Das ist ein Paukenschlag, und hat das Potenzial, für bürgerkriegsähnliche Zustände in den USA zu sorgen: 49 Jahre nach dem legendären Urteil im Fall Roe gegen Wade, der damals die Straflosigkeit von frühzeitigen Abtreibungen postulierte, hat das Oberste Gericht der USA in einer am Freitag verkündeten Entscheidung seine jahrzehntelange liberale Rechtsprechung zu Abtreibungen revidiert.
Der mehrheitlich konservativ besetzte Supreme Court in Washington machte am Freitag damit den Weg für strengere Abtreibungsgesetze frei – bis hin zu kompletten Verboten in einzelnen US-Bundesstaaten. Damit ist das aktuelle Recht auf Abtreibung in den Vereinigten Staaten nach fast einem halben Jahrhundert Geschichte.
"Die Verfassung gewährt kein Recht auf Abtreibung",
heißt es in der heutigen Urteilsbegründung. Es gibt in den USA kein landesweites Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche erlaubt oder verbietet. Abtreibungen waren bisher aber mindestens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt – etwa bis zur 24. Schwangerschaftswoche. Dies stellte bisher das bereits erwähnte Urteil des Obersten US-Gerichts aus dem Jahr 1973 sicher, das als Roe vs. Wade bekannt ist. Ein weiteres Urteil von 1992, Planned Parenthood vs. Casey, bestärkte die geltende Rechtsprechung und passte sie etwas an. Der Supreme Court hat diese Entscheidungen nun gekippt.
Das Abtreibungsrecht ist in den USA immer wieder Thema heftiger Auseinandersetzungen. Gegner versuchen, die liberalen Regeln seit Jahrzehnten zu kippen. Unter dem vorigen Präsidenten Donald Trump rückte der Supreme Court deutlich nach rechts. Der Republikaner ernannte während seiner Amtszeit die Richter Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett. Die Richterinnen Sonia Sotomayor und Elena Kagan sowie Richter Stephen Breyer stimmten heute gegen die Entscheidung. Sie gelten als liberal.
Kurz nach Verkündung des Urteils ordnete die Polizei von Washington, D.C., die volle Mobilisierung ihrer Kräfte vor. Man bereite sich auf heftige spontane Proteste und Straßenschlachten vor, meldeten örtliche Medien inzwischen.
Der Deutsche Bundestag hat demgegenüber am Freitag mit großer Mehrheit für die Streichung des § 219a StGB gestimmt, und damit das Verbot, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben, abgeschafft. Lediglich Teile der AfD und der CDU votierten gegen die Abschaffung des Paragrafen.
Am Donnerstag hatte der Supreme Court in einer nicht weniger kontroversen Entscheidung bereits das Recht auf das Tragen von Schusswaffen in den Vereinigten Staaten gestärkt.
(rt/dpa)
Mehr zum Thema - USA: Mann plante Mordanschlag auf Obersten Richter Brett Kavanaugh