Nach der Erstürmung des US-Kapitols am 6. Januar durch Anhänger von US-Präsident Donald Trump erwägen Kongressmitglieder und Senatoren eine Amtsenthebung von Trump, obwohl seine Präsidentschaft erst am 20. Januar ausläuft. Eine entscheidende Rolle kommt dabei Vizepräsident Mike Pence zu, der ein Amtsenthebungsverfahren nach dem 25. Zusatzartikel der US-Verfassung ins Rollen bringen könnte. Er würde sich selbst damit übergangsweise zum Präsidenten machen – zumindest bis zum 20. Januar. Am Morgen des 7. Januar bestätigte der US-Kongress die Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten.
Die US-Verfassung sieht zwei mögliche Verfahren für eine Amtsenthebung eines US-Präsidenten vor:
- Das sogenannte "Impeachment" – ein Amtsenthebungsverfahren ausgehend vom US-Kongress,
- Eine Amtsenthebung nach dem Zusatzartikel 25 der US-Verfassung.
Bereits Anfang 2020 wurde ein Impeachment-Verfahren gegen Trump wegen seiner Ukraine-Politik eingeleitet. Das Verfahren scheiterte, da die benötigte Zweidrittelmehrheit im US-Senat nicht erreicht wurde. Nach Angaben von CNN wird in der aktuellen Amtsenthebungsdebatte von einem Impeachment abgesehen, da dieses zeitaufwändig und wahrscheinlich nicht vor dem 20. Januar abzuschließen sei.
Zahlreiche Kongressmitglieder und Senatoren der Demokraten und der Republikaner sprechen sich laut CNN für eine Amtsenthebung nach dem Zusatzartikel 25 aus. Sie können dieses Verfahren aber nicht in Kraft setzen. Dafür brauchen sie die Kooperation von Vizepräsident Pence. Dieser könnte zusammen mit einer Mehrheit vom Trumps Kabinett ein Amtsenthebungsverfahren einleiten. Als Begründung würde gelten, Trump sei nicht länger in der Lage, das Amt des Präsidenten auszuüben – etwa durch eine körperliche oder geistige Beeinträchtigung.
Die Amtsenthebung müsste dann mit einer Zweidrittelmehrheit vom US-Kongress und US-Senat bestätigt werden. Nach den Senatorenwahlen am 5. Januar halten die Demokraten neben dem Kongress auch die Mehrheit im Senat. Für eine Zweidrittelmehrheit müssten aber auch zahlreiche Republikaner in beiden Häusern für eine Amtsenthebung stimmen.
Von CNN werden zudem diverse republikanische Kongressmitglieder und Senatoren zitiert, die Trumps Rolle bei der Erstürmung des Kapitols hervorheben. Eine Stimmenmehrheit könnte möglicherweise erreicht werden. Die republikanische Abgeordnete Liz Cheney aus Wyoming sagte:
"Es ist keine Frage, dass der Präsident den Mob formiert hat. Der Präsident hat den Mob angestachelt. Der Präsident hat direkt zum Mob gesprochen. Er hat die Flamme entzündet."
Der republikanische Senator Tom Cotton aus Arkansas, bislang ein Alliierter von Trump, betonte ebenfalls die zentrale Rolle von Trump bei der Eskalation am 6. Januar:
"Es ist höchste Zeit, dass der Präsident die Wahlergebnisse akzeptiert und damit aufhört, das amerikanische Volk in die Irre zu führen. Er muss die Gewalt des Mobs zurückweisen."
Der Zusatzartikel 25 wurde 1965 vom US-Kongress verabschiedet und 1967 ratifiziert. Damit soll eine klare Übergabe der Präsidentschaft im Fall dringender Umstände geregelt werden, etwa wenn ein Präsident im Koma liegt oder einen Schlaganfall erlitten hat. Der Hintergrund war die Ermordung des US-Präsidenten John F. Kennedy im Jahr 1963. Bis zum heutigen Zeitpunkt wurde der Zusatzartikel 25 noch niemals angewendet.
Nach einer erfolgreichen Bestätigung durch US-Kongress und US-Senat würde Mike Pence vom Vizepräsidenten zum Präsidenten aufsteigen. Im Wortlaut des 25. Zusatzartikels wird erklärt:
"Wenn der Vizepräsident und eine Mehrheit entweder der Minister oder eines anderen Gremiums, welches der Kongress durch das Gesetz bestimmen kann, dem Präsidenten pro tempore des Senates und dem Sprecher des Repräsentantenhauses eine schriftliche Erklärung des Inhalts übermitteln, dass der Präsident unfähig ist, die Rechte und Pflichten seines Amtes auszuüben, übernimmt der Vizepräsident unverzüglich die Rechte und Pflichten des Amtes als kommissarischer Präsident."
Trump hätte im Zuge eines solchen Verfahrens die Möglichkeit, Einspruch einzulegen und seine Befähigung zur weiteren Ausübung des Amtes darzustellen. Damit könnte er wieder das Amt des Präsidenten übernehmen.
"Außer der Vizepräsident und eine Mehrheit entweder der Minister oder eines anderen Gremiums, welches der Kongress durch Gesetz bestimmen kann, übermitteln binnen vier Tagen dem Präsidenten pro tempore des Senats und dem Sprecher des Repräsentantenhauses eine schriftliche Erklärung des Inhalts, dass der Präsident unfähig ist, die Rechte und Pflichten seines Amtes auszuüben."
Nach Angaben von CNN sollen bereits einige Mitglieder von Trumps Kabinett über ein mögliches Inkrafttreten des 25. Zusatzartikels diskutieren. Am Morgen des 7. Januar forderte Karl Racine, Generalstaatsanwalt in Washington, D.C., Vizepräsident Pence auf, unmittelbar den 25. Zusatzartikel in Kraft treten zu lassen und Präsident Trump seines Amtes zu entheben.
Nach einem erfolgreichen Amtsenthebungsverfahren wäre es Trump zukünftig nicht mehr möglich, für staatliche Ämter zu kandidieren. Über Twitter verbreitete inzwischen Dan Scavino, ein Sprecher des Weißen Hauses, eine Wortmeldung von Trump, dessen eigener Account von Twitter gesperrt wurde.
"Obwohl ich dem Ergebnis der Wahl vollständig widerspreche und die Fakten mir recht geben, wird es dennoch eine ordentliche Übergabe am 20. Januar geben. Ich habe immer gesagt, wir werden unseren Kampf fortsetzen, um zu sichern, dass nur legale Stimmen gezählt wurden. Auch wenn dies das Ende der großartigsten ersten Amtszeit in der Geschichte der US-Präsidenten darstellt, ist es nur der Anfang unseres Kampfes to Make America Great Again!"
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