Unbemannte Luftfahrzeuge, KI-Atombomber, Palantir: US-Militär investiert in Künstliche Intelligenz

Die Nachfrage nach Waffen- und Analysesystemen auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) steigt. Um bei der modernen Kriegsführung mithalten zu können, werden kaum mehr Kosten und Mühen gescheut, die hoch entwickelten Technologien zu implementieren. Nun haben die USA in die Entwicklung der neusten militärischen KI-Generation investiert.

Künstliche Intelligenz (KI) hält in unseren Alltag zunehmend Einzug. Ob autonom fahrende Autos, intelligente Spracherkennungsprogramme, Analysetools oder selbst lernende Roboter – Künstliche Intelligenz liegt im Trend und birgt viele Vorteile. Auch die Verteidigungs- und Rüstungsindustrie setzt bei ihren Innovationen zunehmend auf für das Militär und die Geheimdienste entwickelte autonome Systeme.

Nun hat das US-Government Accountability Office (GAO), die amerikanische Aufsichtsbehörde, Mitte Februar einen Statusbericht zu nahezu allen laufenden KI-Projekten des US-Militärs veröffentlicht. Mehr als 685 sollen es dem Bericht zufolge sein. 

Der Bericht mit dem Titel "ARTIFICIAL INTELLIGENCE – Status of Developing and Acquiring Capabilities for Weapon Systems" (Künstliche Intelligenz – Stand der Fähigkeiten zur Entwicklung und Beschaffung von Waffensystemen) zeigt auf, dass sich das US-Verteidigungsministerium (Pentagon) bei Kampfeinsätzen in Angelegenheiten der Zielerkennung, der Schlachtfeldanalyse und der Autonomie unbemannter Systeme zunehmend auf den Einsatz der KI konzentriert.

So arbeitet beispielsweise das Joint AI Center, ein KI-Innovations- und Forschungszentrum des US-Militärs, an einem intelligenten Sensor, der Bedrohungen erkennen und entsprechendes Bildmaterial an Analysten weiterleiten soll, während die US-Marine das Undersea Warfare Decision Support System entwickelt, das Soldaten bei der Planung und Durchführung von Einsätzen im Rahmen der Unterwasserkriegsführung unterstützen soll.

"KI-Fähigkeiten werden Maschinen in die Lage versetzen, Aufgaben auszuführen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern, wie zum Beispiel das Ziehen von Schlussfolgerungen und das Erstellen von Vorhersagen", schrieb das GAO in einem Memo vom 17. Februar an die Führung des Senate Armed Services Committee, einen Ausschuss des US-Senats, der für die parlamentarische Kontrolle des US-Verteidigungsministeriums zuständig ist:

"Darüber hinaus ist zu erwarten, dass KI-fähige Maschinen Manöver und Taktikänderungen mit einer Geschwindigkeit durchführen können, zu der menschliche Bediener nicht in der Lage sind."

Die Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz hat für das US-Verteidigungsministerium höchste Priorität. Der jetzt veröffentlichte Bericht zeigt allerdings überwiegend KI-Projekte auf, die Teil eines größeren Programms sind. Geheimprojekte werden nicht erwähnt. Für das Haushaltsjahr 2022 beantragte das Ministerium jedoch 14,7 Milliarden US-Dollar für Wissenschafts- und Technologieprogramme, wie das GAO ausführt, sowie 874 Millionen US-Dollar zur "direkten Unterstützung" von KI-Bemühungen.

Mit KI-Systemen in die Zukunft schauen 

Größter Profiteur der vierten Industriellen Revolution (Industrie 4.0) scheint im Moment das Datenanalyseunternehmen Palantir zu sein. Am Mittwoch wurde bekannt, dass Palantir einen 34 Millionen US-Dollar schweren Software-Beschaffungsauftrag von der US-Armee erhalten hat, um die Weiterentwicklung der Army Intelligence Data Platform (AIDP), ein auf KI gestütztes Gefechtsführungsanalysesystem, zu unterstützen. Das US-Militär setzt die Plattform ein, um Vorhersagen zu treffen, wo Milizen oder gegnerische Armeen zum Beispiel Bodenminen platzieren, um die Wagenkonvois der US-Streitkräfte anzugreifen.

Dass das Analysetool somit praktisch in der Lage ist, in die Zukunft zu schauen, liegt an dessen Fähigkeit, durch Nutzung verschiedener, eigens vom Unternehmen hierzu entwickelter Software-Plattformen, Verbindungen und Zusammenhänge von Informationen schier unendlicher Datenmengen herzustellen, die über herkömmliche Methoden der Datenverarbeitung nicht sichtbar werden. Mit anderen Worten nutzt das Programm unter Zuhilfenahme möglichst vieler Informationen Wahrscheinlichkeitsberechnungen, um potenzielle zukünftige Handlungen und Entscheidungen des Gegners möglichst genau zu prognostizieren.

Eine unvorstellbar mächtige, aber auch gefährliche Waffe der modernen Kriegsführung, die unter dem Einfluss möglicher Fehlinformationen zu fatalen Entscheidungen führen kann, da das US-Militär auch im Bereich der nuklearen Kriegsführung vermehrt auf autonome Analysetools in Kampfsystemen setzt. 

Die neue Art der Luftkriegsführung

Im Jahr 2020 stellte die US-Luftwaffe stolz ihren ersten KI-gesteuerten Tarnkappenbomber B-21 vor. Er ist der erste neu entwickelte US-Atombomber seit mehr als 30 Jahren. Das Flugzeug ist in der Lage, nicht nur ferngesteuert, sondern mittels Künstlicher Intelligenz auch autonom zu fliegen und ohne menschliches Eingreifen Ziele zu erkennen und anzugreifen, ohne selbst entdeckt zu werden. Obwohl das US-Militär darauf besteht, dass die letzte Entscheidung beim Anvisieren eines Ziels immer bei einem menschlichen Bediener des Flugsystems liege, dringen hierzu nur zaghaft Daten an die Öffentlichkeit. Die Tarnkappenbomber sind in der Regel mit nuklearen Bomben bestückt. 

Die ersten sechs Bomber des Typs B-21 befänden sich bereits in den letzten Zügen der Fertigstellung und sollen noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden. Dies verkündete Major General Jason R. Armagost, Direktor für strategische Pläne, Programme und Anforderungen beim US-Air Force Global Strike Command (AFGSC), dem Hauptkommando der US-Air Force, das für den im Rahmen der US-Air Force organisierten Teil der US-Atomstreitkräfte zuständig ist, beim diesjährigen Nuclear Deterrence Summit, einem US-Gipfel zur nuklearen Abschreckung.

"Die B-21 wird in Zukunft unser durchschlagkräftiges, zugangsverhinderndes, doppelwandiges Flugzeug sein", sagte Armagost. "Es gibt jetzt sechs dieser Flugzeuge. Die Markteinführung wird wahrscheinlich noch in diesem Jahr erfolgen. Ich bin nicht befugt, ein wahrscheinliches Datum dafür zu nennen, aber der Erstflug wird schnell folgen." Weiter ergänzte er:

"Bei der B-21 zum Beispiel gibt es Technologien, die wir erforschen, um das Risiko durch andere Plattformen zu verringern, und die wir integrieren können, bevor das Flugzeug überhaupt fliegt. Es ist also eine aufregende Art und Weise, zu dieser modellbasierten Systemtechnik zurückzukehren, die einige Möglichkeiten für die Instandhaltung und die Interaktion mit der Umwelt eröffnet hat, die für zukünftige Systeme wirklich nützlich sind."

Autonome Nuklearsysteme ohne menschliche Entscheider 

Im Laufe seiner Rede kam Armagost auch auf andere KI-gestützte Systeme des US-Militärs zu sprechen und deutete an, dass im Moment die Entwicklung eines bodengestützten strategischen Abschreckungssystems, welches das Minuteman-III-System ersetzen soll, "das Entwicklungsprogramm Nr. 1 bei der Luftwaffe" sei.

Bei der LGM-30 Minuteman, auch Minuteman-III genannt, handelt es sich um nuklear bestückte, dreistufige US-Interkontinentalraketen, die dem US-Air Force Global Strike Command unterstehen und den Kern der US-Atomstreitkräftestrategie bilden. Anhand der Andeutungen Armagosts beim diesjährigen US-Nukleargipfel ist davon auszugehen, dass die USA im Zuge der Modernisierung und der damit einhergehenden Neuentwicklung ihres Atomwaffenraketensystems im Begriff sind, dieses der sogenannten "Toten Hand", dem russischen KI-gesteuerten Atomwaffenführungssystem, anzupassen. 

Die "Tote Hand" ist ein intelligentes Computersystem, das im Falle eines atomaren Enthauptungsschlags durch das automatische Starten von nuklear bestückten Raketen  vollkommen autonom einen allumfassenden Gegenschlag auslöst. Ein menschlicher Bediener ist in diesem Fall nicht mehr notwendig. 

Insbesondere in der Luftkampfführung kommt die Künstliche Intelligenz zum Einsatz. So wurde das US-Militär in der Vergangenheit bereits mehrfach scharf wegen seiner Drohneneinsätze im Nahen Osten kritisiert, bei denen trotz menschlicher Einflussnahme zahlreiche Zivilisten ums Leben kamen. 

Nun arbeiten US-Militärforscher der US-Defense Advanced Research Projects Agency, einer US-Forschungsbehörde für fortgeschrittene Verteidigungsforschungsprojekte, an einem Projekt, das stark auf Künstliche Intelligenz und maschinelle Autonomie unter der Beteiligung bemannter und unbemannter Flugzeuge bei komplexen Luftkampfmanövern setzt. Dies ist einer Ausschreibung der Forschungsbehörde zu entnehmen. 

Der Ausschreibung nach soll das Projekt "Air Combat Evolution" (ACE) das "Vertrauen in die Kampfautonomie durch die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine im Luftkampf erhöhen" und in einem ersten Schritt bei F-16 Kampfjets angewendet werden. So sollen die im Rahmen des Programms entwickelten Technologien die Zusammenarbeit zwischen Menschen und unbemannten Kampfflugzeugen in einer Vielzahl von Kampfszenarien verbessern.   

Das Programm skaliert die maschinelle Automatisierung im Luftkampf auf komplexere, flugzeugübergreifende, simulierte Szenarien auf operativer Ebene, die auf Live-Daten basieren. Diese Szenarien sollen die Grundlage für künftige Live-Experimente auf Kampagnenebene bilden. Somit wäre das Kampfflugzeug das ideale Gegenstück zur in Deutschland existierenden, mitunter vom US-Militär genutzten Übungsanlage MAEWTF Polygone (Multinational Aircrew Electronic Warfare Tactics Facility Polygone), die dazu dient, unter realistischen Bedingungen die elektronisch unterstützte Luftkriegsführung zu trainieren. 

Die Idee des ACE-Programms ist, einen menschlichen Piloten in die Lage zu versetzen, ein tödlicherer Kämpfer zu werden, indem er mehrere halbautonome, KI-gestützte unbemannte Flugzeuge (UAVs) vom eigenen Cockpit aus steuert. Damit würde sich die Rolle des Menschen vom alleinigen Bediener zum Kommandanten des Systems wandeln.

Das Programm soll dem Piloten somit ermöglichen, eine umfassende globale Luftkommandomission zu leiten, während seine Flugzeuge und unbemannten Luftfahrzeug-Teammitglieder feindliche Flugzeuge und Bodenziele angreifen.

Weiterhin ermöglicht das autonome System der Kampfjetbesatzung, komplizierte Aufgaben wie die Entwicklung einer allgemeinen Einsatzstrategie, die Auswahl von Zielen und die Auswahl von Waffen zu übernehmen, während die dazugehörigen Kampfdrohnen für die Flugmanöver und Einsatztaktiken zuständig wären.

In Zusammenhang mit den neusten militärischen KI-Investitionen der USA ist jedoch zu erwähnen, dass daneben auch Russland, China, Großbritannien und andere Nationen KI-gestützte Militärprojekte ausbauen. Ein Trend, der immer lauter werdende Warnungen hervorruft. Wenn Künstliche Intelligenz die Kontrolle über Atomwaffen erhält, könnte dies einen apokalyptischen Konflikt auslösen, mahnten unter anderem der verstorbene Physiker Stephen Hawking und der Tech-Milliardär Elon Musk

In dem Maße, in dem KI eine größere Rolle bei der Kontrolle verheerender Waffen spielt, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Technologie eine Fehlentscheidung trifft und damit einen dritten Weltkrieg auslöst.

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