US-Außenminister Mike Pompeo gratulierte zu einem "historischen Abkommen", US-Präsident Donald Trump sprach von einem "bedeutenden Durchbruch", der in Washington erzielt worden sei: Der serbische Präsident Aleksandar Vučić und der kosovarische Premierminister Avdullah Hoti unterzeichneten am vergangenen Freitag eine Vereinbarung, durch die die Beziehungen zwischen beiden Seiten mithilfe verstärkter wirtschaftlicher Zusammenarbeit "normalisiert" werden sollten. Der über zwei Jahrzehnte andauernde Konflikt zwischen Serbien und seiner abtrünnigen Provinz Kosovo, die sich 2008 für unabhängig erklärt hatte – was Belgrad weiterhin nicht anerkennt und das Kosovo als Teil Serbiens betrachtet –, sollte hiermit langsam überwunden werden.
Statt Konfliktlösung Angleichung in mehreren internationalen Fragen an die Positionen der US-Außenpolitik
Das Abkommen ist auf die Wirtschaft fokussiert, wichtige politische Fragen wie etwa der endgültige Status der Provinz, die Lage der serbischen Minderheit oder der Status der serbischen Kulturgüter wurden ausgeklammert. Vor allem aber besteht das Dokument aus einer Reihe von Absichtserklärungen, die teilweise nichts, aber auch gar nichts mit dem sehr komplexen Konflikt auf dem Westbalkan nach dem Zerfall Jugoslawiens zu tun haben. Vielmehr handelt es sich dabei um Verpflichtungen, sich in mehreren Fragen den Positionen der US-Außenpolitik anzugleichen.
So sagten etwa Serbien und das Kosovo zu, die libanesische Schiitenpartei Hisbollah "in ihrer Gesamtheit" als Terrororganisation einzustufen. Beide Seiten sollen zudem beim Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes Ausrüstung "nicht vertrauenswürdiger Anbieter" verbieten. Gemeint ist hierbei der chinesische Konzern Huawei, mit dem vor allem Serbien bisher intensiv zusammenarbeitet. Auch der Bereich der Energieversorgung fand einen Platz in diesem Dokument, das eigentlich den Kosovo-Konflikt behandelt. Beide Seiten sollen demnach ihre Energieversorgung "diversifizieren" – künftig dürfte Flüssigerdgas aus den USA an den Balkan geliefert werden. Dies kann man als Attacke auf die serbisch-russischen Beziehungen und die Kooperation im Bereich der Gasversorgung betrachten.
Mit der Unterzeichnung des Dokuments verpflichten sich Belgrad und Pristina zudem, in 69 Staaten, in denen Homosexualität unter Strafe steht, auf eine Entkriminalisierung dieser Orientierung hinzuwirken. Am meisten Aufsehen erregte jedoch der letzte Punkt auf dem Papier: Israel und das Kosovo werden diplomatische Beziehungen aufnehmen. Tel Aviv erkennt die Unabhängigkeit des Kosovo an, und die kosovarische Regierung erklärte sich bereit, eine Botschaft in Jerusalem zu eröffnen. Trump bezeichnete dies auf dem Kurznachrichtendienst Twitter als "einen weiteren großen Tag für den Frieden im Nahen Osten: Das mehrheitlich muslimische Kosovo und Israel haben vereinbart, ihre Verbindungen zu normalisieren und diplomatische Beziehungen aufzunehmen". Weiter schrieb er:
Gut gemacht! Mehr islamische und arabische Nationen werden bald folgen!
Auch Serbien sagte ebenfalls zu, seine Botschaft in Israel bis Juli 2021 von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Damit haben beide Seiten, die zugleich einen EU-Beitritt anstreben, eigentlich gegen die offizielle EU-Position bezüglich dieser Frage gehandelt. Kein EU-Land hat eine Botschaft in Jerusalem. Zugleich handelt Belgrad nicht im Einklang mit der Resolution 478 des UN-Sicherheitsrates. Serbische Kritiker des nun in Washington unterzeichneten Dokuments – wie etwa der ehemalige serbische Außenminister Vuk Jeremić – verweisen nun darauf, dass Belgrad hiermit selbst gegen internationales Recht verstoßen habe, sich zugleich aber auf die Kosovo-Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates beruft. Somit habe Serbien selbst seine eigenen Argumente in den internationalen Verhältnissen bezüglich Kosovo-Politik geschwächt.
Lediglich in einigen Punkten wurde die eigentliche Kosovo-Thematik behandelt. So setzt Pristina ein Jahr lang seine Bestrebungen auf Eis, in internationale Organisationen wie etwa Interpol oder UN-Organisationen wie UNICEF aufgenommen zu werden. Belgrad seinerseits wird die nächsten zwölf Monate nichts mehr unternehmen, um eine neue staatliche Anerkennung des Kosovo zu bekämpfen. Bisher haben rund 100 Länder die abtrünnige serbische Provinz als unabhängig anerkannt, einige hatten den Schritt aber wieder rückgängig gemacht.
Bezüglich der wirtschaftlichen Beziehungen wird im Dokument etwa der angekündigte und bereits in weiten Teilen erfolgte Bau einer durchgehenden Autobahnverbindung von Belgrad nach Pristina oder Zugverbindungen zwischen mehreren Städten festgelegt. Als eine neue Errungenschaft aus Washington könnte man lediglich den Zugang zum staatlichen Kreditinstitut EXIM in den USA bezeichnen, das die regionalen wirtschaftlichen Projekte finanziell begleiten sollte.
Für Spott und Häme sorgte in Serbien vor allem eine Aussage Vučićs nach dem Treffen im Weißen Haus. So sagte der 50-Jährige gegenüber Medien: "Ich habe von US-Präsident Trump einen Füller bekommen." Zudem erhielt er laut eigener Aussage die Schlüssel des Weißen Hauses.
Kritiker spotteten, dass zumindest der Präsident selbst nicht mit leeren Händen nach Hause kommen werde, wenn er schon für das Land nahezu nichts in der Tasche habe.
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