Wenn es nach dem demokratischen Senator Chris Murphy aus Connecticut ginge, würde Oppositionsführer Juan Guaidó nach einer erfolgreichen Amtsenthebung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro inzwischen den Präsidentenpalast in Caracas bewohnen.
Trotz der vehementen Unterstützung Washingtons verliefen bisher alle Versuche des US-Schützlings im Sande, sich in Venezuela an die Macht zu putschen. Für die erlittenen Fehlschläge macht Murphy US-Präsident Donald Trump verantwortlich.
Anlässlich einer Anhörung des Senatsausschusses für auswärtige Beziehungen zur Venezuela-Politik der Trump-Regierung am Dienstag rechnete Murphy mit dieser in einer Reihe von insgesamt zehn Tweets ab. Trumps Venezuela-Politik liefere eine "Fallstudie über diplomatisches Fehlverhalten", so Murphy, der weiter behauptet, "Trumps Stümperei" habe "einen brutalen Diktator ermächtigt". Damit meint der Demokrat den venezolanischen Präsidenten Maduro, dessen Wiederwahl "ein Betrug" gewesen sei.
Anfang 2019 habe sich für den "charismatischen Oppositionsführer" Guaidó eine günstige Gelegenheit ergeben, aus der er hätte "Kapital schlagen" können, um "die Demokratie in der Nation wiederherzustellen".
"Der Sieg lag direkt vor uns", fährt Murphy fort, doch man habe es versäumt, ganz Lateinamerika hinter der Forderung nach einem politischen Übergang beziehungsweise nach "neuen, freien Wahlen" in Venezuela zu vereinen. Zudem habe man sich nicht die Zeit genommen, um "mit Maduros Schirmherren (Russland, Kuba und in geringerem Maße China) zusammenzuarbeiten oder diese zu neutralisieren".
Doch Trump sei es nicht gelungen, Russland, Kuba und China davon zu überzeugen, Maduro aufzugeben. Denn der russische Präsident Wladimir Putin habe Trump "um den Finger gewickelt", behauptet Murphy. In Bezug auf China habe Trump Handelsfragen den Vorrang eingeräumt, moniert Murphy.
Wir haben also keine nennenswerten Anstrengungen unternommen, um sie zu bewegen, und alle drei standen fest hinter Maduro", so der US-Senator.
Die Folge sei eine "laufende Komödie der Irrtümer" gewesen, die Murphy sodann präzisierte. Dazu zähle etwa Washingtons Agitation für einen fehlgeschlagenen Aufstand im April 2019, ohne Guaidó dabei militärische Unterstützung zukommen zu lassen, weshalb der Staatsstreichversuch in "einem Debakel" geendet habe. Oder die Ernennung des bekennenden Regime-Change-Enthusiasten Elliott Abrams zum Gesandten für Venezuela sowie die Tatsache, dass der ehemalige Nationale Sicherheitsberater John Bolton vage Kriegsdrohungen gegen das lateinamerikanische Land aussprach.
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Dass der US-Präsident aus den Reihen der Demokraten dafür kritisiert wird, weil er es versäumt habe, einen ausländischen Staatschef vorschriftsgemäß zu stürzen, ist eine seltsam anmutende neue Entwicklung in der Anti-Trump-Rhetorik der Partei – die in der medialen Echokammer auf Resonanz stieß.
"Imperialistischer Demokrat"
Murphys Aussagen seien "eine Lehrveranstaltung im 'humanitären' liberalen Interventionismus", kommentierte etwa der US-Journalist Michael Tracey.
Das Problem mit Trumps Venezuela-Politik ist nicht, dass er versuchte, die Regierung zu stürzen, sondern dass sein plumper diplomatischer Stil eine goldene Gelegenheit zum Sturz der Regierung verstreichen ließ", fasste Tracey die Kritik des demokratischen Senators zusammen.
"Amerika hat die Fähigkeit verloren, zu kontrollieren, wer Venezuela regiert – was das natürliche Recht der Vereinigten Staaten ist – und Chris Murphy ist darüber wütend", äußerte sich dazu Glenn Greenwald, der eine maßgebliche Rolle bei der Aufdeckung des NSA-Skandals durch den Whistleblower Edward Snowden spielte.
Der sozialistische Kommentator Tom Wojcik witzelte, dass die Demokraten unter Biden "aggressiv Prioritäten setzen und kompetenter einen weiteren Venezuela-Coup in Angriff nehmen werden".
Murphys Kritik an Trump veranschauliche, dass der Putschversuch in Venezuela eine "überparteiliche" Angelegenheit war, kommentiert der linke Journalist Ben Norton. Zumindest "ist dieser 'fortschrittliche' imperialistische Demokrat ehrlich", so Norton im ironischen Ton.
Trumps erfolgloser Versuch eines Regimewechsels in Venezuela bedeutete eine Abkehr von seinem Wahlkampfversprechen, die USA aus ausländischen Konflikten und "Regimewechselkriegen" herauszuhalten und stattdessen "Amerika an die erste Stelle" zu setzen. Inzwischen hat Trump seinen Sicherheitsberater Bolton entlassen und seinen Fokus von Venezuela auf innenpolitische Belange verlagert, ebenso wie auf den andauernden Wirtschaftskonflikt mit China und das gelegentliche Aufflammen der Spannungen mit dem Iran.
Nicht nur zum Leidwesen Murphys hält sich Maduro in Caracas weiter an der Macht. Sämtliche Versuche Washingtons, den selbsternannten "Übergangspräsidenten" Guaidó an die Macht zu hieven, sind gescheitert. Und die Perspektive sieht in dieser Hinsicht nicht vielversprechend aus, da der Rückhalt für Guaidó sowohl in der Bevölkerung als auch in den Reihen der Opposition stetig schwindet.
Zusammen mit einer Reihe von Oppositionspolitikern will er nun die im Dezember anstehenden Parlamentswahlen boykottieren. Maduro werde "Wahlbetrug" betreiben, um seine Partei an der Macht zu halten, behauptet Guaidó.
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