und Regierungen auf die Bankkonten seines Sohnes überwiesen haben. Im Gegenzug hätten die Geldgeber anschließend Kontakt zu Joe Biden sowie weitere Vorteile – etwa bei Geschäften – erhalten.
Unternehmen in China, Russland, der Ukraine, Kasachstan, Rumänien und mehreren anderen Ländern hatten laut den von der New York Post analysierten Daten auf Hunter Bidens Laptop Geld an ihn gezahlt, von dem auch sein Vater Joe profitiert haben soll. Angeblich kamen allein aus China 30 Millionen Dollar. Auch werfen Geschäfte in der Ukraine Fragen auf. Hunter Biden hatte zwischen 2014 und 2019 einen lukrativen Posten im Aufsichtsrat des ukrainischen Gaskonzerns Burisma inne, während Joe Biden als US-Vizepräsident federführend für die Ukraine zuständig war. Niemand, weder das Weiße Haus noch Hunter Biden selbst, bestreitet die Echtheit der Daten, die zuerst auf 4chan gepostet worden waren.
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