von Gert Ewen Ungar
Es war mein dritter Besuch auf der Krim. Der erste fand im Jahr 2015 statt, ziemlich genau ein Jahr nach dem Referendum, mit dem die Bürger der Halbinsel mit übergroßer Mehrheit ihren Willen zum Ausdruck gebracht hatten, sich angesichts der Entwicklungen in der Ukraine, sich von dieser zu lösen und der Russischen Föderation einzugliedern. Dieser Vorgang wird bei uns für völkerrechtswidrig gehalten, weshalb im Mainstream dem Namen "Krim" – wie eine Vorsilbe – immer "die von Russland annektierte" beigefügt wird.
2016 war ich noch einmal dort, um zu sehen, welche Entwicklungen sich dort abzeichneten. Schon damals gab es deutliche Veränderungen. Straßen waren erneuert, sichtbare Armut im Stadtbild von Simferopol war reduziert, an allen Ecken und Enden wurde gebaut.
In diesem Jahr zog es mich wieder auf die Krim. Das hatte mehrere Gründe. Ein ganz persönlicher ist, dass von allen Orten, die ich bisher bereiste, die Krim meiner Vorstellung von Paradies am nächsten kommt. Die Krim ist einfach wunderschön, ein Idyll. Es gibt Palmen, Zypressen, historisch gewachsene Orte, multikulturelle Vielfalt, gutes Essen, herausragenden Wein und natürlich das Schwarze Meer.
Aber es gab noch andere Gründe.
Seit 2014 sanktioniert der Westen Russland mit dem Ziel, das wirtschaftliche Wachstum zu bremsen, um Unmut in der russischen Bevölkerung zu erzeugen, der einen Regimewechsel möglich machen soll. Nochmals zusätzlich verschärfte Sanktionen gelten für die Krim. Wobei "Regime" für Russland natürlich das falsche Wort ist. Faktisch haben die russischen Wähler deutlich mehr demokratische Einflussmöglichkeiten als deutsche. Schließlich wählen die Deutschen auf föderaler Ebene lediglich ein Verfassungsorgan – die Zusammensetzung des Bundestages –, die Russen hingegen zwei.
Sie entscheiden zusätzlich über die Besetzung des Präsidentenamtes. Zudem ist die Russische Föderation in ganz anderer Weise souverän als die Bundesrepublik. Weder gibt Russland Souveränität an transnationale Gebilde wie die EU ab, noch befinden sich auf dem Gebiet Russlands ausländische Militärbasen, an denen die Souveränität des Landes abrupt endet. Diese Fakten sollte man im Hinterkopf behalten, wenn medial wieder gegen das angeblich undemokratische Russland zum Shitstorm aufgerufen wird.
Noch immer könnte man das Referendum von 2014 im Wochenrhythmus wiederholen, am Ergebnis würde sich wenig ändern. Geändert hat sich höchstens die Haltung zu einer solchen Idee. Während man sie 2015 und auch 2016 auf der Krim für diskussionswürdig hielt, käme den Bewohnern diese Idee heute wohl völlig absurd vor. Die Krim ist ein Teil Russlands. Nahezu alles, was an die Zugehörigkeit zur Ukraine erinnert, ist verschwunden. In den Hotels, den Restaurants, im öffentlichen Raum ist alles auf russisch ausgeschildert, Englisch findet sich noch hier und da, auf ukrainisch findet sich praktisch nichts mehr.
Die Sanktionen sind noch in Kraft und werden das wohl auch noch lange bleiben. Aber sie sind inzwischen weniger spürbar. Trotzdem bekommen russische Staatsbürger mit Wohnsitz auf der Krim auch heute noch kein Schengenvisum. Die Sippenhaftung, die der Westen über die Krim verhängt hat, ist weiterhin geübte Praxis. Was andere Sanktionen angeht, werden sie inzwischen jedoch weitgehend mit innovativen Lösungen umgangen.
Während man vor drei Jahren noch mit Bargeld anreisen musste, weil die Krim im Rahmen der Sanktionen vom SWIFT-Zahlungsverkehr abgeschnitten war, ist dieses Problem inzwischen behoben. Ich habe mir für meine Reise auf die Krim eine MIR-Debitorenkarte besorgt. MIR ist ein von Russland entwickeltes System für den elektronischen Zahlungsverkehr.
Man kann es als Antwort auf die Sanktionen verstehen, mit denen unter Beweis gestellt wurde, dass der Westen nicht davor zurückschreckt, ganze Regionen und Staaten vom Zahlungsverkehr abzuschneiden, wenn sie politische Interessen verfolgen, die nicht mit den Ideen des Westens korrespondieren. Auf Autonomie zu setzen, ist da nur die logische Konsequenz. Es gibt inzwischen wieder zahlreiche Banken auf der Krim. In der Regel sind es Ausgründungen russischer Banken, die nur auf der Krim aktiv sind. International aktive Banken würden sanktioniert. Man kann wieder Bargeld abheben und überall bargeldlos mit einer MIR-Kreditkarte bezahlen.
Während westliche Kreditkarten noch immer nicht funktionieren, existiert für russische Bürger das Problem nicht mehr. Da die Sanktionen auch ein Werbeverbot für Reisen auf die Krim umfassen, lassen sich die westlichen Besucher ohnehin an einer Hand abzählen. Wer jetzt allerdings glaubt, dort herrsche Einsamkeit und Tristesse, der täuscht sich. Die Besucherzahlen kennen seit der Eingliederung in die Russische Föderation nur eine Richtung: Sie gehen kontinuierlich nach oben. So wirkt die Uferpromenade in Jalta, die Ulitza Lenina, am Abend fast schon überlaufen. Dabei wurde sie bereits verlängert. Vor drei Jahren wurde hier angefangen zu bauen. Vor Kurzem wurde die Erweiterung eröffnet, und zahlreiche kleine Ladengeschäfte warten auf Mieter, die vom florierenden Tourismus profitieren wollen.
Das alles ist nicht einfach so passiert, sondern weitsichtige Politik ohne irgendwelche ideologischen Scheuklappen wie Schuldenbremse und Sparwahn. Der Ausbau der Infrastruktur, der hier in den vergangenen Jahren vonstatten gegangen ist und sich noch immer fortsetzt, ist beachtlich. Während ich 2016 mit einer Boeing 747 von Moskau nach Simferopol geflogen bin und auf einem Flughafen landete, der für derartige große Flugzeuge gar nicht erbaut war, brachte uns dieses Mal ein Flieger zu einem völlig neuen Flughafenterminal, das für bis zu zehn Millionen Fluggäste pro Jahr ausgelegt ist.
In Rekordzeit wurde dieses Terminal errichtet, die alten, nicht mehr zeitgemäßen Terminals wurden geschlossen. Der Flughafen hat seit der Unabhängigkeit von der Ukraine seine Passagierzahlen verfünffacht. Die ebenfalls in Rekordzeit gebaute Brücke von Kertsch – die längste Brücke Europas – verbreitert den Touristenstrom zusätzlich. Demnächst wird neben der Fahrbahn für Autos noch die Bahntrasse in Betrieb genommen.
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An Flughafenausbau, Straßensanierung, an all diesen Infrastrukturprojekten lässt sich auch ermessen, wie sträflich die Ukraine die Krim vernachlässigt hat. Als ich 2015 zum ersten Mal dort war, waren die Oberleitungsbusse, die den Flughafen mit Jalta verbinden, noch aus Sowjetzeiten, die Straßen waren in einem schlechtem Zustand. Das hat sich geändert. Der Prozess ist nicht abgeschlossen. Die Marschrutkas, die zwischen den Touristenzentren verkehren, verrichten zwar ihren Dienst, sind aber alle alt. Während die föderalen Straßen alle in einen guten Zustand gebracht wurden, merkt man den Wechsel der Zuständigkeit unmittelbar am Straßenbelag. Da wo die Kommunen zuständig sind, sind die Straßen deutlich schlechter.
In Simferopol und an zahlreichen anderen Orten wurden und werden Moscheen errichtet. Während der Ukraine offensichtlich erst nach der Unabhängigkeit der Krim das Wohl der dort lebenden muslimischen Minderheit in den Sinn gekommen ist, unterstützt und fördert die jetzige Regierung die Vielfalt der auf der Krim lebenden Kulturen. Die westliche Sorge um das Wohl der Krimtataren ist jedenfalls in keinster Weise angemessen und gemessen an der lang anhaltenden Passivität der Ukraine gegenüber den Minderheiten auf der Krim auch zynisch.
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Die Krimtataren profitieren vom Wachstum und der zunehmenden Lebensqualität ebenso wie alle anderen Bewohner der Krim. Sie werden nicht ausgeschlossen. Das wird beispielsweise auf dem Berg Ai-Petri sichtbar. Wo vor vier Jahren ein kleiner, von Krimtataren betriebener Markt war, auf dem sie ihre Waren anboten, ist dieser inzwischen deutlich gewachsen. Der Marktplatz wurde gepflastert und völlig neu gestaltet. Das Geschäft floriert ganz offensichtlich.
Begünstigt wird die Entwicklung auf der Krim von geopolitischen Entwicklungen. Georgien fällt in diesem Jahr als Ziel für russische Touristen aus. Nach antirussischen Unruhen in Georgien wurden die Flugverbindungen der russischen Airlines nach Georgien gestrichen und offiziell von Reisen in das Land abgeraten. Was Georgien da veranstaltet, kommt einer ökonomischen Selbstverletzung gleich, denn russische Touristen waren eine wichtige Einnahmequelle des Landes, die durch Touristen aus der EU nicht ersetzt werden kann. Wer fliegt schon nach Georgien, um dort Urlaub zu machen? Wir haben das Land überhaupt nicht im Blick.
Mehr als nur eine ökonomische Selbstverletzung, nämlich ökonomischen Selbstmord, betreibt die Ukraine. Ich weiß nicht, ob man in Odessa und in anderen Städten am Schwarzen Meer wirklich mit Touristen aus der EU gerechnet hat, durch die die ausbleibenden russischen Gäste ersetzt werden könnten. Das Einreiseverbot für russische Männer zwischen 16 und 60 jedenfalls brachte jede Form von Tourismus aus Russland in der Ukraine zum vollständigen Erliegen.
Dass in der Ukraine der ökonomische Todestrieb die Oberhand bekommen hat, beweist auch die Tatsache, dass die Ukraine beabsichtigt, Fracking-Gas aus den USA statt russischem Gas zu deutlich günstigeren Konditionen zu importieren. Dabei ist die Ukraine ein völlig überschuldetes Land, dessen Zahlungsunfähigkeit durch den IWF und ausländische Kredite nur künstlich aufgeschoben ist.
So ist die Krim genau die Antithese zu dem, was in der Ukraine passiert. Damit ist die Halbinsel in gewisser Weise auch das, an was sich die Ukraine sowie die EU, die der Ukraine "Reformprogramme" oktroyiert, messen lassen müssen. Auf der Krim wurde Wachstum und Wohlstand durch massive Investitionen erzielt, in der Ukraine gibt es ökonomischen Niedergang, dem die EU – inzwischen selbst durch eine fatal irrige Wirtschaftspolitik zerrissen – nichts entgegensetzen kann.
Die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation ist eine Erfolgsgeschichte. Westliche Sanktionen, Terroranschläge ukrainischer Nationalisten, aggressive Maßnahmen der ukrainischen Regierung, all das, was Wachstum, Frieden und Prosperität auf der Krim verhindern sollte, ist gescheitert. Durch staatliche Investitionen prosperiert die Krim. Es herrscht Frieden im fast schon paradiesisches Ferienidyll. So ist die Krim tatsächlich auch so etwas wie der ganz nonchalant ausgestreckte Mittelfinger Russlands in Richtung EU und Westen, die mit all ihren aggressiven Manövern an den realen Gegebenheiten gescheitert sind.
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