Laut der Webseite comparisun.com könnte Amazon-Gründer Jeff Bezos der erste Billionär der Geschichte werden. Derzeit wird sein Vermögen auf rund 140 Milliarden US-Dollar geschätzt. Wenn es weiterhin so wie in den letzten fünf Jahren jährlich um 34 Prozent steigt, dürfte sich Bezos im Jahr 2026 als erster Mensch "Billionär" nennen. Laut dem Bloomberg-Milliardärs-Index ist das Nettovermögen von Bezos allein seit Anfang dieses Jahres um 29 Milliarden Dollar gestiegen.
Die Corona-Krise bescherte Amazon vor allem in den USA einen großen Umsatzzuwachs. Um der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden, stellte das Unternehmen rund 175.000 neue Mitarbeiter ein. Die arbeiteten unter großem Druck und offenbar unter Arbeitsbedingungen, die nicht immer den während der Corona-Krise geforderten Sicherheitsvorkehrungen entsprachen. Um sich erkenntlich zu zeigen, erhöhte Amazon den Stundenlohn kurzfristig um zwei US-Dollar, als eine Art "Gefahrenzulage", und führte das Recht auf unbegrenzten bezahlten Urlaub ein.
Doch damit ist jetzt Schluss. Wie das Magazin Businessinsider berichtete, streicht das Unternehmen beide Vergünstigungen wieder. Ab Juni verdienen die Angestellten genau so viel – oder wenig – wie vor dem Ausbruch der Corona-Krise. Und sie haben dann wieder nur noch Anspruch auf den vertraglich festgelegten unbezahlten Urlaub – 20 Stunden pro Vierteljahr. Um diese "Bad News" unter seine Mitarbeiter zu bringen, dachte sich das Unternehmen jedoch etwas "ganz Besonderes" aus.
Gegenüber Businessinsider schilderte ein Angestellter, wie die gesamte Belegschaft seines Lagers in einen Raum gerufen wurde. Dort angekommen, durfte sich jeder ein T-Shirt in seiner Größe aussuchen. Auf die Vorderseite der T-Shirts war ein "Dank Dir" und auf die Rückseite "werden wir zusammen liefern" gedruckt. Der Angestellte erklärte gegenüber Businessinsider:
Alles, was ich sagen kann, ist, dass es sich so anfühlte, als versuchten sie, die Geschichten in den Nachrichten zu ändern, weil sie negativ auf das Unternehmen rückwirken. Ich hasse es, undankbar zu sein, aber ein großes 'Danke' auf ein T-Shirt zu drucken ist ein klarer Hinweis darauf, dass sie unsere Gedanken beeinflussen wollten. Es fühlte sich einfach nicht aufrichtig an.
Ein anderer Mitarbeiter warnte davor, zu früh zur Normalität zurückzukehren:
Jetzt fahren die [US-Bundes-]Staaten wieder hoch, aber mit bislang 21 Fällen und einem Toten in unserem Lagerhaus in Indianapolis ist das ein Schlag ins Gesicht.
Amazon geriet zu Beginn der Corona-Krise stark in die Kritik. Der Vorwurf lautete: Das Unternehmen würde zu wenig für den Schutz seiner Angestellten gegen eine Infektion mit dem Coronavirus unternehmen. An verschiedenen Standorten in den USA kam es zu Protesten der Mitarbeiter, auch weil bereits insgesamt sieben Amazon-Lagerarbeiter an COVID-19 starben.
Die Art und Weise, wie das Unternehmen mit diesen Protesten umging, sorgte für weiteren Ärger. Schlagzeilen machte vor allem der Fall des Lagerarbeiter Christian Smalls, der offenbar wegen der Teilnahme an den Protesten gefeuert wurde. Kein Einzelfall: Ein durchgesickertes Memo dokumentiert, wie Amazon-Führungskräften zusammen mit Bezos darüber sinnieren, wie man am besten mit dem Medienecho über die Entlassung umgeht.
Amazon behauptet nun, niemanden wegen abweichender Meinungen entlassen zu haben, dass Smalls und andere vielmehr wegen Verstößen gegen die Unternehmenspolitik entlassen wurden. Doch das geleakte Memo lässt keinen Raum für Unklarheiten darüber, dass Amazon mit der Entlassung von Smalls sehr gezielt eine Art "Zeichen" setzen wollte. So schreibt der Amazon Chefjurist David Zapolsky in seinen Notizen:
Wir sollten den ersten Teil unserer Antwort [an die Medien, Anm. der Redaktion] der Begründung widmen, also das unmoralische, inakzeptable und wohl auch illegale Verhalten des Organisators [damit ist Smalls gemeint, Anm. der Redaktion] im Detail darlegen, und erst dann mit unseren üblichen Diskussionspunkten über die Sicherheit der Arbeitnehmer fortfahren" so Zapolsky in seinen Notizen.
Und weiter:
Machen wir ihn zum interessantesten Teil der Geschichte und – wenn möglich – machen wir ihn zum Gesicht der gesamten Gewerkschafts-/Organisierungsbewegung.
Smalls sei weder "klug" noch "wortgewandt". Mit anderen Worten: Smalls in den Vordergrund zu stellen, könne dabei helfen, auch eine breitere Arbeiterbewegung bei Amazon zu diskreditieren. In seinen Notizen schreibt Zapolsky weiter, dass unter den anderen Teilnehmern des Führungstreffens in diesem Punkt "allgemeine Zustimmung" herrschte.