Die endlosen Kriege der USA nach dem 11. September 2001 haben zu einem Anstieg der Selbstmordrate unter Militärangehörigen geführt. Dies belegt eine neue Studie des Costs of War Projekts der im US-Bundesstaat Rhode Isaland ansässigen Brown University.
Die Untersuchung bietet einen neuen Einblick in das, was viele als eine Selbstmordepidemie beim US-Militär bezeichnen. Auf der Grundlage von Daten des US-Verteidigungsministeriums und sekundärer Quellen ergab die Studie, dass seit dem 11. September 2001 mindestens viermal so viele Soldaten durch Selbstmord ums Leben kommen als in den Kriegen, die auf den Terroranschlag folgten.
Nachdem US-Präsident George W. Bush im Jahr 2001 seinen weltweiten Krieg gegen den Terror begonnen hatte, wurden 7.057 Soldaten bei Militäreinsätzen getötet. Im gleichen Zeitraum starben schätzungsweise 5.116 Mitarbeiter im aktiven Dienst durch Suizid. In den Jahren von 2011 bis 2020 nahmen sich zudem 1.193 Angehörige der Nationalgarde und 1.607 Reservisten das Leben. Mit einer Gesamtzahl von 30.177 Selbstmorden sterben viermal mehr Soldaten durch Suizid als bei Kampfhandlungen.
Der Studie zufolge ist diese Zahl eine Schätzung und die Dunkelziffer höher einzuschätzen, da vor dem Jahr 2011 keine statistischen Daten zu den Todesfällen bei der Reserve und der Nationalgarde verfügbar waren. Außerdem enthalten die Statistiken nicht alle Selbstmorde, da die Zuordnung in einigen Fällen schwierig ist. Todesfälle durch Überdosis, Unfälle mit Waffen oder mit dem eigenen Fahrzeug können nicht eindeutig mit suizidalem Verhalten in Verbindung gebracht werden.
Trotzdem sind die registrierten Selbstmorde sowohl bei Mitgliedern im aktiven Dienst als auch bei Veteranen gestiegen. Sie übertreffen die Selbstmordrate in der Zivilbevölkerung, die in den USA ebenfalls zugenommen hat, so die Studie.
Dies widerspricht jedoch dem historischen Trend. Die Selbstmordraten unter den aktiven Soldaten sind normalerweise geringer jene der zivilen Bevölkerung. Noch vor dem Vietnamkrieg gingen die Zahlen während der einzelnen Konflikte sogar zurück. Die Zahl der Todesfälle durch Selbstmord bei Militärangehörigen stieg in jüngerer Zeit wieder stetig an, selbst nachdem die Zahl der Todesopfer im Krieg nach 2007 stark zurückgegangen war.
Die Studie belegt, dass es keine einzelne Ursache für den Anstieg der Suizidrate gibt und skizziert eine Reihe von Faktoren, die Soldaten dazu zu bringen, sich das Leben zu nehmen. Hierzu gehören die üblichen Probleme, mit denen Soldaten im Rahmen militärischer Konflikte konfrontiert sind: Körperliche und moralische Traumata, Stress und Burn-out, eine Militärkultur, die von Soldaten verlangt, Härte zu zeigen und Gefühle zu verbergen sowie Schwierigkeiten bei der Anpassung an das zivile Leben.
Weitere Faktoren sind spezifisch für die Art von Kriegen, die die USA in den vergangenen zwei Jahrzehnten geführt haben. Der weit verbreitete Einsatz improvisierter Sprengsätze gegen US-Soldaten hat zu einer Zunahme von Schädel-Hirn-Traumata und Polytraumata geführt. Gleichzeitig ermöglichen medizinische Fortschritte den Soldaten, ihre Einsätze fortzuführen, selbst wenn sie mit chronischen Schmerzen und anderen Problemen aufgrund früherer Verletzungen zu kämpfen haben. Etwa ein Drittel der verwundeten Soldaten machen nach ihrer Genesung mindestens noch einen Einsatz.
Ein weiterer Faktor ist, dass die Öffentlichkeit in den USA den Kriegen nach dem 11. September 2001 weitgehend gleichgültig gegenübersteht. Viele Soldaten, die an Kriegen nach dem 11. September teilgenommen haben, sind sich dessen bewusst und teilen oft diese Haltung. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2018 waren fast 60 Prozent der Veteranen der Meinung, dass die USA in Afghanistan keine klaren strategischen Ziele verfolgen. Zudem sind viele Soldaten der Ansicht, dass der Krieg kein Erfolg war. Eine weitere Umfrage aus dem Jahr 2018 ergab, dass etwa 42 Prozent der US-Bürger über die Konflikte im Nahen Osten keine Kenntnis haben oder überzeugt sind, der Krieg gegen den Terror sei vorbei.
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