Nicht nur in den USA feierten seine Anhänger Joe Biden, den von den Medien bereits als Wahlsieger erklärten Herausforderer von Präsident Donald Trump. Auch in der Bundesregierung war die Erleichterung spürbar, so dass viele Politiker dem mutmaßlichen Gewinner bereits gratulierten, obwohl Trump seine Niederlage noch gar nicht eingestanden hat und sich vielmehr mit Klagen gegen dagegen wehren will. Am Tag zuvor erklärte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD), dass die Welt die USA als "Ordnungsmacht", und nicht als "Chaosfaktor" brauche.
"Wir brauchen die USA in der WHO, damit diese effektiv wirken kann", sagte Maas weiter. Erwartungen und Hoffnungen an den neuen Präsidenten wurden zumindest von deutscher Seite formuliert. Ob Biden diese Hoffnungen auch erfüllen kann, wird sich zeigen müssen. In den vergangenen Monaten hatte er zumindest immer wieder betont, er werde rückgängig machen, dass die USA in den vergangenen vier Jahren auf Veranlassung durch Trump verschiedenen internationalen Organisationen den Rücken gekehrt hatten.
Aus dem Biden-Team heißt es nun, dass er bereits kurz nach seiner für den 20. Januar 2021 erwarteten Vereidigung einige präsidiale Erlasse unterzeichnen werde, allen voran die Rückkehr in das Pariser Klimaabkommen und die Rückkehr in die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Er wolle auch das Einreiseverbot für Menschen aus einigen islamischen Ländern aufheben und das sogenannte "Dreamer"-Programm wieder in Kraft setzen, mit welchem illegal ins Land gebrachte Kinder legal in den USA bleiben dürfen.
Wenn es so kommen sollte, sind das alles Schritte, die in Deutschland und anderen Staaten vermutlich erwartet und gern gesehen werden. Maas hatte es schließlich bereits verkündet, man wünsche sich die USA als angebliche "Ordnungsmacht" zurück.
Doch folgt man anderen Äußerungen Bidens in verschiedenen Interviews und Artikeln, dann wird sich außenpolitisch vielleicht stilistisch etwas verändern, aber die grundsätzliche geopolitische Ausrichtung von Donald Trump wird weitergeführt: China und Russland bleiben weiterhin Kontrahenten in der Arena des "Großen Spiels" der Weltmächte. In einem Gastbeitrag für das einflussreiche Magazin Foreign Affairs machte Biden klar, dass "Amerika wieder führen muss". Die Frage ist aber, wen die USA wieder anführen sollen – und gegen wen. Gerade der Streit um die Ostseepipeline Nord Stream 2 oder um die Strafzölle hat aber gezeigt, dass sich die Zeiten geändert haben und die Interessen Deutschlands nicht mehr zwingend mit den Interessen der USA übereinstimmen.
Aber die Hoffnungen auf "mehr Frieden", wie etwa die taz titelte, nährte Biden selbst ebenfalls in diesem Beitrag. Darin warf er Trump vor, die Diplomatie vernachlässigt zu haben und gestand zugleich ein, dass die USA in der Vergangenheit "zu oft ausschließlich auf die Macht unseres Militärs" gesetzt hätten. Damit insinuiert er, dass es wohl unter seiner Präsidentschaft anders werden solle. Doch hatte Präsident Trump tatsächlich nicht einen einzigen neuen Krieg begonnen – ganz im Gegensatz zu Präsident Barack Obama – mit Joe Biden als seinem damaligen Vizepräsidenten. Nun wird so getan, als ob Biden plötzlich zu einem Friedensengel geworden wäre. Dabei hatte im Jahre 1999 doch er selbst dazu gedrängt, Belgrad zu bombardieren und mit US-Truppen die serbische Hauptstadt im "japanisch-deutschen Stil" zu besetzen. Er machte klar, dass er einen "totalen Sieg" über Serbien erringen wolle.
Solche früheren Aussagen versucht man heute zu ignorieren, offenbaren sie doch ein ganz anderes Verständnis von der US-amerikanischen "Ordnungsmacht" für alle Welt und wollen so gar nicht zu der heute erdachten Rolle des neuen Anführers der sogenannten freien Welt passen. Zwar betont Biden in seinem Beitrag, dass er die "endlosen Kriege" beenden wolle und US-amerikanische Truppen nach Hause holen werde, aber ebensolch ein Versprechen hatte auch Donald Trump vor vier Jahren gegeben. Und vor ihm wollte auch Obama das angeblich schon.
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