Die US-Nachrichtenagentur Association Press (AP) hat am Freitag von einem an hochrangige US-Geheimdienstmitarbeiter adressierten Schreiben zweier US-Senatoren des Geheimdienstausschusses im US-Senat berichtet. Darin heißt es, dass der US-Auslandsgeheimdienst CIA über ein geheimes, nicht bekannt gegebenes Datenarchiv verfüge, das Informationen über US-Bürger enthalten soll.
Die US-Senatoren Ron Wyden (Demokratische Partei) aus dem US-Bundesstaat Oregon und Martin Heinrich (Demokratische Partei) aus New Mexico behaupten, die CIA hätte über einen langen Zeitraum hinweg detaillierte Informationen zu diesem Überwachungsprogramm vor der amerikanischen Öffentlichkeit und dem US-Kongress geheim gehalten. Die CIA und die US-Gesetzgeber wollten indes keine Einzelheiten über die im Rahmen des Überwachungsprogramms gesammelten Daten von US-Bürgern preisgeben.
In dem bereits am 13. April 2021 versendeten Brief forderten Wyden und Heinrich die Freigabe weiterer Einzelheiten über das "Deep Dive II"-Programm der CIA. Jedoch wurden große Teile des Schreibens, das am Donnerstag auf Grundlage des US-Informationsfreiheitsgesetzes (Freedom of Information Act) freigegeben worden ist, als auch weitere von der CIA in diesem Zusammenhang veröffentlichte Dokumente geschwärzt. Laut den beiden US-Senatoren hat das Programm "außerhalb des gesetzlichen Rahmens operiert, von dem der Kongress und die Öffentlichkeit glauben, dass er diese Sammlung regelt".
Bereits seit langem gibt es in den USA Bedenken darüber, welche Informationen von US-Geheimdiensten im amerikanischen Inland gesammelt werden. Die Skepsis der US-Amerikaner gegenüber den Überwachungsagenturen geht zum Teil auf frühere Rechtsbrechungen der US-Geheimdienste in Form von öffentlich gewordenen Verletzungen der gesetzlich garantierten bürgerlichen Freiheiten von US-Bürgern zurück.
Die CIA und der US-Auslandsgeheimdienst NSA dürfen wegen ihres Auslandsauftrags im Allgemeinen keine Ermittlungen gegen US-Amerikaner oder US-Unternehmen durchführen. Jedoch würde die durch US-Spionagebehörden erfolgende weitläufige Überwachung ausländischer Kommunikation oft auch "zufällig" Nachrichten und Daten von US-Bürgern abfangen.
Die US-Nachrichtendienste sind vom Gesetzgeber dazu verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der Informationen von US-Bürgern zu ergreifen. Dies beinhaltet auch die Schwärzung der Namen der Bürger in Berichten, sofern diese nicht untersuchungsrelevant sind. Der Prozess der Entfernung dieser Schwärzungen ist unter der Bezeichnung "Demaskierung" bekannt. Zu den neuesten Enthüllungen erklärte Kristi Scott, CIA-Beauftragte für Datenschutz und bürgerliche Freiheiten, am Donnerstag:
"Die CIA ist sich ihrer Verpflichtung bewusst und nimmt sie sehr ernst, die Privatsphäre und die bürgerlichen Freiheiten von US-Bürgern bei der Durchführung unserer wichtigen nationalen Sicherheitsmission zu respektieren. Die CIA ist zu Transparenz verpflichtet, die mit unserer Verpflichtung zum Schutz nachrichtendienstlicher Quellen und Methoden im Einklang steht."
Zusammen mit dem Brief der US-Senatoren veröffentlichte die CIA eine Reihe geschwärzter Empfehlungen zu dem besagten Überwachungsprogramm, die durch das US-Aufsichtsgremium Privacy and Civil Liberties Oversight Board, eine unabhängige durch den US-Präsidenten ernannte US-Organisation zum Schutz der bürgerlichen Freiheiten im Rahmen geheimdienstlicher Ermittlungen, erteilt wurden.
Diesen Dokumenten zufolge warnt ein Pop-up-Fenster CIA-Analysten während der Nutzung des Programms, dass die Suche nach Informationen zu US-Bürgern oder anderen Personen, die unter die Datenschutzgesetze fallen, einen ausländischen Geheimdienstzweck erfordert. In den enthüllten Dokumenten betonte das Aufsichtsgremium jedoch, die Analysten seien "nicht verpflichtet, die Begründung für ihre Abfragen zu vermerken".
Dem veröffentlichten Brief der US-Senatoren Wyden und Heinrich zufolge soll das Massenerfassungsprogramm der CIA nicht unter den vom Kongress verabschiedeten und reformierten Gesetzen arbeiten, sondern unter Autorität der Executive Order 12333, eines präsidialen Erlasses, der weitestgehend die Aktivitäten der US-Geheimdienste regelt und 1981 vom damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan unterzeichnet wurde. In dem Anfang 2021 verfassten Brief schrieben die beiden US-Senatoren:
"Es ist wichtig, dass der Kongress keine Gesetze erlässt, ohne sich eines (...) CIA-Programm zu erlassen, und dass die amerikanische Öffentlichkeit nicht zu der Annahme verleitet wird, dass die Reformen in einem etwaigen Gesetz zur Wiedererteilung der Genehmigung die Sammlung ihrer Daten durch den Geheimdienst vollständig abdecken."
Das dem im Zitat vor "CIA-Programm" vorausgehende Wort wurde in dem Brief vor Veröffentlichung des Schreibens geschwärzt.
Die beiden US-Senatoren Wyden und Heinrich drängen seit Langem auf mehr Transparenz bei den US-Geheimdiensten. So stellte Wyden bereits vor fast zehn Jahren eine Frage an den damaligen US-Spionagechef, die den einige Monate später erfolgten Enthüllungen Edward Snowdens über die Massenüberwachungsprogramme der NSA zuvor ging.
Den damaligen Direktor der Nationalen Nachrichtendienste, James Clapper, fragte US-Senator Wyden im Jahr 2013, ob die NSA "irgendwelche Daten über Millionen oder Hunderte von Millionen Amerikanern" sammeln würde. Darauf antwortete dieser zunächst mit: "Nein." Etwas später jedoch sagte er: "Nicht wissentlich."
Etwas später dann in demselben Jahr enthüllte der ehemalige NSA-Systemadministrator Edward Snowden Informationen zu NSA-Überwachungsprogrammen, die den Zugang des Geheimdienstes auf Massendaten von US-Bürgern durch US-Internetunternehmen und Hunderte Millionen von Anrufaufzeichnungen der Telekommunikationsanbieter aufzeigten. Snowdens Enthüllungen lösten eine weltweite Kontroverse und neue Gesetze im US-Kongress aus.
Im Zuge der Enthüllungen Snowdens entschuldigte sich der damalige US-Geheimdienstchef Clapper später in einem Brief an den Geheimdienstausschuss des Senats, in dem er seine Antwort an US-Senator Wyden als "eindeutig fehlerhaft" bezeichnete.
Weiteren von der CIA am Donnerstag veröffentlichten Dokumenten sind begrenzte Details zu entnehmen, dass ein weiteres Überwachungsprogramm existiert, das der Sammlung von Finanzdaten des Islamischen Staats (IS) dient. Auch dieses Programm hat "zufällig" Daten von US-Bürgern erfasst.
Die US-Nachrichtendienste unterliegen Richtlinien über den Umgang mit Daten von US-Amerikanern. Diese Richtlinien und Gesetze, die die Tätigkeitsbefugnisse der Geheimdienste regeln, wurden in der Vergangenheit aufgrund vorangegangener enthüllter Überwachungsskandale von den US-Gesetzgebern überarbeitet und ergänzt.
So spionierte das FBI während der 1950er und 1960er Jahre die amerikanische Bürgerrechtsbewegung aus und zeichnete heimlich die Gespräche von Dr. Martin Luther King auf. In der sogenannten "Operation Chaos" untersuchte die Behörde mögliche Auslandskontakte der gegen den Vietnamkrieg agierenden Bürgerbewegung.
Mit Blick auf den neuesten US-Überwachungsskandal sagte der Menschenrechtsanwalt Patrick Toomey von der American Civil Liberties Union, einer Nichtregierungsorganisation, die sich in den USA für Bürgerrechte einsetzt, am Donnerstag in einer Erklärung:
"Diese Berichte werfen ernste Fragen darüber auf, welche Art von Informationen die CIA massenhaft aufsaugt und wie die Behörde diese Informationen ausnutzt, um Amerikaner auszuspionieren. Die CIA führt diese weitreichenden Überwachungsmaßnahmen ohne gerichtliche Genehmigung und mit nur wenigen, wenn überhaupt, vom Kongress auferlegten Sicherheitsvorkehrungen durch."
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