von Darius Shahtahmasebi
Die USA haben China wiederholt beschuldigt, in einer Reihe von Ländern eine militärische Präsenz aufbauen zu wollen. Da dies oftmals unbestätigte Anschuldigungen sind, ist es schwierig, zwischen Fakten und Fiktion zu unterscheiden.
Sicher ist jedoch, dass der unkluge Handelskrieg des US-Präsidenten Donald Trump mit China auf eine allzu feindselige Anti-China-Politik hindeutet. Washington versucht eindeutig, Chinas globale Reichweite und seinen wachsenden Einfluss einzudämmen. Inmitten des zunehmenden Aufstiegs Pekings zu einer globalen Macht scheinen die USA darüber besorgt zu sein, dass China einen weiteren geostrategischen Standort ins Visier genommen hat: Kambodscha.
Eine neue Landebahn, die von einer chinesischen Firma im kambodschanischen Dschungel gebaut wird, hat die Befürchtungen des Westens verstärkt, dass China möglicherweise Truppen und Flugzeuge im Land stationieren könnte. Die Startbahn hat einen engen Wendebereich und damit angeblich eine Bauart, die typischerweise von Kampfjetpiloten bevorzugt wird.
Außerdem berichtete das Wall Street Journal (WSJ) unter Berufung auf anonyme Quellen Anfang des Jahres, dass China ein Abkommen unterzeichnet hat, das ihm für einen Teil der kambodschanischen Marinebasis Ream über 30 Jahre die Exklusivrechte einräumt, mit anschließender automatischer Verlängerung um jeweils weitere zehn Jahre. Das Abkommen gibt China angeblich das Recht, Personal, Waffen und Kriegsschiffe dorthin zu entsenden.
Warum sind die USA über die Beziehungen zwischen China und Kambodscha besorgt?
Kambodscha war lange Zeit Gegenstand kolonialer Einmischung. Die südostasiatische Nation kam 1863 unter französischen "Schutz" und wurde 1887 offiziell ein Teil von Französisch-Indochina. Während des Zweiten Weltkriegs fiel es kurzzeitig unter japanische Besatzung, bevor es 1953 vollständig unabhängig wurde. Seit seiner Unabhängigkeit haben die USA eine massive, dunkle und verborgende Rolle im Land gespielt, die von den Medien wenig bis gar nicht beachtet wurde.
Die Frage ist: Warum machen sich die USA Sorgen um ein südostasiatisches Land, das kaum so groß ist wie ein US-amerikanischer Bundesstaat? Oder, zugespitzter: Warum war es dieses Land den USA wert, in den späten 1960er- bis frühen 1970er-Jahren über 500.000 Tonnen Bomben auf diese wehrlose Nation abzuwerfen, wobei über 500.000 Zivilisten getötet wurden? Welches Verbrechen hatte dieses Land begangen, um den Zorn der größten Supermacht der Welt zu erregen?
Die geopolitische Bedeutung Kambodschas liegt laut Stratfor in der Besetzung einer Übergangszone zwischen dem westlichen und östlichen Teil des südostasiatischen Festlandes, insbesondere in der zentralen Lage zwischen Thailand und Vietnam. Kambodscha liegt in einem langjährigen Territorialstreit mit Thailand, der 2011 kurzzeitig zum Einsatz von Waffen führte. Da Kambodscha an den Golf von Thailand grenzt, erhöht die Nähe zum Südchinesischen Meer die Komplexität der Region noch weiter, da China seine militärische Präsenz in diesen Gewässern ausweitet. Kambodscha hat auch zahlreiche Streitigkeiten mit Vietnam, einem Land, das langsam, aber sicher in der Region an Bedeutung gewinnt (nachdem es zuvor zehn Jahre lang Kambodscha besetzt hatte).
Diese regionale Dynamik wurde von einem ehemaligen kambodschanischen Minister treffend beschrieben, der sagte: "Kambodscha ist ein feines Stück Schinken zwischen zwei dicken Brotscheiben."
Die Idee, dass China der Patron eines solchen Protektorats werden könnte, war Anlass genug für US-Vizepräsident Mike Pence, einen Brief an den kambodschanischen Premierminister Hun Sen zu schreiben. Darin äußerte er die Sorge Washingtons, dass Peking in Kambodscha eine Einrichtung von zivilem wie militärischem Nutzen ("dual use") aufbauen könnte.
Warum sollte China einen militärischen Außenposten in Kambodscha erwägen?
Kambodscha ist ein entscheidender Verbündeter für China, wenn Peking seinen Einfluss auf Südostasien und darüber hinaus projizieren und andererseits den der USA so weit wie möglich zurückdrängen möchte. Kambodscha würde im Wesentlichen ein Sprungbrett für China sein, um in den Rest der Region vorzudringen und seine Marine-Außenpostenstrategie weiter voranzutreiben. Mit dem Verdrängen der USA könnte Chinas Vorstoß nach Kambodscha das regionale Machtgleichgewicht angesichts eines aufstrebenden Vietnam stören.
China ist auch Kambodschas größter Handelspartner und Quelle für ausländische Direktinvestitionen. Das bilaterale Handelsvolumen erreichte im letzten Jahr rund sieben Milliarden US-Dollar. Zwischen 2013 und 2017 hatte China 5,4 Milliarden US-Dollar in Kambodscha investiert, und damit weitaus mehr alle anderen Nationen zusammen. 2006 erklärte Hun Sen China zum "vertrauenswürdigsten Freund" seines Landes. Angesichts des zuvor beklagenswerten Engagements Washingtons in Kambodscha ist es nachvollziehbar, dass Phnom Penh unter Umständen die Gesellschaft eines anderen Landes anstelle der Vereinigten Staaten bevorzugt.
Die jüngsten Behauptungen über einen militärischen Außenposten folgen einem ähnlichen Muster von Behauptungen, die uns fast überall dort begegnen, wo China begonnen hat, seinen Einflussbereich auszuweiten. Eine Reihe von Ländern, in die China Geld investiert haben, wurde beschuldigt, Peking möglicherweise eine wichtige militärische Plattform für seine militärischen Absichten anzubieten. Zu dieser Liste von Nationen gehören Pakistan, Tadschikistan, Samoa, Dschibuti, Vanuatu, Afghanistan, Papua-Neuguinea und die Salomon-Inseln, um nur einige zu nennen. Bislang hat China jedoch nur einen Überseestützpunkt in Dschibuti, während die USA ihr Militär über die ganze Welt verteilt haben.
Der Vorwurf ist Teil der Vorstellung, dass China die "Diplomatie der Schuldenfalle" nutzt, um andere, ärmere Nationen unter seine Kontrolle zu bringen. Sobald diese Länder nicht in der Lage sind, ihre Kredite zu bezahlen, rückt Peking ein und sichert sich etwas Greifbares, wie einen potenziell lukrativen und geostrategischen Marinehafen. Eine Vorstellung, der ein Bericht des australischen Lowy Institute widerspricht, wonach China keine problematischen Schuldenpraktiken im Pazifikraum verfolgt (ganz zu schweigen davon, dass China bereits fast zehn Milliarden US-Dollar Schulden erlassen hat). Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass selbst eine kaum als pro-chinesisch geltende Publikation wie die Nikkei Asian Revieweinräumte, dass "es keine Beweise dafür gibt, dass der Hafen und die Landebahn für die Volksbefreiungsarmee geeignet sind".
Unabhängig davon, ob die jüngsten Anschuldigungen wahr sind oder nicht, hat China in Kambodscha zweifellos große militärische Gewinne erzielt, etwa beim Verkauf militärischer Ausrüstung, einschließlich Jeeps, Raketenwerfern und Hubschraubern. Im Jahr 2017 setzte Kambodscha ein jährliches Militärmanöver mit den USA aus – ein Jahr nach Chinas erstem gemeinsamen Marinemanöver mit Kambodscha.
Reaktion der Vereinigten Staaten
US-Verteidigungsminister Mark Esper kündigte jüngst an, dass die USA erwägen könnten, ihre Truppen von Afghanistan in den indisch-pazifischen Raum zu verlegen, um dem Einfluss Chinas zu begegnen. Esper bezeichnete die Region schließlich als Washingtons "vorrangige Bühne", nachdem er seit seiner Vereidigung bereits zweimal den Indopazifikraum bereist hat. Esper erklärte auch, dass er die Verlegung von US-Truppen in Erwägung zieht, die derzeit in der afrikanischen Region stationiert sind, einzig um Russland und China zusätzlich einzudämmen.
Die USA haben Kambodscha auch mit Nachdruck gewarnt, "nicht alle seine Eier in den chinesischen Korb zu legen". Doch wenn man die vergangenen Aktionen der USA in diesem Land betrachtet, bleibt es äußerst fraglich, in wie weit sich Washington wirklich darum schert, wie es Kambodscha ergeht. Anfang Dezember begannen die USA auch damit, neue Sanktionen gegen eng mit Hun Sen verbundene Mitarbeiter zu verhängen, die sie der Korruption beschuldigen. Man muss kein Genie sein, um zu vermuten, dass diese Sanktionen gleichfalls Ausdruck geopolitischer Erwägungen statt der Sorge vor Korruption sind. Insbesondere machen solche Korruptionsvorwürfe wenig Sinn, wenn man sich zum Vergleich vor Augen führt, in welchen gegenwärtigen Schwierigkeiten Israels Premierminister Benjamin Netanjahu wegen mutmaßlicher Korruption steckt.
Kambodscha seinerseits ist offenbar so oder so zwischen einer Reihe schwieriger Szenarien gefangen. Blickt man auf die großen Züge im globalen Schachspiel, so wird es zum Brennpunkt eines bedeutenden internationalen Wettstreits zwischen China und den Vereinigten Staaten werden. Im Kleinen wird es sich mit seinen Nachbarn, darunter Vietnam und Thailand, auseinandersetzen müssen. Alles in allem erscheint es für das Land gar nicht so abwegig, sich um den militärischen Schutz Pekings zu bemühen.
Darius Shahtahmasebi ist ein in Neuseeland ansässiger Rechts- und Politikwissenschaftler, der sich derzeit auf Einwanderung, Flüchtlinge und humanitäres Recht spezialisiert hat.
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