Der Internetgigant Amazon will der US-Polizei seine Gesichtserkennungssoftware für ein Jahr nicht mehr zur Verfügung stellen. Wie Amazon am Mittwoch vor dem Hintergrund der jüngsten Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA mitteilte, wolle man sich nun für eine stärkere Regulierung seitens der Regierung und für eine "ethische Nutzung" der hauseigenen Technologien eingesetzt.
Inzwischen scheine es so, als ob der US-Kongress diese "Herausforderung" angenommen habe. Das einjährige Moratorium solle der Politik ausreichend Zeit geben, angemessene Regeln zu erlassen. Amazon steht wegen der umstrittenen Nutzung seiner Dienste durch Justizbehörden stark in der Kritik. Ob von dem Moratorium auch Bundesbehörden betroffen sind, war zunächst unklar.
Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Regierungen strengere Vorschriften zur Regelung des ethischen Einsatzes der Gesichtserkennungstechnologie erlassen, und in den letzten Tagen zeigte der Kongress seine Bereitschaft, sich dieser Herausforderung zu stellen. Wir hoffen, dass dieses einjährige Moratorium dem Kongress genügend Zeit geben wird, um entsprechende Vorschriften umzusetzen, und wir sind bereit, falls gewünscht, zu helfen", teilte der US-Internetkonzern mit.
Man werde die entsprechende Software aber weiterhin für Organisationen verfügbar machen, die etwa nach vermissten Kindern suchen.
Wir werden weiterhin Organisationen wie Thorn, dem Internationalen Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder und Marinus Analytics erlauben, die Amazonas-Erkennung zur Rettung von Menschenhandelsopfern und zur Wiedervereinigung vermisster Kinder mit ihren Familien einzusetzen", hieß es in einem Blogeintrag des Global Players.
Gesichtserkennungssoftware steht demnach seit geraumer Zeit in der Kritik, unter anderem, weil Menschen mit dunklerer Hautfarbe zu oft falsch identifiziert würden. Einige US-Städte wie etwa San Francisco untersagten bereits den Einsatz solcher Technologien.
Die "Rekognition" genannte Gesichtserkennungssoftware wird unter dem Dach von Amazons Cloud-Tochter AWS entwickelt. Für die weltweit größte Handelsplattform im Internet stellt das Moratorium eine Kurswende dar. Bisher verteidigte der Konzern stets den Einsatz der Software bei der Polizei – auch nachdem Forscher nach einer Testreihe kritisiert hatten, dass das Programm mehr Fehler bei Gesichtern mit einer anderen Hautfarbe als der weißen mache.
Amazon konterte seinerzeit, dass bei den Tests falsche Methoden angewandt worden seien, während die Technologie selbst korrekt funktioniere. Zugleich hatte sich Amazon-Chef Jeff Bezos jedoch schon im Herbst 2019 für eine Regulierung der Technologie ausgesprochen.
Microsoft fordert dies bereits seit 2018 – und ist zugleich selbst ein relevanter Lieferant von Software zur Gesichtserkennung. Die US-amerikanischen Polizeibehörden haben aber auch andere Möglichkeiten. Es ist jedoch fraglich, ob diese den vermeintlichen Ansprüchen an die Software eher gewachsen sind. So sorgte Anfang des Jahres die US-Firma Clearview AI für Aufsehen, ein obskures Unternehmen, das alles andere als einen lupenreinen Ruf genießt.
So berichtete bereits Anfang 2020 die New York Times, dass das Unternehmen längst rund drei Milliarden Bilder von Menschen aus dem Internet zusammengestellt habe, um eine gewaltige Datenbank zur Gesichtserkennung zu entwickeln. Die Daten wurden demnach von Facebook, Youtube, Venmo, Instagram und "Millionen anderen Webseites" heruntergeladen – ohne Erlaubnis und oftmals mit Verstoß gegen die gültigen Nutzungsbedingungen der jeweiligen Plattformen.
Dennoch: Mehr als 600 Behörden in den USA und Kanada würden den Service bereits nutzen und hätten Zugang zu dieser Datenbank über eine speziell entworfene App der Firma. Zu den Kunden zählen laut der New York Times verschiedene Polizeibehörden sowie das FBI und das US-Heimatschutzministerium.
Derweil bekräftigte Clearview-Chef Hoan Ton-That nach Amazons Ankündigung, dass die Technologie seiner Firma vollkommen korrekt arbeite und dies bei allen Hautfarben. Das sei ihm persönlich ein besonderes Anliegen, erklärte der Software-Entwickler, der aus Australien in die USA kam und vietnamesische Wurzeln besitzt, der Technologie-Webseite CNET. Clearview gestatte nur einen "verantwortungsvollen" Einsatz seiner Gesichtserkennungstechnologie zur Identifizierung von Verdächtigen – aber nicht etwa als Werkzeug zur Überwachung bei Protesten – zu.
Mehr zum Thema - Großes Geschäft mit Gesichtserkennung – Zu Clearviews Tausenden Kunden zählen die VAE und Banken