In den USA hat die Zahl der Erdbeben in den letzten Jahren tendenziell zugenommen. Eine neue Studie von Thomas Goebel von der University of Memphis kommt nun zu beunruhigenden Erkenntnissen: Möglicherweise verursacht die "Fracking"-Technologie in der Erdölförderung die immer häufiger werdenden Erdbeben.
In der Mitte und im Osten der USA sind industriebedingte Erdbeben seit mehr als einem Jahrzehnt ein zunehmendes Problem. In Westtexas ist die Häufigkeit von Erdbeben heute 30-mal höher als noch 2013. Auch in Oklahoma, Kansas, Colorado und Ohio konnten Erdbeben mit der Erdölförderung in Verbindung gebracht werden. Die meisten dieser Erdbeben sind zu schwach, um sie zu spüren. Aber es gibt auch Ausnahmen.
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Im Jahr 2016 beschädigte ein Erdbeben der Stärke 5,8 Gebäude in Pawnee im Bundesstaat Oklahoma. Der Bundesstaat liegt weit entfernt von einer tektonischen Plattengrenze, dementsprechend sind Erdbeben in der Region eigentlich äußerst selten. Die staatlichen und lokalen Behörden veranlassten daraufhin, 32 Bohrlöcher, der die Abwasserentsorgung dienten, in der Nähe einer neu entdeckten Verwerfung zu schließen.
Als die Ölpreise sanken und die Aufsichtsbehörden entschieden, dass Unternehmen das Injektionsvolumen ihrer Bohrlöcher verkleinern müssen, nahm die Erdbebenhäufigkeit in Ohio dann auch ab. Aber es gibt dort heute immer noch mehr Erdbeben als 2010. Auch in Texas nahm die Erdbebenhäufigkeit in den letzten Jahren stark zu. Im März dieses Jahres erschütterte ein Erdbeben der Stärke 5 den Westen von Texas.
Wie Goebel im Magazin The Conversation berichtet, hat das Problem zwei Ursachen: die Förderung von Erdöl und Erdgas durch "Hydraulic Fracturing", besser bekannt als "Fracking", und die Entsorgung von Abwässern in Bohrlöchern. Bei der "Hydraulic Fracturing"-Technologie werden Wasser, Sand und Chemikalien unter sehr hohem Druck in Bohrlöcher injiziert, um den Kohlenwasserstoffen, die in engen Gesteinsformationen eingeschlossen sind, einen Weg an die Oberfläche zu ermöglichen.
Auch bei der Abwasserentsorgung werden Flüssigkeiten in tiefe geologische Formationen injiziert. Obwohl das Abwasser mit niedrigem Druck eingepumpt wird, kann dies den natürlichen Druck und die mechanischen Spannungen mehrere Kilometer von den Injektionslöchern entfernt beeinflussen. Goebel zufolge sind die tektonischen Verwerfungen unter Öllagerstätten oft instabil:
Schon eine kleine Störung des natürlichen tektonischen Systems – zum Beispiel durch Flüssigkeitsinjektionen in großer Tiefe – kann dazu führen, dass Bruchstellen sich verschieben und Erdbeben auslösen. Die Folgen dessen sind in Oklahoma und Texas leicht zu erkennen.
Die versteckten "künstlichen" Erdbeben Kaliforniens
Dem Seismologen zufolge wäre es natürlich interessant, wie sich diese Effekte in Gegenden wie Kalifornien auswirken, in denen es Ölfelder gibt und auch Erdbeben häufig sind. Bisher ging man davon aus, dass die Erdbeben in Kalifornien natürlichen Ursprungs sind und nicht durch die Ölförderung "künstlich" erzeugt wurden. Allerdings stellten sich die Seismologen um Goebel die Frage, ob die induzierten Erdbeben möglicherweise durch die natürlichen verdeckt wurden. Um dies zu beantworten, führten die Wissenschaftler um Goebel seismologische Studien im Salinas-Becken in Zentralkalifornien durch. Die Gegend war besonders interessant für die Untersuchungen, da sie zum einen in der Nähe der San-Andreas-Verwerfung liegt, zum anderen werden in der Nähe im großem Ausmaß Abwässer in Bohrlöcher gepumpt.
Durch die Auswertung von Satellitenbildern aus den 2016 bis 2020 machte Goebels Kollege Manoo Shirzaei eine erstaunliche Entdeckung: Einige Regionen im Salinas-Becken hoben sich im Jahr um etwa 1,5 Zentimeter. Dies war ein erstes Anzeichen dafür, dass der Flüssigkeitsdruck in der Nähe des San-Ardo-Ölfelds aus dem Gleichgewicht geraten ist. Der steigende Druck in den Gesteinsporen dehnt das umgebende Gestein wie ein Schwamm, der sich mit Wasser vollsaugt. Dadurch dehnt sich das Reservoir aus und erhöht die Kräfte, die auf die tektonischen Verwerfungen wirken.
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In weiteren Untersuchungen, die in der Fachzeitschrift Seismological Research Letters erschienen, untersuchten sie mehr als 1.700 seismische Ereignisse und stellten fest, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Injizieren von Flüssigkeiten in Gesteinsschichten und der Erdbebenhäufigkeit gab. In der Nähe der Injektionsbohrlöcher traten Erdbeben wesentlich häufiger auf. Aber auch in der relativ großen Entfernung von 15 Kilometern war das Auftreten von Erdbeben höher – ein Effekt, der auch aus Oklahoma bekannt ist.
Wie die Forscher betonen, führt "Fracking" in den meisten Fällen nicht zu Erdbeben. Bei den auftretenden Fällen gebe es jedoch Gemeinsamkeiten: Es handelt sich um großvolumige Injektionsbohrungen, bei denen Flüssigkeiten durch durchlässige Gesteinsformationen oberhalb von tektonischen Verwerfungen gepumpt werden. Goebel schlägt deshalb vor, die Standorte für Bohrungen detaillierter zu planen:
Obwohl das Problem schwer zu lösen sein mag, weil die Verringerung des Volumens der Abwässer eine Verringerung der geförderten Ölmenge erfordern würde, können die Standorte der Injektionsbohrungen sorgfältiger geplant werden.
Man sollte stattdessen, so die Autoren der Studie, die Standorte der Bohrlöcher so auswählen, dass die Gesteinsformation geeignet und das Injektionsbohrloch auch weit genug von tektonischen Verwerfungen entfernt ist.
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