von Helen Buyniski
Millennials in den USA können sich Eigentum nicht leisten – also kümmern sie sich nicht darum, es zu schützen. Warum sind wir dann so überrascht, dass sie Brände legen und Autos zertrümmern?
In den sozialen Medien tauchten Anfang vergangener Woche Videoaufnahmen von einem Mann aus Kenosha im US-Bundesstaat Wisconsin auf: Darauf ist zu sehen, wie er versucht, einer Gruppe junger Demonstranten Respekt vor Privateigentum zu vermitteln. Verbreitung fand dies vor allem unter Konservativen: Sie sehen darin einen Beweis, dass die Jugendlichen, die da Fenster einschlagend und brandschatzend die Straßen füllen, bloß verwöhnte Gören sind, die nicht einen Tag in ihrem Leben gearbeitet haben. Diese selbstgefällige Deutung gibt jedoch nur die Hälfte der Geschichte wieder: Obwohl der Besitz eines Hauses und eines Unternehmens auch für junge Erwachsene in den USA der sprichwörtliche amerikanische Traum bleibt, stellen viele von ihnen fest, dass er, wie jeder andere Traum auch, verschwindet, sobald sie aufwachen.
"Eines versteht ihr alle verdammt noch mal nicht: An diesen Läden hängen Existenzen von Menschen", ruft der verzweifelte Mann den jüngeren Demonstranten in der Videoaufnahme zu, die Gebäude in Brand setzen.
"Dafür haben wir bezahlt!", ruft eine Demonstrantin zurück – eine junge Frau, dem Aussehen nach kaum aus der Highschool entsprungen. Der Mann versucht, den Demonstranten den Unterschied zwischen Familienunternehmen und der Polizei deutlich zu machen, deren gewalttätiges Vorgehen die jetzigen gewalttätigen Proteste auslöste: "Gehören Möbelhäuser der Polizei? Sind Autohäuser die Polizei?" Doch schließlich wird er verjagt, und die junge Demonstrantin verspricht: "Wir brennen auch dein Zeug nieder!"
Die meisten, die das Video sehen, sympathisieren mit dem Mann, der als Verteidiger eines US-typisch sehr ernst genommenen Wertes – des Wertes Privateigentum – daherkommt. Doch wenn sich weniger US-Amerikaner als jemals zuvor ein Eigenheim leisten können, kann man dann von jungen Menschen erwarten, dass sie einen Wert hochhalten, der auf sie gar nicht anwendbar ist?
Wie die meisten Klischees enthält der Allgemeinplatz vom "Antifa-Protestler, der in Mamas Keller lebt" ein Körnchen Wahrheit. Mehr Millennials leben mit ihren Eltern zusammen als mit ihrem Beziehungspartner – die erste Generation seit über 150 Jahren, die das "Verlassen des Nestes" zugunsten eines Wiedereinzugs bei Mama und Papa aufgibt. Die Tendenz ist steigend: Der Prozentsatz der jungen Erwachsenen, die bei ihren Eltern leben, hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Und der wirtschaftliche Stillstand aufgrund von COVID-19-Maßnahmen zwang weitere nunmehr arbeitslose junge Erwachsene dazu, sich in die Sicherheit der Keller ihrer Eltern zurückzuziehen.
Aber das liegt nicht unbedingt daran, dass sie zu faul wären, sich vom Sofa zu erheben. Viele haben – oder vielmehr hatten vor der Pandemie – mehrere Jobs und kämpfen gegen erdrückende Schulden aus Studienkrediten. Oftmals finden sie sich nach der College-Ausbildung, von der ihnen gesagt wurde, dass sie ihnen die Tür zum beruflichen Erfolg öffnen würde, dann in einer Situation wieder, in der all die guten Arbeitsstellen schon besetzt sind, und ihr Jurastudium lediglich eine Vorbereitung auf einen Job bei einem Schnellrestaurant war. Sie kommen nicht für eine Hypothek infrage, ja, oft nicht einmal für eine Mietwohnung – wo doch Vermieter von potenziellen Mietern in der Regel das 40-Fache der monatlichen Miete verlangen – und so ist der Umzug zurück ins Elternhaus ihr einziger Ausweg.
Sogar junge Erwachsene, die allein leben, mieten viel häufiger, als dass sie Wohneigentum besäßen. Zwar versuchten einige Beobachter, diese Tatsache als Folge des Unwillens junger Menschen zu verdrehen, sich nicht binden zu wollen. Aber alles in allem ist es in der Regel schlicht auf Armut zurückzuführen. Denn fast drei Viertel der um die Jahrhundertwende Geborenen geben Wohneigentum die "oberste Priorität" – bloß können sie es sich einfach nicht leisten. Und der Anteil derer, die sich mit der Tatsache abgefunden haben, dass sie "für immer mieten" werden, wächst immerzu. Glauben diejenigen, die irgendwelche angeblichen Lebensgewohnheiten der Millennial-Generation verurteilen, denn wirklich, dass diese Generation, wenn sie die Möglichkeit hätte, nicht mehr sage und schreibe ein Drittel ihres Monatsgehalts an einen parasitären Vermieter auszuhändigen, diese nicht sofort ergreifen würde?
Man braucht sich nur die Beliebtheit der sogenannten "Cancel Rent"-Bewegung (eine Protestbewegung zahlungsverweigernder Mieter, Anm. d. Red.) anzuschauen: Die Unterstützung, die diese Bewegung genießt, lässt sich leicht an Tags und Graffiti an den Wänden und Bürgersteigen von New York City und anderen großen Großstadtgebieten ablesen und dekonstruiert die Vorstellung, dass junge Leute mieten würden, weil es ihnen so gefällt. Die überwiegende Mehrheit der Menschen würde, wenn sie die Wahl hätte, eine Unterkunft bevorzugen, die ihnen nicht für ein paar Monate entzogen werden kann, in denen sie den Mietbetrag nicht aufbringen können – obwohl, wie die Krise der Zwangsvollstreckungen wegen nichtgezahlter Hypothekenratenzahlungen im Jahr 2008 zeigte, selbst Wohneigentum keinen sicherer Schutz davor bietet, kurzerhand auf die Straße geworfen zu werden.
Da sie keine Hoffnung auf Eigenheimbesitz in ihrer Zukunft haben und Banken und Vermieter immer noch wie Geier über ihnen kreisen, stets darauf erpicht, jeden möglichen Gewinn abzustauben, ist es keine Überraschung, dass sich so viele junge Menschen so wenig um den Schutz von Privateigentum scheren. Wenn sie doch wissen, dass sie sich nie ein Haus leisten können, was ist für sie dann im Vergleich dazu die Erstürmung eines Privatviertels? Was kümmert es einen, dass in einem Autohaus Autos abgefackelt wurden, wenn man selbst sich niemals ein Auto leisten können wird? Der Kommunismus und ihm verwandte Ideologien sind darauf ausgelegt, die Besitzlosen anzusprechen. Und der Begriff "Besitzlose" passt – trotz des zunehmend unrealistischen Selbstverständnisses der USA als Land der unbegrenzten Möglichkeiten – bei den jüngeren Bewohnern des Landes wie die Faust aufs Auge.
Vor allem nach den unbedachten Betriebsschließungen im Rahmen von Pandemie-Gegenmaßnahmen, wodurch Millionen von Menschen arbeitslos wurden, die ohnehin schon kaum genug zum Leben hatten, ist den jungen Amerikanern schmerzlich bewusst, dass sie im System keine Zukunft haben. Warum es also nicht einfach demolieren?
Eigentümer, die (zu Recht!) entsetzt sind über die völlige Verachtung gegenüber Privatbesitz und anderen Prinzipien, von denen man einst dachte, dass sie die Nation untermauern würden, müssen zugeben: Die meisten von ihnen drückten ein Auge zu, während ganze Generationen des amerikanischen Traums beraubt wurden, der ihnen versprochen worden war. Nein, die US-amerikanische Abzocke rechtfertigt nicht die massenhafte Brandstiftung und Zerstörung von Eigentum, die im Gefolge der Proteste um George Floyd entfesselt wurden. Aber versuchen Sie mal, das jemandem zu erklären, der Zehntausende von US-Dollar verschuldet ist, keine Möglichkeit hat, sich jemals aus diesem Loch freizuschaufeln, und der nun zu allem Überfluss wegen unsinniger Regierungsdiktate, die mehr Menschen töten als das Virus, den sie bekämpfen sollen, nicht arbeiten darf.
Die USA müssen entweder ihre Fontänen-Ökonomie dramatisch umkehren, die einer Handvoll wohlhabender Menschen die Kontrolle über mehr Besitz und Mittel gab als der unteren Hälfte der Bevölkerung zur Verfügung stehen – oder aber sich mit ihrer drohenden Zerstörung abfinden. Die Finanziers und Konzernbonzen, die den Reichtum der Nation gehortet haben, haben die Kardinalregel des Parasiten vergessen:
Du sollst nicht totsaugen deinen Wirt.
Der US-amerikanische Luxusexpress ist im Begriff, zu entgleisen – und wenn das passiert, sind sie selbst schuld.
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Übersetzt aus dem Englischen. Helen Buyniski ist eine US-amerikanische Journalistin und politische Kommentatorin bei RT.