Nach Kapitol-Sturm in Washington: Kinder denunzieren ihre eigenen Eltern

Die US-Behörden sind nach der gewaltsamen Erstürmung des Kapitols in Washington auf der Suche nach den Beteiligten, um sie zur Rechenschaft zu ziehen. Dabei bekommen sie auch plötzlich Hilfe von unerwarteter Seite: Kinder "verpfeifen" ihre eigenen Eltern.

Wenige Tage nachdem Anhänger des US-Präsidenten Donald Trump gewaltsam in das Kapitol eindrangen und eine Spur der Verwüstung hinterließen, arbeiten die US-Behörden mit Hochdruck an der Identifikation der Randalierer. Die Polizei in Washington, D.C. verhaftete bereits über 80 Personen. Generalstaatsanwalt Karl Racine erklärte in einem Interview mit dem US-Nachrichtensender ABC News, dass seine Behörde speziell das Internet nach Spuren durchkämme – und forderte die Öffentlichkeit zur Mithilfe auf.

Der Appell fruchtete scheinbar vor allem bei jungen Leuten. So berichtete das Online-Medium Buzzfeed über die 18-jährige Helena Duke, die ihre eigene Mutter, ihre Tante und ihren Onkel als Teilnehmer an den Ausschreitungen "outete", nachdem sie diese auf Bildern wiedererkannt hatte. Duke nannte gegenüber Buzzfeed als Motiv, dass ihre Mutter ihr verboten habe, an einer Black-Lives-Matter-Demonstration Anfang des Jahres teilzunehmen.

"Hallo, Mama! Erinnerst Du Dich an die Zeit, als Du mir sagtest, ich solle nicht auf Black-Lives-Matter-Proteste gehen, weil sie gewalttätig sein könnten ... Bist Du das?", schrieb Duke auf Twitter neben einem Video, das ihre Mutter mit einer blutigen Nase zeigt, nachdem sie einen Faustschlag einer schwarzen Frau traf.

Der Tweet stieß auf ein geteiltes Echo – vor allem Konservative verurteilten die Aktion von Duke. Die 18-Jährige erklärte gegenüber Buzzfeed, sie habe Nachrichten von anderen Jugendlichen erhalten, die ebenfalls Familienmitglieder identifiziert hätten – die Jugendlichen seien jedoch unsicher, ob sie ihre Familienmitglieder "verraten" sollten oder nicht. Eine weitere Jugendliche, Robyn Sweet, wurde einen Tag zuvor ebenfalls von Buzzfeed interviewt. Sweet vermutete, dass ihr Vater – ein Unterstützer von Trump und Mitglied einer Milizgruppe – für die Trump-Kundgebung nach Washington reisen würde, und "outete" ihn, nachdem er innerhalb des Kapitols verhaftet worden war.

Sie sei "beschämt und angewidert" von den Überzeugungen und Handlungen ihres Vaters und spreche wegen seiner "Verschwörungstheorien" und seiner Beteiligung bei rechten Gruppen nicht mehr mit ihm. Einige US-Medien, unter anderem CNN, nahmen den Appell der US-Behörden zur Identifizierung der gewalttätigen Teilnehmer auf und machten auch gleich klar, was die Identifizierten erwarten wird.

Der Nachrichtensender USA Today bat seine Leser gar, ein Formular auszufüllen, falls diese einen der Randalierer erkennen sollten. Die Tatsache, dass die Verantwortlichen auf diese Art und Weise zur Verantwortung gezogen werden, spaltet die US-Amerikaner. Während viele sich darüber freuen, gibt es auch nachdenklichere Stimmen, wie zum Beispiel von der Autorin und Journalistin Whitney Webb, die bezugnehmend auf USA Today twitterte:

"Die DC-Polizei und das FBI bitten um die gleiche 'Hilfe'. Sie brauchen eigentlich nicht Ihre Hilfe dabei, sie haben super fortschrittliche Gesichtserkennung, Standortdaten usw. Was sie wollen, ist, dass Sie sich an den Gedanken gewöhnen, Ihre Nachbarn zu verpfeifen."

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