Kanada: Gesundheitsbehörde spähte während Corona-Lockdown Millionen von Menschen aus

Die kanadische Gesundheitsbehörde hat zugegeben, heimlich auf Standortdaten von mindestens 33 Millionen Mobilgeräten zugegriffen zu haben. Als Begründung wurde angeführt, dass man so die Bewegungen der Menschen während des Corona-Lockdowns analysierte.

Die kanadische Gesundheitsbehörde (Public Health Agency of Canada, PHAC) sammelte Anfang des Jahres Daten, darunter auch Geolokalisierungsinformationen von Mobilfunkmasten, "aufgrund der Dringlichkeit der Pandemie", wie ein Sprecher der Behörde gegenüber der englischsprachigen kanadischen Zeitung National Post bestätigte.

Die Tracking-Daten wurden demnach nur dazu verwendet, die Wirksamkeit der Lockdown-Maßnahmen zu bewerten und mögliche Zusammenhänge zwischen der Bewegung von Menschen und der Verbreitung von COVID-19 zu ermitteln.

Die Behörde erhielt die Informationen, die "anonymisiert und gebündelt" waren, über einen externen Auftragnehmer, den kanadischen Telekommunikationsriesen Telus. Der Vertrag lief von März letzten Jahres bis Oktober. Die PHAC erklärte, dass sie nach Ablauf der Vertragslaufzeit keinen Zugriff mehr auf die Daten hatte. Die Behörde plant jedoch, die Bewegungen der Bürger in den nächsten fünf Jahren auf ähnliche Weise zu erfassen, um unter anderem die Verbreitung anderer Infektionskrankheiten zu verhindern und die psychische Gesundheit zu verbessern. Die PHAC hatte vor wenigen Tagen eine Ausschreibung für potenzielle Auftragnehmer veröffentlicht, in der anonyme mobile Daten gesucht werden, die bis Januar 2019 zurückreichen und mindestens bis Mai 2023 laufen.

Kritiker wiesen darauf hin, dass die Überwachung der Bürger durch die Regierung wahrscheinlich umfangreicher ist als bisher bekannt wurde und jene in den kommenden Jahren noch problematischer werden könnte. Der Datenschutzbeauftragte David Lyon sagte gegenüber der National Post:

"Ich denke, dass die kanadische Öffentlichkeit von vielen anderen nicht genehmigten Überwachungsaktivitäten erfahren wird, bevor die Pandemie vorbei ist – und auch danach."

Er wies auch darauf hin, dass anonymisierte bzw. "de-identifizierte" Daten leicht "re-identifiziert" werden können. Zudem betonte der Experte gegenüber der Zeitung, dass die Pandemie "die Möglichkeiten für einen massiven Überwachungsschub auf vielen Ebenen" geschaffen habe. Neben dem Bereich der öffentlichen Gesundheit bezieht sich dies laut Lyon auch auf die Überwachung "derjenigen, die von zu Hause aus arbeiten, einkaufen und lernen". 

Der Autor Julius Ruechel sagte, die Tracking-Maßnahme habe den Beigeschmack eines Überwachungsstaates, der die Bürger "zu ihrer Sicherheit" ausspioniere. Ein anderer Autor, Paul Alves, meinte, dass die PHAC mit dem neuen Vertrag direkten Zugang zu allen mobilen Standortdaten haben werde, und äußerte die Befürchtung, dass "die Verfolgung von Kontakten nicht länger eine Erlaubnis oder einen Gerichtsbeschluss erfordern wird".

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