Weniger als die Hälfte aller US-Amerikaner im Alter zwischen 18 und 39 Jahren sind vollständig geimpft. Bei den über 50-Jährigen sind es mehr als zwei Drittel, so die Centers for Disease Control and Prevention. Etwa 58 Prozent der 12- bis 17-Jährigen haben noch gar keine Impfung erhalten.
Um die jungen Menschen zu erreichen, habe das Weiße Haus eine Armee von mehr als 50 Twitch-Streamern, Youtubern und TikTokern angeworben, die alle über ein großes Online-Publikum verfügen, so die New York Times. Staatliche und lokale Regierungen haben ähnliche Kampagnen gestartet und bezahlen in einigen Fällen "lokale Mikro-Influencer" – solche mit 5.000 bis 100.000 Followern – mit bis zu 1.000 Dollar pro Monat, um bei deren Fans für Corona-Impfstoffe zu werben.
Die Bemühungen sind zum Teil ein Gegenangriff auf die steigende Masse kritischer Nachrichten über Impfstoffe im Internet, wo Impfgegner lautstark auftreten.
"Asymmetrische Leidenschaft"
Renee DiResta, eine Forscherin, die sich am Stanford Internet Observatory mit sogenannten Fake News befasst, gab zu, dass Influencer-Kampagnen zwar nützlich sein können. Allerdings könnten sie nicht mit massiven, organischen Online-Bewegungen mithalten. Sie verwies auf den Kontrast zwischen Urhebern, die gebeten wurden, Pro-Impfstoff-Botschaften zu verbreiten, und Impfstoffskeptikern, die es sich zur persönlichen Aufgabe gemacht haben, die Injektionen zu hinterfragen.
"Das ist die asymmetrische Leidenschaft", sagte sie. "Menschen, die glauben, dass die Impfung schadet, sprechen jeden Tag darüber. Sie setzen Hashtags und pushen Inhalte und tun alles in ihrer Macht Stehende."
Seit Elvis Presley 1956 in der Ed Sullivan Show seinen Ärmel hochgekrempelt hat, um für die Polio-Impfung zu werben, nutzen Gesundheitsbehörden Prominente, um Menschen zu erreichen. Laut einer Studie der Marketingagentur MuseFind aus dem Jahr 2018 vertrauen junge Menschen heutzutage eher dem Rat ihres Lieblings-Inhaltserstellers als einem Mainstream-Promi.
Daher "müssen wir eine Influencer-Armee aufbauen, um die Pro-Impf-Botschaft zu verbreiten", sagte Jason Harris, Geschäftsführer der Werbeagentur Mekanism, die eine Autorität auf dem Gebiet des Influencer-Marketings ist. "Nur so werden wir in den sozialen Netzwerken laut genug sein, um all die Fehlinformationen zu übertönen, die es gibt."
"Woohoo! Das ist so aufregend!"
Das Weiße Haus habe im Januar damit begonnen, die Macht der Online-Kreativen in Betracht zu ziehen, indem es die Influencer-Marketing-Taktiken, die Joe Biden während der Wahlkampftour verwendet habe, zur Förderung von Impfungen umfunktionierte, sagte Rob Flaherty, der Direktor für digitale Strategie des Weißen Hauses.
Flaherty erklärte, dass er und Clarke Humphrey, Digital Director für COVID-19-Belange im Weißen Haus, sich mit Village Marketing und Made to Save, einer nationalen Kampagne zur Förderung des Zugangs zu Corona-Impfstoffen, zusammengetan haben. Im Juni veranstalteten sie mehrere inoffizielle Briefings über Zoom, damit Youtuber und TikToker Fragen zu den Impfstoffen und ihrer Funktionsweise stellen konnten.
Staatliche und lokale Regierungen haben den gleichen Ansatz gewählt, wenn auch in kleinerem Maßstab und manchmal mit finanziellen Anreizen.
Im Februar vergab Colorado einen Vertrag im Wert von bis zu 16,4 Millionen Dollar an das in Denver ansässige Unternehmen Idea Marketing. Dieser beinhaltet ein Programm, das Urhebern im Bundesstaat 400 bis 1.000 Dollar pro Monat für das Werben von Impfstoffen zahlt.
Jessica Bralish, die Kommunikationsdirektorin der Gesundheitsbehörde von Colorado, sagte, die Influencer würden bezahlt, weil "Kreative allzu oft gebeten werden, ihre Gemeinschaften kostenlos zu erreichen. Wir wissen, dass wir die Menschen für ihre Arbeit entschädigen müssen, um gerecht zu sein".
Als Teil der Bemühungen haben Influencer gezeigt, an welchen Stellen ihrer Arme sie gespritzt wurden, indem sie Emojis und Selfies verwendeten, um ihre Leistung zu unterstreichen. "Ich bin dem Pfizer-Club beigetreten", verkündete Ashley Cummins, eine Mode- und Style-Influencerin aus Boulder, Colorado, kürzlich auf einem Selfie, während sie ihren Impfausweis in der Hand hielt. Sie fügte ein Masken-Emoji und ein Applaus-Emoji hinzu.
"Woohoo! Das ist so aufregend!", kommentierte ein Fan.
Die Beiträge der an der Kampagne beteiligten Personen sind mit dem Hinweis "Bezahlte Partnerschaft mit dem Colorado Dept. of Public Health and Environment" versehen.
Die 17-jährige Ellie Zeiler, eine TikTok-Erstellerin mit über zehn Millionen Followern, sprach in einem 47-sekündigen Video direkt in die Kamera und nannte die Gründe, warum sie sich geimpft hatte und warum andere dies auch tun sollten. "Grund Nummer eins", erklärte sie, "ist, dass man hingehen kann, wo immer man will".
Zeiler sagte in einem Interview, dass ihre Arbeit noch nicht getan sei. "Ich weiß, dass ich nicht aufhören werde, bis alle meine Anhänger sicher und geimpft sind", sagte sie.
Mehr zum Thema - Lockern bei Erwachsenen, Verschärfen bei Kindern: Corona-Schulregime gehen in die nächste Runde